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30.08.2017, 10:12 | #1 |
Kann Dichtung etwas bewirken?
Kann Dichtung etwas bewirken?
Massenhaft wird hier gedichtet, manchmal mit und ohne Reime, kaum wird etwas ausgerichtet, aus Worten Schäume bleiben Träume. Kaum ein Streit wird hier geschlichtet, kaum ein Bösewicht vernichtet, doch fühlt ein jeder, der hier dichtet, dem ewig Guten sich verpflichtet. Geändert von Hans Werner (30.08.2017 um 12:08 Uhr) |
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30.08.2017, 10:16 | #2 |
Gedichte sind in der Regel zu Papier gebrachte Träume, ausrichten wollen sie meist nichts außer Bilder beim Leser zu erzeugen. Das ist kein Forum zur Verbesserung der Wirklichkeit
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30.08.2017, 15:19 | #3 |
Klar kann es etwas bewirken, dass Gedicht. Tatsächlich wirkt es auch immer, die frage ist .. auf welche Weise. Ich empfehle die Lektüre von Robert Gernhardt: "Was das Gedicht alles kann"
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31.08.2017, 21:57 | #4 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Lieber Hans Werner,
ich könnte Dir mit zahlreichen Beispielen (aus der Literatur, der Geschichte und aus eigenem Erleben) nachweisen, was Dichtung zum Positiven und auch zum Negativen bewirken kann. Aus eigenem Erleben: Zur Vorbereitung eines Seminarthemas hatten eine Kommilitonin und ich die Aufgabe a) Goethes Iphigenie, b) Rilkes "Archaischer Torso Apollos" zu interpretieren. Die Iphigenie haben wir wechselseitig gesprochen, den Torso habe ich rezitiert. Das Resultat war: Die Kommilitonin hat von heute auf morgen ihr Leben total und mit allen Konsequenzen geändert. Aus der Geschichte wissen wir, dass es nach dem Erscheinen Goethes Leiden des jungen Werther eine signifikante Steigerung der Suizidrate in Europa gegeben hat. Mit einem dreistrophigen Gedicht in Stanzen "eroberte" ich meine letzte Frau (wobei sich hier Positives und Negatives in reizvoller Form mischten). Liebe Grüße, Heinz |
31.08.2017, 23:35 | #5 |
Lieber Heinz, liebe Kommentatoren,
es ist schön, wenn Ihr daran glaubt und davon überzeugt seid, dass Gedichte "etwas bewirken" können. Ich selbst pflegte ein Leben lang als Lehrer einen sehr aktiven Umgang mit Dichtung. Und immer, oder doch in den meisten Fällen, hat sie mich persönlich berührt. Und so bekam ich durch die Beschäftigung mit Gedichten auch ein sehr inniges, um nicht zu sagen "intimes" Verhältnis zu den Dichtern. Aber häufig blieb es auch dabei. Irgendwo, in einem Rilke-Gedicht, steht am Ende der Satz "Du musst dein Leben ändern". So weit ist es bei mir selten gekommen. Wenn man sich fragt, ob lyrische Verse, oder Dichtung überhaupt, etwas bewirken können, dann konzentriert man sich automatisch auf eine besondere Art des Schreibens, auf die "engagierte" Dichtung. Und gerade hier sieht man häufig auch die Grenzen der Wirkungsmöglichkeit solcher Dichtung. Meine Verse sind spontan entstanden vor der riesigen Masse von Reimerzeugnissen, die sich in Foren, aber auch sonst, aufhäufen. Und da muss ich gestehen, dass ich häufig in mir so etwas wie eine Abstumpfung empfinde. Aber einem jeden Dichter möchte ich den guten Willen bescheinigen, den er beim Schreiben hat. Das wollte ich auch mit meinen letzten beiden Verszeilen sagen. Mit lieben Grüßen Hans Werner |
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01.09.2017, 08:35 | #6 |
Natürlich kann Dichtung etwas bewirken! Man sollte nicht erwarten, dass sie dem Leser hilft, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sie dem Autor hilft. Dinge verlieren oft ihren Schrecken, wenn man sie benannt, gebannt und zu Papier gebracht hat und es kann sehr befreiend sein, einen inneren Konflikt künstlerisch auszutragen. Und manchmal - wenn der richtige Text mit dem richtigen Leser zusammentrifft - kann er auch in diesem vielleicht etwas Positives (oder Negatives) bewirken. Was kann man mehr erwarten?
LG k |
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01.09.2017, 09:30 | #7 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Ob sich dadurch etwas im Leben dieser Schreiber verändert hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Um eine Veränderung bei sich herzustellen, bedarf es wohl mehrerer ergänzender Komponenten, eine einzige Disziplin scheint mir dafür zu wenig zu sein. |
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01.09.2017, 10:45 | #8 |
Liebe Ilka-Maria,
Deinen Worten stimme ich voll und ganz zu. Allerdings betreffen sie nun einen ganz anderen Sachverhalt. Jedes Schreiben führt zu einer geistigen und seelischen Bewusstwerdung, Gefühle werden ausgedrückt, formuliert, zu Ende gedacht, begrenzbar und damit auch für den betreffenden Menschen leichter zu ertragen. Das Bewusstmachen von Unbewusstem ist die große Gabe und Aufgabe des schreibenden Menschen. Oft aber sprechen Gedichte, wie sie hier und andern Orts geschrieben werden, allgemeine Themen und Probleme an. Der Schreiber will sich gesellschaftlich engagieren. Solche Texte sprießen inflationär wie Pilze aus dem Boden. Ob sie wirklich in der ursprünglichen Absicht etwas bewirken können, wage ich manchmal zu bezweifeln. Nicht alle können so wirksam formulieren wie Brecht, der einmal dichtete: "Hinter der Trommel her, marschieren die Kälber, Das Fell für die Trommel liefern sie selber." Mit liebem Gruß Hans Werner |
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01.09.2017, 12:45 | #9 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Soviel zum „inflationär wie Pilze“. Was die Wirkung von Literatur als Spiegel ihrer Zeit angeht, bin ich der Meinung, dass diese äußerst gering ist, zumindest in Politik und Wirtschaft. Georg Büchner handelte sich mit dem „Hessischen Landboten“ eine Ladung vor Gericht ein und floh nach Straßburg. Durch „Das Kapital“ wurde der Kapitalismus nicht aufgehalten (heute erleben wir seine Auswüchse), und die 68er mit Maos Schrift unter dem Arm saßen spätestens zwanzig Jahre später in den Vorstandsetagen der Konzerne oder machten angepasste Politik. Im Gegensatz dazu erreichten Schriften dann etwas, wenn es um gesellschaftliche Themen ging, vor allem um Tabu-Themen. Man denke an Oswalt Kolle und den Kinsey-Report sowie an die Zeitschriften „Emma“ und „Courage“. Auch Erziehungsfragen gehören hierher: Maria Montessori, Waldorf-Schule, Summerhill-Projekt, Alice Miller und einige andere. Aber diese Entwicklungen sind noch lange nicht an ihr Ende gekommen. Die Schreiber von Ratgebern haben nach wie vor gut zu tun. |
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01.09.2017, 13:50 | #10 |
Hi Hans Werner!
Auch ich bin Lehrer, aber das nur nebenbei. Auch ich habe mir diese Frage oft gestellt. Zunächst aber zum Gedicht: Du mischst hier betonte und unbetonte Auftakte. Unbetont sind Z4, Z7 und Z8, könnte dem Absicht zugrunde liegen? Da aber Z4 zudem eine unkorrekte Inversion (es müsste korrekt heißen: "Schäume aus Worten") beinhaltet, stolpert man dort in jedem Falle. In Z7 muss man nur das "ein" streichen, dann bekommt man betonten Auftakt. Wenn Dichtkunst nichts oder kaum etwas bewirkt, wie hier impliziert wird, dann wurde sicher NIE ein Bösewicht dadurch vernichtet, bestenfalls ein wenig gebremst. Das "kaum" in Z6 würde ich also durch ein realistisches "nie" ersetzen. Vorschlag einer meinen Anführungen angeglichenen Version (übernimm, was dir brauchbar erscheint): Massenhaft wird hier gedichtet, manchmal mit und ohne Reime, kaum wird etwas ausgerichtet, Worte bleiben Schaum und Träume. Kaum ein Streit wird hier geschlichtet, nie ein Bösewicht vernichtet, doch fühlt jeder, der hier dichtet, Gutem ewig sich verpflichtet. Zum Inhaltlichen wurde hier ja bereits ausführlich geschrieben, von der Wirkung hauptsächlich in und auf uns selber (Lyrik als Psychohygiene sozusagen) bis zu nachweislichen Wirkungen im weiteren sozialen Umfeld, wobei die Steigerung der Suizidrate sicher keine angestrebte Auswirkung ist (wofür allerdings nicht der lyrische Auslöser verantwortlich zu machen ist, sondern die entsprechenden Misstände in der betroffenen Gesellschaft!). Ich weiß nur zu gut noch, was mich zum ersten Male für Lyrik begeistert hat: Als ich mit 12 Rilke's "Panther" im österreichischen Schullesebuch las und Rotz und Wasser heulte aus Ergriffenheit und Mitgefühl für das Leid des armen Tiers! Wenn ein paar Worte auf engstem Raum so etwas bewirken konnten, dann wollte ich das auch können! (Rilke und Lyrik überhaupt wurden Jahre später ersatzlos aus dem osterr. Schullesebuch gestrichen! Was für hemdsärmelige Idioten entscheiden so etwas eigentlich!? ) Als Fazit könnte man subsummieren, dass Lyrik vornehmlich den Autor selbst sowie einzelne Individuen zu erreichen und zu verändern vermag. Also mir genügt das. Sehr gern gelesen und bearbeitet! LG, eKy |
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01.09.2017, 14:58 | #11 |
abgemeldet
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Die Frage ist doch nur Ausdruck von Weltschmerz dem sich hier so hemmungslos hingegeben wird wie mal lieber geschrieben werden sollte.
Ansonsten verfängt die schönste Ausdifferenzierung nur noch da wo sich die Kreativität längst verpisst hat. |
01.09.2017, 19:54 | #12 |
Hi Poesieger!
Ist die "sich verpisst habende Kreativität" zynisch auf den obigen Text bezogen oder auf etwas anderes? Das sollte ich wissen, ehe ich mir ein Bild dazu mache. LG, eKy |
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02.09.2017, 12:17 | #13 |
abgemeldet
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Das bezieht sich auf die Grundeinstellung dieser sogenannten Diskutiergedichte, bzw. -texte. Wenn alles sich umschlingt, gelingt kein Befreiungsschlag mehr. Abweichende Verästelungen vom Thema worauf sich etwas bezieht wäre dahingegen schon mal ein Fortschritt.
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02.09.2017, 13:15 | #14 |
Aha.
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