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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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03.07.2022, 16:31 | #1 |
Gewitterstille
Gewitterstille.
Der Himmel schweigt, resigniert. Und drückt zynisch weiter. Kein Tropfen fällt, alle Tränen schon längst vergossen. Kein Donner grollt, wir haben eh jede Idee von Respekt verloren. Kein Blitz zu sehen, wir sind es ihm nicht mehr wert. Stattdessen Kirchenglocken: Apathischer Ruf des Machtmissbrauches an seine Stockholm-Syndromer. Trübes, gelbliches Licht. Flaches, lahmes Vogelgezwitscher. Verheißungsvolles Insektensirren. Kaum ein Menschenslaut: irritiert oder schuldbewusst, erschöpft oder unschlüssig, was mit dem angebrochenen Sonntag totzuschlagen ist. |
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08.07.2022, 16:11 | #2 |
Hallo scherzlos,
ich hab dein Gedicht nun bestimmt schon zehn Mal gelesen. Irgendwie steig ich nicht ganz dahinter. Die erste Strophe klingt eher so, als würde sich gerade was zusammenbrauen. Sprich Gewitterstille: dunkle Wolken ziehen auf, Ruhe vor dem Sturm, noch kein Tropfen fällt, kein Blitz und Donner. Unheilvolle Stille. Was dann folgt, kommt bei mir nicht an. Das Läuten der Kirchenglocken klingt nach Apokalypse. Bamm, gleich knallt's. Ende im Gelände. Aus der ersten Strophe ließe sich mehr machen. Auf den Rest kann ich verzichten. Nette Grüße, Candlebee |
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08.07.2022, 17:24 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo scherzlos,
die Überschrift irritiert, weil sie einen Widerspruch in sich enthält. Was soll eine Gewitterstille sein? Ein Prüfstein, den ich gern an ein Gedicht anlege, ist die Prosafassung und die sähe etwa so aus: Der Himmel resigniert, schweigt und drückt zynisch weiter, es herrscht Gewitterstille. Kein Tropfen fällt, weil schon alle Tränen vergossen sind. Die Stille wird von Donnergrollen unterbrochen, aber wir haben sowieso jede Idee von Respekt verloren. Es ist kein Blitz zu sehen, wahrscheinlich, weil wir es ihm nicht mehr wer sind. Statt Blitze zu sehen, hören wir Kirchenglocken und die sind ein apathischer Ruf des Machtmissbrauchs an seine Stockholmer Syndromer. In diesem bedeutend klingen sollenden Sermon geht es weiter. Ich kann mit Deinem Gedicht nichts anfangen. Gruß, Heinz |
08.07.2022, 18:09 | #4 |
Forumsleitung
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Ich finde die Zeilen durchaus wert, näher betrachtet zu werden. "Gewitterstille" ist ein Oxymoron, eine Sprachfigur, die häufig verwendet wird, aber sie fällt nicht immer auf, weil manche Wendungen bereits inflationär verwendet werden ("stummer Schrei"). Und wer kennt nicht die Wortspielereien in dem Gedicht "Dunkel war's, der Mond schien helle / als ein Auto blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr ..."?
Was mich stört, ist das Wort "zynisch", denn Zynismus ist an einen sprachlichen Ausdruck, eine Mimik oder eine als zynisch empfundene Handlung gebunden. Aber an einen schweigenden Himmel? Natürlich kann man jedoch über Metaphern bzw. Allegorien unterschiedlicher Meinung sein. Eine Interpretation des Textes könnte sein, dass die Menschheit sich an die drückende, freudlose Stimmung gewöhnt hat, die sich partout nicht in dem erlösenden Schlag entladen will. Die Leute sind abgestumpft und stehen den Naturereignissen respektlos gegenüber. Außerdem wird es schon nicht so schlimm kommen. Gute Laune gewinnt man vielleicht dadurch, dass man sich mit der Situation anfreundet, so wie manche Opfer mit ihren Tätern sympathisieren. Das bindet die Angst und lässt bis auf weiteres überleben, auch wenn über das Ganze offensichtlich große Langeweile herrscht. Aber jeder Sonntag geht vorrüber. So gelesen eregibt der Text für mich Sinn, auch wenn der Autor sich mit ihm etwas ganz anderes gedacht haben mochte. |
17.07.2022, 12:14 | #5 | |
Zitat:
ist es erst dann ein Gewitter, wenn es hörbar losbricht, oder gehört nicht auch der sich aufbauende Luftdruck, die Wolken, das verstummen von Insekten und Vögeln etc. vorab dazu? Ich glaube, Du denkst zu wenig mit der echten Erscheinung und zu sehr klischeehaft-symbolisch. Gruß. |
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17.07.2022, 12:37 | #6 | |
Zitat:
Stattdessen künstlich geschaffene, irrige Ersatzhandlungen der Religion und Routine. Aus beidem, Kontaktverlust zu, aber dennoch vage Wahrnehmung einer bedrohlichen Natur, und masochistische Zuflucht in die Passivität, anstelle eines adäquaten, aktiven Verstehens und Handelns, resultieren menschlichen Abgestumpftheit und Apathie. Aber ursprünglich ist das Ganze nur eine Art von Situationsbetrachtung, eine Momentaufnahme. |
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