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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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29.03.2019, 14:26 | #1 |
Letzte Fragen
Wenn ich vergesse, wie ich die Welt bewirke,
dass Licht kommt, wenn ich den Schalter kippe, dass Wasser rinnt, wenn ich den Hahn drehe, was ist dann noch wirklich? Wenn keine Wirkung mehr ausgeht von meinem Wünschen, wenn meine Sprache zerfällt zu Atomen, die keinen Kosmos mehr finden, wer will dann noch hören? |
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29.03.2019, 14:52 | #2 | |
Zitat:
Dein Gedächtnisschwund! Der Lichtschalter, dein Wasserhahn. Ob du dich daran erinnerst oder nicht, ist dafür nicht relevant. Früher oder später wirst du aus Versehen oder aus Neugier oder aus Verzweiflung an den Lichtschalter geraten. Oder am Wasserhahn drehen und es von Neuem lernen. Wenn keine Wirkung mehr ausgeht von deinen Wünschen - das gibt es nicht. Die Anwesenheit eines Wunsches bedingt zeitgleich die Wirkung eines Wunsches, wenngleich das nicht zwangsweise, bzw. sogar selten die Erfüllung des Wunsches ist. Aber solange du wünschst, geht Wirkung von deinem Wunsch aus, zu aller mindest in dir. Was das zerfallen von Sprache in Atome angeht.. da wird's spannend. Denn Sprache ist weniger ein Atom, als die Bewegung von Atomen. Die Atome sind. Sie sind die ganze Zeit. Mal schwingen sie mehr, mal weniger. Mal bewirkt die Schwingung der Atome mehr, mal weniger. Sicher meinst du insgesamt aber schlicht das Gefühl der Ohnmacht. Das Gefühl nichts verändern zu können. Das ist etwas ganz, ganz grauenhaftes. Und ich weiß wovon ich da rede. Ich persönlich bin jemand, der sowas nicht akzeptiert. Bzw. da akzeptiert, wo er's akzeptieren muss - wenn ich nichtmehr kann, aber dafür an anderer Stelle negiert. Beweisen mir Menschen beispielsweise Eindrucksvoll, dass meine Wünsche, Worte und Handlungen auf sie keinen Einfluss haben, dann suche ich mir im Bestfall andere Menschen. Sollte das nicht möglich sein, dann suche ich mir eine Wand, oder ein Holzbrett. Manchmal ist so eine Wand viel leichter zu beeindrucken als ein Mensch. Sie lässt sich anmalen, sie lässt sich verletzen, sie lässt sich reparieren. Tiere sind auch was feines. Also falls dich jemand oder jemande foltern, dann kannst du auf der materiellen Ebene Eindrücke hinterlassen und sammeln, aber auch auf der immateriellen Ebene.. indem du zum Beispiel Bücher liest, Serien guckst oder ein Bad nimmst. Denn zumindest dein eigener Geist wird darauf noch reagieren. Um dir das alles zu nehmen müsste man dich deiner Sinne berauben oder in eine Zwangsjacke stecken und selbst dann wirst du noch eine ganze Weile in deinem Kopf wüten können, bevor du deinen Verstand verlierst. |
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29.03.2019, 16:24 | #3 |
Hier versuchst du (@Odin) Haare mit der Axt zu spalten. Das ist doch ein Lyrikforum und kein Seminar für philosophische Physik. Die Frage nach der Wirklichkeit der Dinge ist doch berechtigt, wenn der eigene Standpunkt die einzige Richtlinie ist, die man noch hat. Ich musste jedenfalls sofort an meine Zivildienstzeit in einer Einrichtung für Demente denken.
LG k |
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29.03.2019, 16:41 | #4 | |
Zitat:
Für mich war es weniger eine Frage nach der Wirklichkeit der Dinge, als die Frage nach der Wirklichkeit des Selbst! Und nicht meine ganze Antwort war der philosophischen Physik gewidmet, wobei ich gern gestehe, dass mein Humor à la Gedächtnisschwund und Wasserhahn wohl nicht bei jedem Klick macht und zum Strahlen verhilft. Mich hat das Gedicht jedenfalls mit seinen Fragen ekelhaft fühlen lassen. So wie man sich eben fühlt, wenn man sich selbst in Frage stellt. Und daraufhin habe ich halt alles angeboten, was einen selbst bestätigt. Vielleicht war das ja mehr Selbsttherapie als Gedichtsbesprechung. Tschuldigung. |
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30.03.2019, 02:29 | #5 |
Es mag sein, dass sich dein Wunsch erfüllt.
Und es dann nix mehr gibt, an dem Du Dich festhalten kannst und auch niemand mehr Deine Sprache versteht. Wünsche sind ja zwiesschneidig - Zweifel ist erlaubt. Das mit der Sprache und den Atomen und dem Kosmos gefällt mir auch nicht so gut; sind fast 3 verschiedene Wortfelder, wo der Anfang so in sich eines ist. Löst in mir Hilflosigkeit und auch bange Erwartung aus. |
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30.03.2019, 12:05 | #6 |
Liebe AlteLyrikerin,
Atomen und Kosmos sagen mir nicht so zu. Vielleich: wenn Sprache zerfällt zu Fragmenten und keine Antennen mehr finden Nur so ne fixe Idee. Gerne gelesen und sinniert Liebe Grüße Gylon |
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31.03.2019, 13:19 | #7 | |
Herzlichen Dank allen Lesern!
@OdinsTod:
Zitat:
@klaatu: Danke für Deinen Kommentar. Du dachtest sofort an Demenz, und genau da wollte ich hin. @noone: Es ist ganz gewiss nicht mein Wunsch, dass "es dann nix mehr gibt, an dem Du Dich festhalten kannst", aber ich habe es bei anderen Menschen erlebt. Die Metapher über die Sprache, die zu Atomen zerfällt, findest Du nicht so gelungen. Darüber denke ich gern noch einmal tiefer nach. @Gylon: Deine Formulierung mit der zu Fragmenten zerfallenden Sprache gefällt mir gut, aber ich muss noch genauer darüber nachdenken. eventuell schreibe ich eine zweite Fassung. Generell: Dieses Gedicht entstand unmittelbar nach dem Tod eines Patienten, den ich mehrere Wochen lang ehrenamtlich begleitete. Er konnte nicht mehr sprechen. Seine Sprache war zurück gefallen auf das unverständliche Lallen, das auch die Kinder "sprechen" vor dem eigentlichen Spracherwerb. Aber er äußerte sich stundenlang und manchmal klang es zornig, was er verlauten ließ. Ich fühlte mich teilweise wie jemand, der die Klage Hiobs anhören musste ohne sie zu verstehen. Ich denke, das Gedicht war einfach eine Art Verarbeitung des Erlebten. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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01.04.2019, 01:53 | #8 |
Wow, wunderschön beschrieben. Ich würde das mit dem Kosmos und den Atomen genau so lassen, tolle Bildsprache.
Hat mich melancholisch gestimmt. Klingt ein bisschen nach einem inneren Monolog am Anfang einer Tragödie. |
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02.04.2019, 08:29 | #9 | |
Zitat:
"Diese Ansicht" ist aber schwer zu widerlegen. Ein Wunsch ist nun mal ein Wunsch. Komplett vereinfacht beschrieben ist das eine Richtung (getrieben oder angezogen - wie du willst). Und diese Richtung wirkt auf dich oder geht von dir aus. So oder so ist es nicht wirkungslos. Selbst wenn ein Ball der getreten wird sich nicht bewegt, verformt er sich. LG |
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02.04.2019, 09:58 | #10 |
abgemeldet
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hallo liebe AL -
was für eine dramatische drehung von alltäglichkeiten. immer wieder erstaunt mich deine viskeralität und deine klebenden verwindungen von worten zu zeilenden sätzen. wunderwesen wie dich sollten wirklich in der verbannung eines versteckten waldhäuschens bleiben und nicht auf die öffentlichkeit losgelassen werden. nun auch deine eingriffe in das drama des täglichen lebens. frage mich wann deine worte erstmals nur mehr als quanten hier auftauchen werden. dann muss man wohl für den toten poeten ein winzige quanten-kreis-säge schaffen....aber wenn niemand mehr hört...dann doch die lieben menschen hier in poetry... ich darf nicht mehr so wie üblich mit einer gewissen härte kritsieren...und kaufe mir beim FASCHINGSPRINZ jetzt ein mottenkostümchen, dass ich immer tragen werde wenn ich hier lese und voller verzweiflung mit tränen des zerschmelzens in lachkrämpfen vor dem bildschirm sitze... https://up.picr.de/35417442ks.jpg |
02.04.2019, 16:57 | #11 | |
Zitat:
Hat auch in mir Erinnerungen an meine Zeit auf der Demenz - und Gerontopsychiatrie hervorgerufen (als Praktikantin, nicht Patientin). Finde das Werk äusserst gelungen durch die direkte Konfrontation von Vergänglichkeit und Unendlichkeit, Angst umhüllt in einen melancholischen Schleier. Fands sehr schön zum Lesen. Liebe Grüsse Zinaida |
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02.04.2019, 18:00 | #12 |
abgemeldet
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ja ich auch...AL kriegt von mir ab sofort den kosenamen URALTE LYRIKERIN...meint freundlichst:
https://up.picr.de/35417739ey.jpg |
03.04.2019, 12:56 | #13 |
Herzlichen Dank an alle Leser!
@Psychopath: Dankeschön für "Wow, wunderschön beschrieben".
@OdinsTod: Für den getretenen Ball mag das - rein physikalisch gedacht - zutreffen, dass eine vorhandene Ursache immer eine Wirkung hat. Für die Wünsche eines Dementen, die niemand mehr verstehen und aufgreifen kann, ist es unerheblich, ob es sich um objektiv vorhandene und potentiell wirkmächtige Wünsche handelt. @Ralfchen: Schön, dass du wieder da bist. Das Mottenhabit steht Dir wirklich ausgezeichnet. @Zinaida: Es freut mich sehr, dass du Deine Erfahrungen auf der Gerontopsychiatrie in meinem Gedicht wiederfinden konntest. Herzliche Grüße an alle, Alte- bzw. UralteLyrikerin. |
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03.04.2019, 13:22 | #14 | |
Zitat:
Ich habe nie gesagt, dass ein Wunsch die Wirkung hat, dass er erfüllt wird. Und das gilt für Demente wie für nicht Demente Menschen gleichermaßen. Ich hab auch n Wunsch und trotzdem kommt er nicht in Erfüllung/zeigt nach außen keine Wirkung. In mir drin ist es aber ganz ekelhaft, dass er eben nicht erfüllt wird. (und das obwohl ich nicht dement bin) |
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03.04.2019, 13:24 | #15 |
Hallo OdinsTod,
ja, aber ums diese "Wirkung" geht es mir nicht in dem Gedicht. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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