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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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13.03.2018, 19:26 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Tiger - nicht nett
Du bist es also, der mit Tigerfallen,
den stahlbewehrten, scharfen Krallen, des Dschungels Majestät zu fangen sucht und listigen Erfolg als Sieg verbucht? Was treibt dich, Mensch, in meinem Waldrevier mit Tücke Jagd auf mich, das Tigertier, zu machen, regungslos mit schamlos starren Augen eines Königs Tods zu harren? Trophäe bin ich dir und Stimulanz für deinen schlappen, kurzen Stummelschwanz und Bettvorleger pour le plaisir geworden; du achtest nicht des seidgen Felles Glanz, des stolzen Raubtiers edle Eleganz - wer gibt das Recht dir, feige mich zu morden? Geändert von Heinz (13.03.2018 um 22:53 Uhr) |
13.03.2018, 21:40 | #2 |
Forumsleitung
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Ob Umgangssprache wie "verreckt" einem bitterernsten Sonett gerecht wird, ist Geschmackssache. Aber ich kenne die Grenzen der deutsche Sprache, wenn es darum geht, saubere Reime zu setzen.
Was mir weit weniger gefällt, ist der letzte Vers: Ein Tiger ist ein majestätisches und an Schönheit kaum zu übertreffendes Tier. Es ist mächtig, denn es ist groß, stark und mit furchterregenden Waffen bewehrt. Aber trotzdem: Der Mensch ist stärker, und jeder weiß, warum das so ist. Der Tiger wird aus Geldgier und eines lächerlichen Aberglaubens wegen bis an den Rand der Ausrottung verfolgt. Es kann keine Aufforderung zum Totentanz geben, denn die Waffen des Menschen sind längst nicht mehr für den Nahkampf gemacht. Der Tiger kann nicht mal mehr flüchten, denn sein Lebensraum ist zu eng geworden, genügend Deckung zu finden. Er ist auf Schutz durch Organisationen angewiesen, von denen er nichts weiß und die oft genug versagen. Der stolze Tiger ist ein heimatloses Tier geworden, das gehetzt wird. Deshalb klingt der letzte Vers für mich falsch. Er enthält nicht die Tragik, in denen sich die Tiger der heutigen Zeit befinden, sondern passt eher zum letzten Akt eines Hollywood-Films, in dem zum Showdown gerufen wird. Nach diesem Verriss das Positive: Du hast ein schönes Thema aufgegriffen, das in einem wohltuenden Kontrast zu dem Liebe-Herz-Schmerz-Gefühl-Pathos-Gewoge steht, das in fast allen Lyrik-Foren dominiert. Diese Dominanz ist nicht ohne Grund, der Mensch besteht nun mal hauptsächlich aus Emotionen, aber ein bisschen Abwechslung tut gut. LG Ilka |
13.03.2018, 22:02 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
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Hallo Ilka-Maria,
ist das nicht schön: Ich stimme Dir rückhaltlos zu. Das "verreckt" ist nicht des Reimes wegen gewählt (ich denke, Du traust mir zu, dass ich auch ohne Reimhilfe zu einer Lösung komme), sondern weil ich das Sterben eines Tigers, der tagelang mit seiner Pranke fest hing, drastisch ausdrücken wollte. Ich werde diese Stelle überarbeiten - genau wie den letzten Vers. Gruß, Heinz Besser? |
15.03.2018, 16:40 | #4 |
Hallo Heinz,
gemäß der mir aus dem Deutschunterricht so verhassten Frage, "Was möchte uns der Autor damit sagen?", interessiert mich, inwiefern man - abgesehen von der hervorragend gelungenen Wortwahl und dem Reimschema - bei deinem Text eine für ein Sonett typische Parabel vermuten darf? Mein erster Gedanke war die Anspielung auf ein Verhältnis zweier Menschen, bei dem die zwischenmenschliche "Trophäenjagd", wenn man so will, thematisiert wird. Besonders in den letzten beiden Versen erinnern Worte wie "Stummelschwanz" an einen einem Aufreißer ähnlichen Kompensationsversuch. Ebenso die Ignoranz gegenüber des "seidgen Felles Glanz" im letzten Vers könnte man als klassisches Außerachtlassen der emotionalen oder "inneren" Werte eines Menschen und die Reduktion desselben auf äußerliche Reize oder sogar die Gleichgültigkeit gegenüber allen Merkmalen der Person verstehen, der ein niederes Balzverlangen oder dergleichen übergeordnet wird. Oder verrenne ich mich wieder zu sehr in meinem schlechten Bild der Menschheit? LG Ben |
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15.03.2018, 17:24 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
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Lieber Ben,
die Form des Gedichts lässt natürlich die Vermutung zu, es handele sich um ein Sonett. Eine mir weitestgehend fernliegende Gedichtform, deren Ansprüchen ich nicht genüge. Hier Doppelbödiges zu vermuten ist zu viel der Mühe. Ich habe einen kurzen Filmausschnitt gesehen: Ein Bengaltiger war in eine Falle geraten und die Fallensteller beobachteten eine Woche lang das Sterben dieses majestätischen Tieres. Menschen, die ohne technische Ausrüstung (Waffen, Fallen) nicht die geringste Chance hätten, dieses Raubtier zu besiegen. (Deswegen vielleicht das Stummelschwänzchen). Also - weder Parabel noch beispielhaftes Sonett, nur meine Wut und Trauer wegen einer elendig verreckenden Kreatur. Liebe Grüße, Heinz |
19.03.2018, 20:26 | #6 |
Lieber Heinz,
ich habe spontan das "Dschungelbuch" assoziiert, wenn auch dort der Tiger etwas schlechter weg kommt. Ich finde übrigens Dein Sonett durchaus sehr zeitgemäß, man braucht gar nicht bis Afrika oder Indien zu gehen: Auch die hierzulande erbeuteten Trophäen finde ich mittlerweile altmodisch und martialisch und ich fühle mich stets wie in einer Leichenhalle, wenn ich von Knochen oder Geweihen in Wohnzimmern oder Restaurants umgeben bin (obwohl ich KEIN Vegetarier bin). Wie immer wortstark umgesetzt, ein Lesevergnügen! Liebe Grüße, Georg |
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19.03.2018, 21:06 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
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Lieber Georg C. Peter,
d'accord! Herzlichen Dank für das Lob. Auch Nichtvegetarier (ich gehöre dazu) können Achtung vor jeglicher Kreatur haben. Liebe Grüße, Heinz |
Lesezeichen für Tiger - nicht nett |
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