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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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28.01.2019, 18:49 | #1 |
Wer wir mal waren
Wilma Auguste kötter
geboren am 06.02.1927 in Altenhagen am 10.10.1928 mit 11 Jahren eingewiesen wegen Verwirrtheit in die Anstalt wittekindshof Bad oeyenhausen mit 17 Jahren, 1944 verlegt in die diakonische Klinik Niedermarsberg Ermordung am 22.05.1944 Verlegung des Stolpersteins: altenhagener Straße 171 __________________________________________________ ___________ am Spiegelgrund wo nur Dunkelheit herrscht wo Verzweiflung und Schmerz ein jeden einnimmt von oben herab blickend spiegelt der spiegel den Himmel doch am tief am Grund wütet die Hölle, keimt der Untergrund voller folter und Grausamkeit am Spiegelgrund __________________________________________________ ___________ es ist nicht einfach gerade zu stehen aufzustehen weiter zu machen immer weiter zu machen was hat mein leben denn für einen Sinn immer eingesperrt immer diese weißen wände um mich herum jeden Tag das gleiche das gleiche grauen jeden Tag die gleiche Brutalität ohne entkommen jeden Tag Tag ein, Tag aus immer das gleiche was hat mein leben denn für einen Sinn - ich bin hier seit dem ich denken kann ich war schon immer hier die Erinnerung an das leben da draußen sind trüb, grau, wie ein Traum unvorstellbar, unerreichbar, ungreifbar da existiert nur das weiß der wände das grau der Türen die Distanz zwischen allen die leere in den Augen der Kinder der Tod, der so alltäglich ist die folter welche jedes mal quälend länger wird die Gleichgültigkeit danach - einst hatten wir, die die alle hier sind noch Hoffnung einst träumten wir von unserer Rettung von unserer Erlösung wir glaubten einst an einen Ausweg, aus dieser Hölle - wir glauben, wir träumen, wir denken nicht mehr wir wissen nur das einzige entkommen unsere Erlösung ist der Tod. Nur er kann uns retten, nur er kann mich retten vor diesen dreckigen, ekelerregenden Händen welche täglich meinen Körper beschmutzen nur er kann mich retten vor diesem Gefühl wenn mein Kopf ins eiskalte Wasser gedrückt wird vor dem Wasser in meiner Lunge welches mich langsam aber sicher tötet nur er kann mich retten vor der Einsamkeit der Gleichgültigkeit, vor diesem schrecklichen funken in mir der mir jedes mal hoffen schenkt und jedes mal in tausend Stücke zerspringt nur er kann uns retteten, weil sonst doch niemand tut. - immer und immer wieder das gleiche jeder Tag ist eine Qual jede Minute fühlt sich an wie die Hölle beißend, auseinander reißend da ist nur noch nichts in mir nein, ich wünsche es mir ich wünsche mir keine Hoffnung, kein Schmerz mehr zu fühlen nichts zu fühlen. - ich bin Tod schon so lange tot wie jeder hier wir sind gestorben wir verloren uns selbst, unseren Sinn, unseren wert wir sind nichts nur Experimente, Studien Objekte, wir sind Objekte ohne Persönlichkeit, ohne Meinung, ohne willen wir besitzen kein recht auf dieser Welt wir leben nicht, wir existieren, vegetieren vor uns hin wir besitzen keinen Sinn. Wir sind einsam voller angst und verurteilt zum scheitern - ich bin gefesselt mit beiden Beinen und armen ans Bett ich kann ich nicht bewegen ich kann nicht denken, nichts sagen, nichts machen ich bin gefesselt, fixiert genau da wo sie mich haben wollen. Ruhig, regungslos, gefesselt. Und irgendwie bin ich schon so lange gefesselt selbst wenn ich mich bewegen kann bin ich gefesselt, denn ich bin schwach, kann nichts machen, nichts bewirken ich bin gefangen ich bin gefesselt. Ich bin fest genagelt, liegengelassen, ich bin mehr tot als lebendig ich warte nur noch jeden Tag immer das gleiche die gleiche angst, die gleiche Panik, der gleiche Schmerz, die gleichen fesseln, die gleichen Gesichter. Ich warte nur noch, warte nur noch, ich warte nur noch auf den Tod. Auf meinen Tod, auf meine Rettung, auf meine Erlösung. - am Spiegelgrund tobt die Hölle brennend und die Oberfläche spiegelt nur den Himmel scheinend . Wir sind verurteilt zu existieren ohne das jemand es sieht, wir bluten in unserem täglichen krieg wir kämpfen und wir geben auf wir gehen mit dem lauf der zeit bis die sonne untergeht die erde sich weiter dreht und irgendwann wird auch uns jemand sehen uns erhören, für uns beten. Du siehst uns nicht oberflächlich spiegelt nur der Himmel doch ganz tief verborgen am Spiegelgrund dort ohne licht, ohne sonneschein siehst du brennende Kinder die weinen. Am Spiegelgrund im gedenken am jedes opfer, jedes Kind, jeden Menschen der unerhört blieb. __________________________________________________ ___________ Wilma Auguste kötter verbrachte 6 Jahre ihres kurzen Lebens in 2 verschiedenen Anstalten, welche beide vom NS übernommen wurden. Es gab keine Hand festen beweise, dennoch viele Gerüchte und vorwürfe gegenüber den Anstalten. Sowohl Folterung als auch Misshandlungen von Kinder und jugendlichen seien dort täglich geschehen. Im gedenken an ein Mädchen so alt wie ich, welches nie die Chance hatte zu leben. |
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03.02.2019, 09:12 | #2 |
Hallo MottiArt
Herzlich willkommen!
Dein Text ist von beklemmender Eindrücklichkeit. Das ist dir gut gelungen, so dass ich den langen Text gelesen habe, ohne auszusteigen. Gerade lange Texte langweilen mich schnell, hier aber wollte ich in der Geschichte bleiben. Lieben Gruß Blade |
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04.02.2019, 15:27 | #3 |
Vielen Dank, Blade! <3
Vielleicht liegt das mit dem lesen daran das ich immer nach Betonung, nicht nach dem Satzende, eine neue Zeile beginne. Das macht auch den Text länger. Liebe Grüße zurück Motti |
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Lesezeichen für Wer wir mal waren |
Stichworte |
geschichte, nationalsozialismus, projekt |
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