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17.10.2017, 21:33 | #1 |
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Résumé
Liebes, verzeih. Dieser Brief wird dich zerbrechen.
Ich weiß es, aber ich kann dich nicht länger davor bewahren. Ich könnte dir raten, nicht weiterzulesen. sondern die Seiten zu zerreißen und in der Spüle anzuzünden. Aber du hast noch nie auf meinen Rat gehört, deshalb wirst du sie lesen – ziemlich sicher. Also fange ich an: Ich liebe dich. Seit ich mich entschlossen habe, dich zu verlassen, liebe ich dich so sehr, dass es mir das Herz zusammenzieht. Trotzdem muss es sein. Es ist das erste Mal, dass ich dieses überwältigende Gefühl empfinde. Als wir zusammenkamen und beschlossen, unser Leben gemeinsam zu führen, als wir unser Nest bauten und unsere Kinder darin aufzogen, liebte ich dich nicht. Ich wollte, dass es funktioniert: die vorbildliche Ehe, das schöne Paar, „trautes Heim, Glück allein“, erfolgreiche Kinder, freier Buckel für eine Karriere dank deines Engagements, jedes Jahr einmal Mallorca und zwei Fernreisen, ein BMW für den Alltag, ein Van für die Familienausflüge und einen Hecklader für den Schulweg und die Einkäufe im Supermarkt. Du hast dich nie beklagt, aber ich habe oft in deine feuchten Augen geblickt und mich schuldig gefühlt. Dir ging es wie mir: Du warst nicht glücklich. Beide wagten wir nicht, auszusprechen, was uns bewegte. Wir hatten es versucht, am Anfang, als die ersten atmosphärischen Störungen spürbar wurden. Aber wir fanden nicht die richtigen Worte, verstanden einander nicht und gaben auf. Zu schnell, wie ich heute weiß. Wir setzten ein Lächeln auf und vermieden das berühmt-berüchtigte Gewitter, das zu einer Reinigung hätte führen können. Für mich bedeutete es einen Schutz, denn ich war mir nicht sicher, ob ich in einem offenen Gespräch deine Liebe verloren hätte. Ich war ein Egoist. Ich liebte dich nicht, aber ich wollte deine Liebe um jeden Preis behalten. Je mehr du littest, umso sicherer fühlte ich mich. Ich wusste, dass du jede Frau an mir gerochen hast, mit der ich dich betrogen hatte – aber du verlorst darüber nie ein Wort. Du hast gelitten wie ein Hund, und ich genoss es. Aber gleichzeitig hasste ich dich für die Kraft, mich auszuhalten. Warum hast du mich nicht verlassen? Du hättest tausend Gründe gehabt, und dann wäre mir das hier erspart geblieben. Ach so – die Kinder. Und unsere älteste Tochter ist schwanger. Wir werden zu Großeltern. Die Familie zusammenhalten ... Pflicht, Pflicht, Pflicht ... Ich halte das nicht mehr aus – dieses Dulden, Schweigen, Aufrechterhalten der Fassade, das Schöne-heile-Welt-Gehabe, und ich bin schäbig genug, mich vom Acker zu stehlen. Alles, was uns gemeinsam war, liegt jetzt in deinen Händen. Alles gehört dir. Ich weiß, du wirst damit verantwortungsvoll umgehen. Ich liebe dich. Und das tut weh, weil du das Beste in meinem Leben warst, und weil ich dafür blind war. Für immer Dein. |
17.10.2017, 22:14 | #2 |
Liebste Ilka-Maria,
Liebesgeschichten sind eigentlich gar nicht meins, aber diese hier hielt mich fest und ließ in mir Gefühle aufkeimen, von denen ich nicht wusste, dass ein Text sie auslösen könnte. Du hast jedes einzelne Deiner Worte mit Bedacht und größter Sorgfalt gewählt und mich damit zum Weinen gebracht. Dadurch, dass Du das Wort an ein lyrisches Du gerichtet hast, hast Du mich direkt ins Herz getroffen. Ich habe beim Lesen gelitten, eine Sehnsucht kam auf und ich war überwältigt. Und ich übertreibe kein bisschen. Ganz großes Lob an Dich, ich liebe Deinen Text! Und danke, dass Du mir meine sanfte Seite gezeigt hast. Allerliebste Grüße und eine gute Nacht, Skaylar |
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18.10.2017, 07:11 | #3 | ||
Liebe Ilka-Maria,
ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das LI den Brief wirklich so gemeint hat, wie er auf Skaylar gewirkt hat, vielleicht weil ich schon mehr von dir gelesen habe und ein liebevoller Brief von einem liebevollen, selbstlosen. LI - nee, das wäre (bei einem Text von dir ) zu einfach.... Irgendwie will das LI, dass die Ehefrau aber jetzt endlich richtig leidet, nachdem er das in der Ehe nicht geschafft hat. Zitat:
Und er bürdet ihr das hier noch auf: Zitat:
Aber er verkauft diese Gehässigkeit(en) als seine Liebe. Dagegen ist sie völlig machtlos. Er wird nun immer der Stärkere sein. Ich bin gespannt, ob ich richtig liege. LG DieSilbermöwe |
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18.10.2017, 08:53 | #4 |
abgemeldet
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Ich lese das wiederum anders - insb. den Teil, welcher bis zum Ende des sechsten Absatzes läuft; "Ich wolle, dass es funktioniert" - warum möchte das LI, dass "es" funktioniert, wenn es sich nicht um Gefühle handelt?! Die Aufzählung, die dieser Aussage folgt, scheint entweder den Zweck zu verfolgen, den Egoismus des LI zu unterstreichen - in dem Sinne zu verstehen, als mit "Ich liebe dich!" nicht ein romantischer Altruismus sondern ein dreistes "Jetzt tu mal was für mich!" gemeint ist - oder aber, hier wird eine ähnliche Aussage gemacht wie in Theodor Fontanes "Irrungen, Wirrungen", wenngleich auch anders aufgezäumt: Pflichterfüllung.
Ich gehe eher von ersterer Interpretation aus (wobei mitnichten gesagt ist, dass es sich nicht auch aus einer Mischung beider Ansätze handeln könnte). Im Text selbst finden sich dafür einige Anhaltspunkte - das beginnt damit, dass der Aufbau ungefähr dem Verlauf der Beziehung entspricht; er beginnt roughly mit der Feststellung, dass Gefühle vorhanden sind und daraus folgert sich der Rest - Familie, Kinder, romantisiertes Spießbürgertum, Urlaub bis der Faden zu den ersten gravierenden Spannungen führt; das LI tanzt durch die Betten und ein latenter Hass auf die jeweils andere Person lässt einen unterschwelligen Sadismus hervortauchen ("...und ich genoss es"). Aber die einmal eingegangenen Verpflichtungen, die selbst wiederum Verpflichtungen gebären, forcieren auch weiterhin die gute Miene zu schlechtem Spiel. Und weil Verpflichtungen immer nur Verpflichtungen gebären, setzt das LI die Axt an - und will postwendend das, was er nunmehr nicht besitzt. Das könnte man als Grundaussage festnageln, wenn da nicht das Problem bestehen würde, dass das LI konsequent eigentlich nur von zwei Dingen spricht: Was will "ich" und "Liebe" - er verwebt beide Emotionen sosehr miteinander, dass ein vermeintlicher Zwiespalt nicht mehr vorhanden ist - dieser Zwiespalt wirkt nur auf der Oberfläche, scheint nur kurz auf mit der Feststellung, dass das LI eben doch diese Person "liebt". Aber wenn man sich's recht besieht, dann ist dieser Brief eine taktische Heuchelei - jawohl, das LI mag vielleicht sog. Gefühle entwickelt haben, aber wie beginnt denn die Einleitung? "Ich kenne dich - du wirst weiterlesen, weil ich dir jetzt den Ratschlag gebe, nicht weiterzulesen." (Man lernt sich gut genug kennen, egal ob man sich liebt oder nicht, wenn man Jahrzehnte miteinander verbringt...) Mit diesem Brief werden nur die Interessen verfolgt, die das LI hat - und dies unter dem melancholischen Mantel des Leids und dem romantischen Aufguss der Liebe. (Oder anders gefragt: Warum diesen Brief schreiben, wenn das LI konstatiert, dass es besser wäre, ihn gar nicht erst zu lesen - mit dem Hinweis, dass die Betreffende es genau deshalb tun wird...?) Das hier ist - für mich - keine Liebesgeschichte. Das ist auch nicht romantisch. Das ist eher eine Anklage dieser Dinge und dem Schindluder, der mit ihnen getrieben werden kann... Oder denke nur ich so? |
18.10.2017, 12:17 | #5 | |
Lieber Larkin,
nein, nicht nur du denkst so, denn das hier Zitat:
Und wie kann die Ehefrau sich dagegen wehren, wenn der Mann einen so rührenden Brief schreibt? Jeder würde doch sagen: "Oh, er hat alles eingesehen" (wie schlecht er war und was sie alles seinetwegen ertragen hat). Dass sie nun wieder alles ertragen muss - nur anders - lauert subtil unter der Oberfläche. Ja, der Brief ist eine taktische Heuchelei. LG DieSilbermöwe |
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18.10.2017, 12:26 | #6 |
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18.10.2017, 12:37 | #7 |
R.I.P.
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Ich machs kurz und knackig:
Dem Briefschreiber gehört ein Tritt in den Allerwertesten. Noch besser: So tun, als hätte man dieses Machwerk nicht gelesen! LG von Thing |
18.10.2017, 14:59 | #8 | ||
Zitat:
Er hasst sie, weil er sie liebt und er ihr weh tut und sie das aushält. Was für eine fiese Zersplitterung. Ich frage mich, was das lyrische Ich hier sucht, in allem. Ich glaube, es weiß es nicht, deswegen ist es widersprüchlich. Es ist eine, für mich, verständliche Zerrissenheit vom LI über sich selbst. Es schreibt immerhin einen Brief, es hätte auch einfach gehen können. Aber so einfach geht das mit der Liebe dann auch wieder nicht. Da kämpft etwas, und da realisiert etwas böse zu sein, trotzdem kämpft da die Liebe mit. Die ist sowieso die begnadeste aller Schauspieler auf der Bühne des Lebens. Man kauft ihr alles ab, egal wie sie lügt und betrügt. Schöne-Welt-Fassade. Tja, ja ... Ach Ilka, ich fand diesen Text sehr gut. Normalerweise lese ich das nicht, aber das ist eine Sache, die jedem Paar passieren kann (bis auf das hier jemand bösartig zerrissen ist). Und naja, für Liebe kann ja keiner was, oder? Deswegen, ein toller Text, ich gehe mit Skaylar's Meinung mit, er ist sehr berührend, jedenfalls für mich. Auf jedenfall müsste sie sich von ihm trennen, aber das wird sie nie tun, sie liebt ihn, selbst über alles hinaus. Und er? Liebt sie auch, in dem er sie zerbricht und ihr weh tut, liebt er sie, weil sie das aushält .. das ist krank. Aber offenbar machen sie beide das schon lange, sonst ... oder wegen der Fassade? Aber all diese Worte und dann am Schluss: Zitat:
Nur ob er es bereut, wie er ist, das weiß ich nicht. Das ist nicht ersichtlich. Liebe kämpft, bis sie erstickt. Die kämpft selbst nachdem sie verbrannt wurde, nur noch ein Staubkorn an Asche ist, noch weiter. Wie es ausgeht? Wer weiß. Episoden aus dem Leben. Danke für den schönen, nachdenklich machenden Text, Ilka. |
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18.10.2017, 15:57 | #9 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Wenn irgendwann die Optionen ausprobiert sind, weiß der Mensch natürlich, was das Beste war, und wenn er Pech hat, war es nicht die letzte, sondern die erste Option. Ein Zurück gibt es aber nicht mehr. Die Geschichte - und jedes Leben ist Geschichte - verläuft linear, nichts wiederholt sich. Es gibt keine zweite Chance für das, was der Mensch hinter sich gelassen hat. Es gibt nur die Chance, nochmal neu unter veränderten Bedingungen anzufangen, wobei diese neue Chance unter dem Einfluss des bis dahin gelebten Lebens steht. Mit anderen Worten: Alte Fehler werden vermieden, manche alten Fehler werden wiederholt, vor allem jedoch werden jede Menge neue Fehler gemacht, und der Mensch ist nicht glücklicher als zuvor. In meiner Geschichte wird kein Grund genannt, weshalb das LI, das seinen Irrtum erkannt hat und erstmals echte Liebe fühlt, trotzdem einen Strich unter die Beziehung zieht. Vielleicht würde das LI gerne neu anfangen, kann aber nicht, weil inzwischen andere Kräfte sein Leben bestimmen. |
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18.10.2017, 17:27 | #10 | |
Also lag ich doch falsch.
Die nun gegebene Auflösung ist mir aber auch zu einfach: Ich finde das LI dann halt einfach nur egoistisch - und Sinn macht es meiner Meinung nach nicht, eine Beziehung zu beenden, wenn man den Partner (noch) liebt oder sogar erstmals echte Liebe fühlt. So oder so wird hier das LD vergackeiert.... Ich schließe mich Thing an. Am besten so tun, als hätte man es nicht gelesen. Schlägt das LI ja auch selber gleich am Anfang vor. Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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18.10.2017, 19:06 | #11 | |
abgemeldet
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Zitat:
wir stimmen darin überein, dass das LI nichts als seine Interessen verfolgt; meine Lesart geht allerdings dahin, dass es nicht um Verletzung um der Verletzung willen geht, sondern dass dieser Zwiespalt, den das LI seiner einstmaligen Ehefrau aufzwingt, nur ein Vehikel ist, um auch weiterhin so leben zu können wie bisher. Die entscheidende Charakterisierung des LIs in diesem Text ist für mich die Aufzählung all jener Dinge, die mit dieser Ehe in Verbindung gebracht worden sind - das LI konnte unter der Maxime "Plus Ultra" ("Noch mehr") einem Hinterzimmer-Hedonismus frönen, nach außen hin allerdings Teil eines gutbürgerlichen Familienlebens erscheinen. In einem Moment des Überdrusses hat das LI die Axt angesetzt - um später zu erkennen, dass damit auch jener fröhlich-egoistische Umgang mit der Nachtwelt, anderen Damen usw. ein unweigerliches Ende gefunden hat. (Warum? wird offensichtlich nicht erklärt - vielleicht ist es das Verbotene, dass reizt oder das LI ist finanziell allzu sehr auf seine Partnerin angewiesen, zumindest für seinen Lebensstil...) Also muss der Kurs korrigiert werden und genau dafür ist dieser Brief gedacht... Ich sehe das LI also charakterisiert mit den Worten: Egoist, weiß aber nicht so recht, was er eigentlich will... Ich glaube, du interpretierst ihn als sadistischen Egoisten. Beide Ansätze können richtig oder falsch sein - das verbleibt spekulativ. Und ich gebe dir recht: Dass dem Sujet dieses spekulative Element beigegeben wurde, ist die wahre Stärke dieses Textes. Dass Ilka selbst spekuliert, ist seine Schwäche... Ein solcher Text braucht, meiner Meinung nach, eine klare, formulierte Intention; ohne diese wirkt er etwas ... leer. Das muss nicht schlecht sein, wenn - wie hier offenkundig - viele Ansätze vorhanden sind. Aber irgendwie tut es dem Text in meinen Augen Abbruch, dass wir nun die Gewissheit besitzen, dass es sich hier um eine Momentaufnahme ohne Kontext handelt. Aber das kann auch nur mein Empfinden sein... P.S.: Wenn ich mir meine Interpretation und die der anderen besehe, dann habe ich das Gefühl, dass sich dahinter mehr die interpretierende Person denn das LI steht - einen solchen Effekt zu erzeugen kann man eigentlich als die größte Stärke dieses Textes sehen. |
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19.10.2017, 07:12 | #12 | ||||
Lieber Larkin,
Zitat:
Zitat:
Das macht den Text irgendwie enttäuschend. Ein Autor muss wissen, worüber er geschrieben hat. Und wenn er es tatsächlich nicht genau weiß, dann wenigstens so tun, als ob.... (das ist nur meine Meinung). Zitat:
Zu unseren Interpretationen: Ich weiß nicht genau, ob ich genauso interpretiert hätte, wenn der Text von einem mir unbekannten User gekommen wäre. Vermutlich hätte ich mich dann erstmal mit Interpretationen zurückgehalten. Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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19.10.2017, 08:37 | #13 | |
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Zitat:
Es ist ein Irrtum, dass ein Autor auktorial erzählen muss, also alles über seine Figuren weiß, bis hin zu dessen Gedanken. Er darf durchaus personal oder auch neutral erzählen, und es ist viel spannender, die Hauptfigur und/oder eine der anderen tragenden Figuren in ein Geheimnis zu hüllen. |
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19.10.2017, 08:48 | #14 |
R.I.P.
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Ja, so sehe ich das auch.
Deshalb wird es den Schreiber am tiefsten treffen, wenn dieser tolle Brief als nicht gelesen fungiert. All die so delikat formulierten Ätzungen sollen unbedingt treffen. Sind die Pfeile effektlos verschossen - nichts wird den Schreiber mehr grämen. Der Fußtritt muß bleiben. Das forciert die geplante Trennung. LG Thing |
19.10.2017, 08:57 | #15 |
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19.10.2017, 08:58 | #16 |
R.I.P.
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Aaalso: Weg mit dem Fußtritt.
Aber in den Gedanken der Adressatin darf er stattfinden. |
19.10.2017, 09:07 | #17 |
Forumsleitung
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Das spielt für mich als Autorin keine Rolle, denn ich habe aus einer neutralen Perspektive heraus geschrieben. Da gibt es keine Allwissenheit wie beim auktorialen Erzählstil und auch keine Wertungen wie bei der personalen Perspektive.
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19.10.2017, 09:18 | #18 |
R.I.P.
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Dann ist der Brief rein akademisch zu betrachten und erlaubt keine Leserspekulationen? Das ist ein seltenes Phänomen. Außerdem betrachte ich den Text privatim und bin nicht unbedingt darauf aus, zu erraten, was der/die Einsteller/Einstellerin als Rückmeldung erwartet.
LG von Thing |
19.10.2017, 09:20 | #19 |
abgemeldet
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19.10.2017, 09:58 | #20 |
Forumsleitung
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Was ein Leser mit dem Text macht - interpretiert, weiterdenkt, Charaktere und Hintergründe analysiert etc. - steht ihm völlig frei. Allerdings wäre es unlogisch, auf einen Fußtritt zu spekulieren, wenn die endgültige Trennung vom Protagonisten per Brief herbeigeführt wird, es also zu keiner persönlichen Begegnung mit der Verlassenen mehr kommt. Ein Fußtritt wäre weder Interpretation noch Spekulation, sondern wishful thinking.
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19.10.2017, 10:01 | #21 |
R.I.P.
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Eeeben! Der gedankliche Fußtritt.
Sag ich doch! Thing |
19.10.2017, 10:08 | #22 | |
Zitat:
Warum sollte das LI nun mit einem Mal echte, starke Liebe empfinden? Aus Mitleid? Warum gibt das LI die Beziehung jetzt auf, wo dessen Liebe doch endlich erwacht und auch stark ist wie nie zuvor? Die Liebe des angesprochenen Gegenübers zum LI wird im Text doch bejaht. Ich finde, außer einer allgemeinen Zerfahrenheit, die sich über die Jahre aufgetürmt zu haben und nun über den Kopf gewachsen zu sein scheint, keine Antwort. Der Brief wirkt, mit anderen Worten, nicht ganz schlüssig auf mich, zumindest nicht schlüssig formuliert. Meine Meinung - das LI glaubt von sich, zu einem klaren Ergebnis gekommen zu sein und sich endlich für die einzig sinnvolle Konsequenz entschlossen zu haben, in Wahrheit ist es noch immer verwirrt, emotional überfordert und zieht schlicht und ergreifend die Notbremse. Ob das "gut" ist? Niemand weiß es... Aber interessantes Thema. Ich sag immer - "Schwierig wird es, wenn der, den man liebt, zu dem wird, der einem den weg nimmt, den man liebt!" Man kann diesen Satz ohne Sinnverlust angleichen... LG Sonnenwind |
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19.10.2017, 11:25 | #23 | |
Zitat:
So ein lyrisches Ich wie es hier beschrieben wurde, würde niemals eine Notbremse für immer ziehen, das kann es gar nicht. Es würde für immer weiter hadern, sich nie entscheiden können, weil es immer alles und gar nichts will, letztlich gar nicht weiß was es wirklich will, immer nur im Moment etwas lebt. Ein armer Charakter, aber wirklich sehr, sehr interessant. Und die arme Frau erst, um die es geht, sie ist genauso arm dran, mit so einem Menschen leben ist anstrengend und schwer auszuhalten. Vorallem dann, wenn er in Liebesbelangen auch so wenig eine deutliche Linie fährt. Irgendjemand schrieb das, Larkin glaube ich: die Textinterpretation gibt viel vom eigenen Charakter frei, was nur heißt: dieser Text von Ilka lässt sich so manchen Leser mit sich selbst in der Interpretation beschäftigen. Ein einfaches Wort wäre "ansprechend" , zwei Worte "nachdenklich machend", drei Worte "zur Selbstreflektion anregend" .. ? In jedem Fall dadurch ein sehr guter Text, der auch weder länger noch kürzer sein braucht, er tut ja, was er soll. |
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19.10.2017, 12:17 | #24 |
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19.10.2017, 12:32 | #25 | |
R.I.P.
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Hallo, Ilka-Maria -
Zitat:
Deswegen (EGO) soll das LD mit dem Brief weichgekocht werden. Liest LD n i c h t, ist LI zutiefst verärgert und in seiner Erwartung getäuscht.. LG Thing |
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19.10.2017, 12:55 | #26 | |
Zitat:
Du weichst aus. |
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19.10.2017, 13:14 | #27 |
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Ich weiche nicht aus, Sonnenwind, sondern ich habe über Liebe eine andere Auffassung: Liebe ist niemals nur ehrlich, sondern hat zu einem mehr oder minder großen Teil immer damit zu tun, dem/der Geliebten etwas vorzumachen, um auf Gegenliebe zu stoßen. Außerdem kann keine Liebe entstehen, ohne dazu die innere Bereitschaft zu haben. In den 80er Jahren gab es einen Trend, Erich Fromm und Peter Lauster zu lesen, die beide nur diejenige Liebe für echt befanden, die völlig selbstlos ist und den geliebten Menschen ohne Wenn und Aber annimmt. In meinem Freundeskreis gab es Paare, die das zu leben versuchten - sie sind alle gescheitert, weil eine bedingungslose Liebe dem menschlichen Grundbedürfnis widerspricht, selbst geliebt zu werden.
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19.10.2017, 17:03 | #28 |
Du weichst deswegen aus, weil Du nicht auf meine Kritik an Deinem Text eingehst, sondern Dich stattdessen darauf konzentrierst, mir deutlich zu machen, dass Dein Verständnis von Liebe ein anderes ist...
Ich bitte Dich darum, mir zu erklären, was Liebe ist. Ich rede (abweichend von Fromm) nicht von perfekter Liebe, sondern von wirklicher, echter Liebe. Dass echte, wahre Liebe (bzw. das Verlangen danach) auch allerlei Tricks und Schauspielkünste kreativ nutzt, um ans Ziel zu gelangen, bezweifle ich ja gar nicht. Sie muss nur wenigstens untergründig wirklich da sein (wenn auch noch so keimhaft oder gebrochen), sonst ist alles Gerede von Liebe reine Heuchelei (gibts natürlich auch). Du siehst, ich unterscheide schon - zwischen perfekter und echter Liebe einerseits (abweichend von Fromm), andererseits aber zwischen echter, wirklich vorhandener Liebe und gar keiner Liebe... Nur - was ist Liebe? |
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19.10.2017, 17:38 | #29 | |
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Zitat:
Fromm sprach nicht von perfekter, auch nicht von echter Liebe, sondern von bedingungsloser, nichts verlangender und nichts erwartender Liebe, die auch dann Liebe bleibt, wenn sie nie erwidert wird. Tja, was ist Liebe? Wenn ich das wüsste und außerdem für jeden Menschen verständlich erklären könnte, hätte ich längst einen Platz in der Philosophiegeschichte. |
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19.10.2017, 17:52 | #30 | ||
Zitat:
Du schriebst doch, dass Fromm Liebe nur dann als "echt" anerkennen wollte, wenn sie seine Kriterien erfüllt. Mit meiner Wortwahl wollte ich zeigen, inwieweit sich meine Ansicht von der Seinen unterscheidet, bzw. inwiefern ich ihr zustimme. Menschliche Liebe kann nicht vollkommen sein. Ob eine Liebe in uns wirksam werden kann, die über das nur Menschliche hinaushebt, weiss ich nicht, erhoffe ich mir aber. Zitat:
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20.10.2017, 21:52 | #31 |
Ich finde die Texte von euch über "Liebe" interessant.
Auch ich habe Erich Fromm's "Die Kunst des Liebens" gelesen, aber .. verstanden? Ich war da 16, oder 17. Genauso viele Jahre ist es her. Für mich ist Liebe eine Entscheidung FÜR jemanden. Eine Entscheidung, die Person durch das Leben zu begleiten, mit all ihren Eigenschaften, die sie im Moment hat und die sie ausmacht. Deswegen gibt es für mich auch verschiedenen Menschenbezüge für die Liebe. Liebe zwischen Partnern, zwischen echten Freunden, zwischen Familienmitgliedern. Wer weiß. |
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20.10.2017, 22:57 | #32 |
Ist ja auch ein (mehr als nur) interessantes Thema.
In meinen Augen ist Liebe auch kein verkappter Egoismus, sondern Egoismus - auf sich selbst zurückgekrümmte... Liebe. LG Sonnenwind |
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21.10.2017, 09:46 | #33 |
R.I.P.
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Ich könnte den Text ebenso als Märchen definieren, dann ist er jeder Definition offen.
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