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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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27.03.2022, 08:08 | #1 |
Nichts.Alles.Neu
Nichts
Da sitz ich nun auf kargem Land, der Boden hart wie Stein, und halte fest in meiner Hand die Scherben meines Seins. Die Splitter spiegeln unverwandt die hundertfache Pein und schneiden mir mit scharfem Rand Erinnerungen ein. Das laute Herz in meiner Brust hat mich umsonst gequält; denn hätte ich vom Schmerz gewusst, hätt ich das Nichts gewählt. Alles Ich sehe Blut und wie es rinnt, wie es die Finger färbt, seh wie es emsig Tropfen spinnt und spröden Boden wärmt. Ganz leise wird mein Herz, so sacht schlägt es den höchsten Ton, doch tröstend senkt sich nur die Nacht; die Kälte kenn ich schon. Ich spür ein Brennen innerlich als Schwindel mich durchfließt, und wie zerrissen fühle ich dass sich mein Herz ausgießt. Was bleibt ist nur Zinnoberglanz und Glut, die sterbend glimmt; die Einladung zum letzten Tanz, wenn alles neu beginnt. |
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27.03.2022, 13:24 | #2 |
Liebe Freundin
wie schön, von Dir zu lesen (das ist ja eigentlich immer schön).
Darüber spekulieren, welche Situation Deinen Versen etwas konkreter zugrunde liegen könnte, möchte ich eigentlich gar nicht. Allgemein liegt das LyrI zersplittert am Boden, spürt die letzte Glut in sich vergehn - und wird hoffentlich wie Phönix aus der Asche in die Lüfte aufsteigen. Jeder, der möchte, kann ja diese Bilder leicht (oder mit großen Mühen?) auf eigene Erfahrungen oder die anderer Menschen beziehen. Da man hier öfter mal in Kommentaren liest "Das klingt so schön - ich weiß gar nicht warum", wollte ich aber auf einige poesietechnische Verfahrensweisen hinweisen, die Du auch hier wieder traumwandlerisch beherrschst und die den "Klangzauber" verständlicher machen. Es kommt eben nicht nur darauf an, dass die Endreime "irgendwie passen", sondern auch binnenmäßig sollten sich des Öfteren Assonanzen und Alliterationen die Hände reichen. Beispiele aus Deinem Gedicht: Splitter spiegeln unverwandt / die hundertfache (toll) Tropfen spinnt / und spröden Boden Zinnoberglanz / und Glut, die sterbend glimmt Bei mir kommen die Biester ja meist aus Ohren und Nase heraus, während Du Sie so dezent in Szene setzt, dass es jedem Leser eine Freude ist. Einen schönen Sonntag wünscht Dir EPI |
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27.03.2022, 13:59 | #3 |
Mein lieber EPI,
welch wunderschönen Kommentar du mir geschrieben hast! Ich fühl mich zutiefst berührt und geehrt, hab vielen lieben Dank!!
Dabei war ich mir zunächst noch unschlüssig, ob es nicht zu banal ist und ich das Gedicht überhaupt einstellen sollte, aber schon allein deiner Antwort wegen hat es sich gelohnt! Dir auch einen wundervollen Sonntag und liebe Grüße |
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27.03.2022, 20:51 | #4 |
Hallo
Ohne Worte, kann man nur mit Worten wiedergeben.
Danke für die Bilder. MfG |
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28.03.2022, 08:15 | #5 |
Hallöchen :D
Ich danke Dir, lieber Schippe.
Liebe Grüße |
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31.03.2022, 21:09 | #6 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 61
Beiträge: 1.676
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... einfach flüssig und sauber, teilweise nachvollziehbar, gern gelesen. Ist es Absicht, dass das Neue in der letzten Zeile nur kurz erwähnt wird und somit der Fantasie keine Grenzen gesetzt werden?
wünsche schöne Träume |
01.04.2022, 00:38 | #7 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.489
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Ja statt Mitgefühl mit sich wählt das Spiegelbild den Selbsthass und fügt sich selbst Schmerzen zu, wie Ramstein bei "Ich tu dir weh" Isses eben offensichtlich an sich selbst gerichtet vom Lyrisch sich auflösen wollenden Ich. Das meint die Selbstzerstörung würde die Sehnsucht nach Erlösung stillen.
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01.04.2022, 06:02 | #8 | |
Zitat:
Wie schön, dass es dir aufgefallen ist! Vielen Dank fürs Lesen und für deine Antwort. Ebenfalls schöne Träume, dunkler Traum und liebe Grüße Aber nein, lieber docFrankie, mit Selbsthass hat das nicht zu tun. Ganz im Gegenteil! Manchmal ist es die Erlösung den Dingen ihren Lauf zu lassen. Und manchmal muss das alte LI sterben, damit das neue LI werden kann Schön von dir zu lesen! Liebe Grüße |
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02.04.2022, 14:28 | #9 |
abgemeldet
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Moin Mohrel,
wieder mal technisch klasse umgesetzt. Du hältst die Metrik sauber ein und es gibt keinen Stolperer. Außer die unterschiedlichen Betonungen bei "durchfließt" und "ausgießt". Aber ich muss zugeben, dass alle möglichen Alternativen den Inhalt herabsetzen würden. Sprachlich ist das sehr hochwertig und das würde ich nicht mit einem Worttausch aufs Spiel setzen. Hat mir gut gefallen. Gruß Pennywise |
02.04.2022, 16:19 | #10 |
Helloo Pennywise,
Danke für die Blumen Über deine Aussprache von ausgießt grüble ich aber immer noch ein wenig.. Nachdem ja in besagtem Vers das Herz betont ausgesprochen wird, geht's ja fast gar nicht anders als dass man aus unbetont und gießt wieder betont spricht. Alles andere verursacht Schnappatmung. Bei mir zumindest Ich danke dir für deine Antwort und freu mich sehr, dass es dir gefällt! Liebe Grüße |
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02.04.2022, 17:36 | #11 |
abgemeldet
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Das stimmt schon, dass es im Takt des Verses so betont werden müsste, aber "ausgießt" betone ich im Normalen Sprachgebrauch auf den Anfang des Wortes.
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02.04.2022, 23:19 | #12 | ||
Hallo,
Ich versuche auch wie Pennywise zu verstehen, was ein Metrum in einem Gedicht ausmacht und wie es funktioniert. Da gibt es für mich noch viel zu entdecken. Pennywise machte auf den Reim aufmerksam "durchfließt" - "ausgießt". Im normalen Gebrauch, so sagt er zurecht, wird bei der Aussprache des Wortes "ausgießt" die erste Silbe betont: ausgießt. Die Betonung, die streng dem Metrum folgen würde "ausgießt", irritiert sein Sprachgefühl. Mohrel hebt dagegen die Eigendynamik des alternierenden Metrums hervor, die nur die Betonung "ausgießt" zulassen würde. Sie meint, weil das Wort "Herz" unzweifelhaft betont ausgesprochen wird, muss dann dem Metrum folgend die letzte Silbe betont werden. In der Regel, da folge ich Pennywise, liegt die Betonung auf "ausgießt"! Aber das gilt nicht absolut. Stell dir vor, ein Freund hätte Glühwein in ein altes, zerbrechliches Bleiglas eingefüllt und du würdest fürchten, dass das Glas platzen könnte. Mit Nachdruck könntest du sagen: "Mach, dass du die heiße Plöre sofort ausgießt!" In diesem Fall sind kontextabhängig grundsätzlich unterschiedliche Betonungen denkbar. Um eine Antwort zu finden, wie nun dieser Reim "durchfließt" - "ausgießt"zu betonen ist, habe ich mir folgende Antwort überlegt. Vorausschicken möchte ich, dass ich persönlich Gedichte viel besser verstehe, wenn ich mir erlaube, sie laut zu lesen oder vorzulesen. Das Hörerlebnis erschließt neben einer intellektuellen Betrachtung weitere Dimensionen des Verständnisses. Gedichte werden für mich fassbarer und sinnlicher, lebendig! Metrum und natürlicher Sprechrhythmus sind keine Feinde. Sie kreieren zwei lineare Spannungslinien, die immer im Austausch stehen. Das Metrum gibt ein Grundraster, einen Takt vor, die Basis, auf der man sich bewegt. Würde man sich aber nur an Metrum orientieren, müssten alle Gedichte konsequenterweise runtergeleiert werden. Die Sprache bringt eine Satzmelodie (individuell ud regional gefärbt) mit sich, die das Metrum neben seinem linearen Verlauf mit weiteren dynamischen Komponenten unterstützt (das Sprechen geht hoch und tief, ist kurz und lang, mal schnell, mal langsam, hat Atempausen ---> Melodie). Auch die Betonungen sind länger oder kürzer, höher oder tiefer. Das laute Lesen lädt die Aufmerksamkeit ein, Zäsuren aufzuspüren und sie als Pausen zu bemerken, die nach Zeilenenden, nach Strophenenden und innerhalb von Zeilen auftreten können. Enjambements werden als Brücken erfahrbar. Auf der Basis der "natürlichen Sprachmelodie" und der "natürlichen" Betonungen schwingt das Gedicht, es bekommt Dynamik, es lebt. Und dann treffen wir immer wieder auf Stellen, an denen sich das vom Metrum gesetzte Betonungsverhältnis mit dem der natürlichen Sprache zu widersprechen scheinen. Ich habe mir inzwischen abgewöhnt in solchen Fällen immer gleich die Hand zu heben und zu schreien: "Fehler!" Denn diese sog. "Fehler" machen oftmals Sinn. Häufig zeigt es sich, dass manche "Unsauberkeiten" motiviert sind. Ich komme konkret auf unseren kritischen Fall zurück und zitiere die letzten beiden Strophen: Zitat:
Die 4. Strophe wechselt von der vorhergehenden Beschreibung des Herztodes hin zu einer Reflexion über Tod und Wiedergeburt. Hier endet die Beschreibung eines siechenden Herzens. Es folgt das „Neu“!, also ein neues Kapitel. Mit diesem Hintergrund macht es Sinn, dass die 4 Zeile der dritten Strophe anders gesprochen und abweichend betont wird als die Zeilen davor. Das Herz blutet aus, die Zeit vergeht langsamer, das Sprechen "versiegt" sozusagen analog dem Herzen, Zitat:
Ich neige dazu, die letzten beiden Silben zusammen als "schwebende" Betonung zu lesen. Aber auch die Möglichkeiten, entweder die vorletzte oder die letze Silbe zu betonen ist möglich, solange nur spürbar ist, dass diese letzte Zeile etwas Besonderes im Gedicht, etwas Herausgehobenes ist. Zum Lesen der vierten Strophe kann erst dann angesetzt werden, wenn das Sterben realisiert worden ist. Erst dann macht eine Reflexion über das „Neue“ Sinn. Die Antwort, ob die erste oder die zweite Silbe des Wortes "ausfließt" betont ist, beantworte ich mit: egal, wenn es dem Sprachgefühl nicht entgegegensteht! Wichtig ist, dass diese Stelle als besondere nicht nur über Inhalt, sondern auch durch den sprachlichen Ausdruck markiert wird. Tolle Sprache, kontrolliert und feinfühlig Grüße Flocke |
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03.04.2022, 13:36 | #13 | |
Wow,
lieber Flocke, hab vielen lieben Dank für diese ausführliche Antwort, das Lob und die ganze Zeit, die du investiert hast um dich damit zu beschäftigen. Zitat:
Genau so. Deshalb erschien mir auch kein anderes Wort passender als ausgießt. Pennywise hatte mich bereits via PN darauf aufmerksam gemacht, weshalb ich mit vergießt als Alternative gedanklich jonglierte. Das erfasst es aber nicht, obwohl es zumindest das langgesprochene gießt enthält, das ich genau an dieser Stelle stehen haben will. Deine Aufschlüsselung drückt das logisch in Worten aus, was ich nur aus meinem Gefühl heraus für unbedingt richtig hielt. Das finde ich gerade sehr spannend! Dankeschön auch dafür!! Liebe Grüße |
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