|
|
Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
15.11.2020, 12:43 | #1 |
rungholt
rungholt
des unheils anklang konnte doch nicht irren: zu gleißend war des bernsteins goldner glanz man sah ihn gleich der nackten båra tanz seit tagen funkelnd in den fluten flirren und hörte ihn wie kirchenfenster klirren zersplitternd unter aegirs dominanz erkennbar wird sein kommen voll und ganz wenn sturmes stöße scharf wie sensen sirren die in der gnadenlosen faust des meeres-manns zu pfeilen eisentflammter gischt vergirren wenn mit gewalt der weißen wellen wirren weithin durchdringt des schwarzen wales schwanz dann hörst auch du die schwachen schreie schwirren: "der blanke hans! nun kommt der blanke hans!" |
|
15.11.2020, 18:50 | #2 |
Dabei seit: 05/2017
Ort: Gut gemeinte Grüße gen gern gesehene, Kalauer genießende, großartige Gäste!
Beiträge: 369
|
Ist "Hans" ein "Hans im Glück" als ein "Bernstein/Gold" & "schwarzer Wal" unter der Oberfläche der Wellen und Gischt, wäre witziger Stilbruch... ,wenn "Ja", Warum?
Jedenfalls reicher Wortschatz (Ich habe noch eine Schmuddelinterpretation des Textes, aber dann interessiert er mich nicht und ist in der falschen Rubrik.) "Bara" erschließt sich mir nicht mittels Google... MfG |
15.11.2020, 19:02 | #3 |
Forumsleitung
|
[QUOTE=Cilonsar;551626]Ist "Hans" ein "Hans im Glück" [QUOTE]
Der "blanke Hans" ist eine Springflut. |
15.11.2020, 19:10 | #4 |
Dabei seit: 05/2017
Ort: Gut gemeinte Grüße gen gern gesehene, Kalauer genießende, großartige Gäste!
Beiträge: 369
|
Also insgesamt ein Wetterbericht?
Witzig Als hätte ich zu kompliziert gedacht... ich hab genaugenommen gar nich gegoogled und mir Festlandbewohner zusätzliche Assoziationen geholt... Dies war mein Fehler |
15.11.2020, 19:57 | #5 |
Hi Cilonsar
vielen Dank für deine Aufmerksamkeit. Naja, für`n Wetterbericht wäre hier schon ne ganze Menge los Wie Ilka schon geschrieben hat, ist der blanke Hans zunächst mal das volkstümliche und auch literarische Synonym für eine (Nordsee-) Springflut. Siehe dazu auch das berühmte Gedicht von Liliencron: https://de.wikisource.org/wiki/Trutz,_Blanke_Hans
In Zusammenhang mit dem Namen Rungholt bezieht sich das auf die sogenannte Marcellusflut oder auch "große Mandraenke" von 1362. Mit (Hans im) Glück hat das also wahrscheinlich leider weniger zu tun. Ansonsten stimmt`s aber: Wie meist bei mir ein Spiel mit Farben, Formen, Stabreimen und Assonanzen. Die Båra ist laut Wikipedia die neunte der neun Töchter der altgermanischen Meeresgöttin Ran und kann demnach „Tsunami“ (?!) oder „Wellenspitze“ bedeuten https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A1n Unter dem Stichwort finden sich allerdings auch noch andere Einträge, die mich auch etwas beunruhigen ... Eine Schmuddelinterpretation ist ja die ureigenste Leistung des Interpretierenden Aber ich weiß schon, welche Begrifflichkeiten Dich dazu verleiten könnten. Manchmal wundere ich mich selbst, welche Deutungsoffenheit ich zulasse ... Vielen Dank und beste Grüße Epilog |
|
17.11.2020, 19:12 | #6 | |
Zitat:
Vielleicht, dass sich in Deinem Werk Form, man sollte explizit Metrum, Reim(-schema) sowie natürliche Sprachmelodie hervorheben, und poetischer Gehalt unter dem schillernden Schirm lyrischer Sprache auf zufriedenstellendste und unterhaltsamste Art vereinen? Ja, das trifft es ungefähr. Ich schaue bald wieder rein. Und freue mich schon drauf. Elysium |
||
17.11.2020, 22:58 | #7 |
Danke Elysium
Zitat: Tja, Epilog, was soll man hier sagen?
Tja, formal und sprachmelodisch anscheinend annähernd perfekt - ich ahne schon, dass eine Entgegnung schwerfällt. Vielleicht deshalb zumindest noch eine eher inhaltliche Nachfrage: Findest du dieses Gedicht sexistisch? Cilonsar deutet dergleichen in seinem ersten Kommentar an - und je öfter ich es (wieder) lese, muss ich seiner Einschätzung zustimmen: Die Springflut als Vergewaltiger der bernsteinbehangenen Küstenschönheit. Das war - ehrlich gesagt - nicht meine Absicht. Einen schönen Abend wünscht Epilog |
|
18.11.2020, 14:19 | #8 | |
Zitat:
Also hermeneutisch können wir das ja wohl dann ausschließen. Konstruktivistisch gesehen gibt der Text das für mich im Gros ebenfalls nicht her. Ich lese aber z.B. E.T.A. Hoffmanns ,Nussknacker und Mausekönig‘ auch nicht als Allegorie auf Kindesmissbrauch. Da sind andere wohl empfindsamer. Gruß Elysium |
||
16.06.2023, 08:13 | #9 |
Entdeckung
Guten Morgen,
hier mal ein ganz interessantes Update - weil Verschiedenes davon in meinem Text auch vorkommt ... https://www.spektrum.de/news/kirche-...b-global-de-DE Eine schöne Zeit wünscht Epilog |
|
16.06.2023, 09:25 | #10 |
Hallo Epilog,
habe mit großem Interesse Dein Gedicht und die angehängten Infos zur Sturmflut und dem Untergang Rungholts gelesen. Gute Wortwahl, schön in Verse gesetzt, Chapeau! Einzig beschäftigt mich eine Logik-Frage (siehe Zitat): Kann ein Anklang irren? Oder des Unheils Anklang? Stürmische Grüße von Georg |
|
16.06.2023, 15:23 | #11 |
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662
|
Hallo epilog und Georg,
"des unheils anklang konnte doch nicht irren" hört sich in der Tat seltsam an, ist damit die Ankündigung der zu erwartenden Sturmflut gemeint? Das Gedicht "Trutz, blanke Hans" von Detlev von Liliencron, das von der Sturmflut erzählt, ist eines meiner Lieblingsgedichte, Achim Reichel hat es zudem beeindruckend vertont. LG Nöck |
16.06.2023, 16:32 | #12 |
Hallo Georg, hallo Nöck
und @Georg, vielen Dank für Deine lobende Einschätzung des schon etwas älteren Gedichts.
Da gleich zwei so ausgewiesene Lyrikgrößen den Logikfehler gleich im ersten Vers bemängeln, muss ich mir da wohl tatsächlich etwas anderes überlegen - denn Irren ist, wie uns tagtäglich immer neu bewiesen wird, ausschließlich und ausgeprägt menschlich. "Des Unheils Anklang" bezieht sich hier tatsächlich auf die dezidiert akustische Ankündigung der Sturmflut, die sich im weiteren Verlauf mit klirren, sirren, schwirren fortsetzt. Doch wegen meiner selbstgesetzten engen Reimvorgaben muss hier auch irgendwie das irren drinbleiben. Ein Versuch wäre vielleicht: "in unheils anklang blieb kein raum zu irren", was aber die Grammatik und in der Folge die Verständlichkeit wiederum arg strapaziert. "des unheils anklang ließ das ohr nicht irren" fände ich besser, aber "leider" beziehen sich die direkt folgenden Warnzeichen in Strophe 1 auf optische Eindrücke (goldener Glanz und Funkeln). Vielleicht müsste es deshalb stattdessen heißen "des unheils anschein ließ den blick nicht irren"? Ihr seht mich hier im Wattenmeer umherirren - mir bleibt wohl nur, euch ein sturmfreies Juniwochenende zu wünschen. Viele Grüße Epilog |
|
16.06.2023, 16:41 | #13 |
Hi Epilog,
reimtechnisch könnte passen: die Prophezeiung konnte doch nicht irren... bin mir aber nicht sicher, ob das inhaltlich exakt Deiner Aussage entspricht. Grüße vom Donner-Schorsch |
|
16.06.2023, 16:48 | #14 |
Hallo Georg
dass es eine ausgewiesene Prophezeiung des Untergangs gab, ist zumindest mir nicht bekannt - daher würde ich den "inhaltlichen Bedenken" hier zustimmen. Es geht halt mehr um unterschwellige Anzeichen der Natur, die eine Warnung aussprechen.
Danke und liebe Grüße Epilog |
|