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31.07.2019, 18:21 | #1 |
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Der Begriff der Freiheit
Was ist Freiheit?
Eng verbunden mit dem Begriff der Freiheit ist der Anspruch eines Individuums auf Selbstverwirklichung. Aber war das immer so? Der Mensch als ein von Natur aus auf Gemeinschaft angelegtes Wesen sah seine Verwirlichung - man könnte es auch Sinngebung nennen - im Aufgehen innerhalb eines sozialen Systems, also je nach historischer Epoche in der Horde, im Clan, in der Familie, im Dorf, in der Gemeinde usw. Je größer die Lebensgemeinschaft wurde, um so vielfältiger wurden auch die Aufgaben und die Anpassungsforderungen an den Einzelnen. Aber er sah sich immer nur als einTeil des Ganzen. Das hat sich geändert. Heute ist der Begriff der Verwirklichung nur noch an das Individuum gekoppelt. Es hat sich vom kollektiven Bewusstsein gelöst und nimmt das Recht für sich in Anspruch, nach seiner eigenen Fasson selig zu werden. Das Individuum geht sogar noch weiter und deklariert diesen Anspruch zu einem unwiderlegbaren Naturrecht. Das Individuum entlässt sich damit jedoch in eine totale Freiheit, die ihren Tribut fordert. Es kann den Schutz des Kollektivs nicht mehr für garantiert ansehen. Hier stehen sich also zwei Lebensentwürfe gegenüber: Will ich die totale Freiheit (wie sie z.B. Sartre verstand und lebte), oder will ich nicht doch lieber im Schutz der Familie bleiben, aber dafür Einschränkungen meines Ichs in Kauf nehmen? Individuelle oder kollektive Selbstverwirklichung? Der moderne Mensch der westlichen Gesellschaftssysteme scheint sich für das individuelle Modell entschieden zu haben. Aber was heißt das? Zitat: "Was heute unter Freiheit verstanden wird, meint eigentlich nur privaten Egoismus. Freiheit ist das Gegeneinander, ich setze meine Freiheit gegen den anderen auf dem Markt durch. Dadurch können Freiheit und Brüderlichkeit nicht zusammengehen. Freiheit sollte ein Füreinander, nicht ein Gegeneinander sein." (Ich glaube, es ist von Chomsky, bin aber nicht sicher.) Privat-egoistisch. Ist das wirklich das Ergebnis? Was ist mit all den Singles, die es in der heutigen Anzahl noch nie gab? Sind sie freiwillig in dieser Situation, oder sind sie ein Produkt der sogenannten "Verhältnisse"? War es ihr Lebensentwurf, als Single alt zu werden? Vielleicht bei manchen - aber bei allen? Haben sie nur einfach keinen Mut mehr, eine Familie zu gründen, weil sie zu viel von ihrer Ich-AG einbüßen müssten? Will einfach keiner mehr einen Schritt zurücktreten, um Größeres zu erleben, weil dieses Größere ja noch von etwas anderem übertroffen werden könnte, das man noch gar nicht kennegelernt hat? Tja, hinter jedem überwundenen Berg türmt sich ein nächster auf. Optimierung ist das Zauberwort unserer Zeit, an dem die Menschen kleben, das sie aber ständig auf sie selbst zurückwirft, so dass sie nach immer mehr Optimierung streben müssen. Deshalb kaufen Leute sinnlose Messgeräte, die sie sich an das Handgelenk schnallen, und suchen bei Parship nach dem optimalen Partner, den es natürlich nicht gibt. |
31.07.2019, 20:36 | #2 |
abgemeldet
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Für mich existiert der Begriff der Freiheit nur theoretisch.
Praktisch mag Freiheit ein Raum für Entscheidung sein. Apfel oder Birne? Freie Wille. Individualismus ist für mich eine Verschleierung und ein Euphemismus, der in Wirklichkeit eine tiefgreifende Verletzung des einzelnen Egos des (!)einzelnen Menschens ist. Vielleicht liegt eine dieser Ursachen bereits in der frühen Nachkriegszeit. Vätermangel? Frauen erkennen in der Moderne ihre sexuelle Überlegenheit und insistieren für ihre Verwirklichung. (Nicht nur Frauen, dies betrifft doch alle!) "Sei ganz du selbst, verwirkliche dich!" "Sei Hip, sei crazy, sei fash, sei weeb, sei nerd, sei gamer, sei outsider! Sei special! Get to my level!" (Dieser Anspruch schließt eine Ellenbogengesellschaft ein, die auf Konkurrenz basiert - wo finden darin Beziehungen Raum?) Feminismus: Die Frau wurde viel zu lang klein gehalten auf der einen Seite. Auf der anderen Seite dann das Paradox der Gesellschaft und den dort gegenwärtigen Bindungspotentialen: Freundschaft, Beziehung, Erwartungen. "Zeig keine Schwäche", "Zeig keine Gefühle" - heißt es wohl in der Männerwelt und die Frau lernt immer mehr der Stratege und der Kalkulator zu sein. Für mich ist das so: jeder, der schreit, er will unbedingt seine Freiheit hatte entweder destruktive Eltern, schlechte Erfahrungen mit dem Verliebtsein oder aber auch eine Vielzahl von Enttäuschungen mit Freundschaften. Oder, seine Persönlichkeit will das wirklich nicht anders (dann könnte er aber auch eine gesunde Beziehung führen, wenn er dies wöllte und würde diese nicht vermeiden) Das wäre das Angstargument. Dann gibt es noch die Menschen, die das Soziale oder besser das Gemeinschaftliche (das konträr zu einer Gesellschaft steht) für sich nicht wollen, weil ihnen das Grundbedürfnis fehlt. Das ist möglicherweise eine Minderheit. Als nächstes müsste ich die vierte Staatsgewalt und ihre Macht ansprechen: die Medien. Sind wir bei den Medien, sind wir auch bei der Politik und die Staatssysteme, die auf ein Volk und auf die Gewohnheiten eines Volkes oder aber auf die Gewohnheiten einer Kultur einwirkt, die aus politischer Sicht ein Volk ergibt. Vielleicht ist Freiheit wirklich nur ein Resultat eines Verhältnisses. Ist Freiheit privater Egoismus? Freiheit ist sicher nicht nur das, sondern noch vieles mehr. Wenn wir die Entscheidungsgewalt besitzen, dann besitzen wir auch die Fähigkeit Freiheit zu differenzieren. Kinder in Afrika, die mit einem Ziegenmagen Fussball spielen, sind nicht zwingend unglücklicher, weil sie weniger materiellen Reichtum besitzen. Für mich ist das immer ein Trugschluss, wenn jemand argumentativ mit ärmere Länder daherkommt. Die sind das ja nicht anders gewohnt. Vielleicht ist Freiheit wie die Individualität selbst. Es gibt keine Freiheit als solche, sondern nur ein "Freisein" respektive das freie "Sein" eines jeden Einzelnen, dessen Rahmen von seinen Verhältnissen (Herkunft, Kultur, persönliche Verhältnisse etc.) manifestiert wird. Man setzt eine Maus in ein 2m*4m langes Gehege. Darin ist sie Frei - die Grenzen des Geheges wird sie aber nicht überwinden. Sie müsste sich durchbuddeln, um das zu schaffen. Es gibt unglückliche Leute, die hochstudiert sind und viel Geld verdienen. Die sich wünschen, nicht mehr so viel arbeiten zu müssen und sich Zeit und Freiheit wünschen. Und es gibt unglückliche Menschen, die nichts haben, ohne Arbeit sind, sehr viel Zeit haben und genau diese Freiheit verteufeln. Der Mensch kann nur schwer Zufriedenheit generieren. Egal in welchen Verhältnissen er sich befindet: sie werden nie perfekt sein. Aber genau das suggeriert doch Freiheit, oder? Perfektion! "Ich bin frei, ich kann tun und lassen, was ich will" "Ich kann mir einen Partner aussuchen? Einen Job! Ja sogar die Milchmarke!" Ist das wirklich Freiheit? Nein, für mich nicht. Die gesellschaftliche Normalität will uns erziehen. Das ist Diktatur und keine Freiheit. Was wäre Freiheit also dann? Unter vorbestimmten Verhältnissen zwischen A und B zu wählen? Oder ist Freiheit Anarchie? Eine schöne Woche Euch allen. Amy |
31.07.2019, 21:15 | #3 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Frauen wurden klein gehalten - aber erst seit der Epoche des Bürgertums. Darüber gäbe es viel zu sagen, auch darüber, wie es vorher war, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Worauf ich hinaus will: Wenn ich in Diskussionen über die Emanzipation der Frau sage, jetzt sei es mal an der Zeit, die Männer zu emanzipieren, werde ich schräg angesehen. Tatsächlich ist es aber so, das der Mann in der heutigen Zeit als ein völlig degeneriertes Wesen angesehen wird, das auf Knien rutschen und den Frauen den Rocksaum küssen muss vor lauter Dankbarkeit, überhaupt existieren zu dürfen. Die Frauenemanzipation hat es geschafft, aus Männern schnurrende Hauskater zu machen. Das Heuchlerische an der Sache ist, dass sich jede Frau das strotzende Muskelpaket wünscht, das zwischen 1,80 bis 2,10 groß ist, möglichst Uniform oder einen Dr.-Titel trägt (besser beides) und über die drei M verfügt: Muskeln, Macht, Moneten. Das ist die nackte Wahrheit. Die moderne Frau ist Single, hat ein eigenes Einkommen, kann eine Bohrmaschine selbst bedienen und am Auto selbst einen Platten durch ein Reserverad ersetzen. Sie pennt mit einhundert Männern, weil der einhundertunderste endlich der Prinz ist, der die Erfüllung bringt - aber der wird auch noch hingehalten, denn es könnte noch etwas Besseres kommen. Die ganze Zeit aber lässt sie sich auf Händen tragen und nimmt die finanzille Unterstützung ihrer Bewerber wie eine Tributzahlung an. Aber für den Krieg sind die Männer gut genug. Da fragt keiner nach ihren Gefühlen und Bedürfnissen. Der Kuschelkater muss im Ernstfall zum Tiger werden. Und damit das klappt, wird er mit Rauschgift vollgepumpt. Von der Antike bis heute hat es keinen Krieg gegeben, in dem die Männer nicht mit Rauschgift gefügig gemacht und in das Gemetzel geschickt wurden. Sie kamen, wenn sie überlebten, als Krüppel oder schwer traumatisiert zurück. Dafür mussten sie sich anhören, sie seien Mörder - natürlich von der grünen Bagage, die mit Krieg nie in Berührung gekommen war. So gehen wir mit unseren Männern um. Und da wundern sich die Mädels, dass keiner mehr Bock hat, sich auf Heirat und Familie einzulassen. Die anwachsenden Single-Haushalte sind nicht nur Weiberhaushalte, sondern genauso viele Männerhaushalte. Der moderne Mann überlegt sich gründlich, auf was er sich einlässt, denn wenn die Beziehung schief geht, ist er der Buh- und Zahlemann, egal, ob er sich etwas zuschulden kommen ließ oder nicht. |
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31.07.2019, 21:20 | #4 |
Dabei seit: 07/2019
Beiträge: 27
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Empfinde ich nicht etwas anders, ich würde es eher so bezeichnen, dass die Individuelle Selbstverwirklichung erst dann für die Kollektive sich einsetzt, wenn dem Individuum was im Wege steht und das Kollektiv zu Sprung auf die nächste Stufe von Nöten ist.
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31.07.2019, 21:32 | #5 | |
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Zitat:
Die individuelle Selbstverwirklichung ist ein moderner Status, der nur durch den modernen, also den rundumversorgenden Staat, möglich wurde. Nicht das Kollektiv, sondern der Staat, an den ich Steuern zahle, wird für mein persönliches Wohlergehen verantwortlich gemacht, weil der Staat sich selbst in diese Positon gebracht hat: Du bezahlst - ich liefere dir dafür Wohlstand und Sicherheit. Innerhalb dieses Wohlstands und dieser Sicherheit kannst du dich als Individuum verwirklichen. Inwieweit das eine Illusion ist, muss jeder für sich herausfinden. |
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01.08.2019, 10:03 | #6 | |
Dabei seit: 07/2019
Beiträge: 27
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Zitat:
Aber vieles was heute Möglich ist an selbst Verwirklichung und Toleranz, ist schon was schönes daraus geworden, nur werden mittlerweile Grenzen was das angeht auch sehr dehnbar ausgelegt und viele Erkennen auch nicht unbedingt an, das ihre Art der Selbstverwirklichung gerne gesehen ist bzw. umgekehrt auch teilweise die Intoleranz sehr wächst. Ist dies aber vielleicht auch eine Frage der Evolution, welches Individuum sich letztlich fortpflanzt? Leider findet heutzutage leider sehr vieles, ziemlich unentspannt statt, mit fehlt die Gelassenheit. |
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01.08.2019, 10:47 | #7 | |
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Zitat:
Da gibt es z.B. die Heuchler, die vom Staat die Rettung der Umwelt fordern und die Grünen wählen, ihren Fettbauch aber keinen Zehnminuten-Fußweg bis zum Fußballstadion zu schleppen bereit sind, sondern mit ihren SUV so nahe wie möglich ranfahren, eine Viertelstunde einen Parkplatz suchen und dann erfolgreich die Strecke auf fünf Minuten zu Fuß gekürzt haben (keine Übertreibung, sondern mehrfach real beobachtet). Oder die Leute, die sich über das Fernsehprogramm aufregen, weil es nur noch geliftete, fast nackte Herumhoppser zeigt oder Ratesendungen oder Kochsendungen oder die hundertste Wiederholung eines Tatort-Krimis - aber ihr Gerät Tag und Nacht laufen haben. Rücksicht, Toleranz und soziales Verhalten erwartet man grundsätzlich von seinen Mitbürgern, denn solange die nicht mit Beispiel vorangehen, braucht man es schließlich auch nicht - man ist ja nicht blöd. |
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02.08.2019, 11:55 | #8 |
Dabei seit: 07/2019
Beiträge: 27
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Tja gelebte Doppelmoral, ein Konflikt der Neuzeit?
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02.08.2019, 12:57 | #9 |
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