Vom Sinn des Unsinns und einem Indianer Namens Heyoka
Eine Geschichte vom Sinn des Unsinns und einem Indianer Namens Heyoka
Vor vielen, vielen Monden lebte beim Stamm der Lakota ein Krieger Namens Heyoka. Er war ein traditionsbewusstes und unauffälliges Mitglied seines Stammes bis ihm ein folgenschweres Missgeschick passierte. Er war ein ausgezeichneter Jäger aber kein guter Sammler. Er verzehrte versehentlich einen giftigen Pilz. Er hatte schwere Vergiftungserscheinungen und fiel in eine dreitägige Bewusstlosigkeit. Der Medizinmann des Stammes konnte ihn mit Mühe und Not dem Tod entreißen und wieder ins Reich der lebendigen zurückholen.**
Doch Heyoka war nicht mehr wie früher, er verhielt sich seltsam. Statt Ja sagte er Nein und statt Nein sagte er Ja. Er macht alles verkehrt, sogar auf sein Pferd setzte er sich verkehrt. Die Stammesmitglieder glaubten Heyoka sei verrückt geworden und versuchten ihn wieder zur Vernunft zu bringen, ihn wieder normal zu machen. Nichts half, auch der Medizinmann war bald am Ende mit seinem Latein und kam zu dem Schluss, dass mit Heyoka einfach nichts Vernünftiges anzufangen sei. Er ist eben so wie er ist und lässt sich auch nicht ändern. Wir müssen ihn so annehmen wie er ist.**
Auf Anraten des Medizinmannes wurde Heyoka von seinem Stamm akzeptiert. Doch bald äußerten sich kritische Stimmen. Manche fühlten sich von Heyokas gegensätzlichen Verhalten provoziert und belästigt. Andere wiederum unterstellten ihm, dass er sich nur so dumm anstelle um nichts arbeiten zu müssen und sich auf Kosten des Stammes ein schönes und vor allem faules Leben machte. Immer wieder musste der Medizinmann mahnende Worte sprechen um die Akzeptanz für Heyoka im Stamm zu erhalten.**
Eines Tages geschah es, dass der Stamm von einem anderen sehr kriegerischen Stamm bedroht wurde und mit einem Angriff rechnete. Die Krieger des Stammes zogen los um den Feind zu stellen. Heyoka setzte sich wie gewohnt verkehrt aufs Pferd und ritt mit. Keiner dachte an einen hinterlistigen Plan der Feinde und so erwarteten alle den Feind vor sich zu erblicken. Doch der Feind hatte sich versteckt und griff überraschend von Hinten an. Heyoka der verkehrt auf dem Pferd saß sah den Feind sofort und gab Alarm. Die Reiter konnten gerade noch rechtzeitig wenden, den Feind stellen und in die Flucht schlagen.**Am Abend gab es ein großes Fest und Heyoka wurde als Held gefeiert.
Der Häuptling und die Ältesten feierten eine Weile mit aber zogen sich dann in ein Tipi zurück um über die jüngsten Geschehnisse zu beraten. Lange saßen der Häuptling, der Medizinmann und die Ältesten zusammen und berieten darüber welche Bedeutung und welche Lehren aus den Vorfällen zu ziehen seien. Wie konnte es sein, dass sozusagen ein Verrückter den Stamm rettete? Über diese Frage wurde besonders lange beraten und viele Male ging die Pfeife im Kreis bis Konsens darüber herrschte was dies nun zu bedeuten habe. Der Rat kam zu folgenden Schluss: Durch zu eingefahrene Routinen, Handlungs und Sichtweisen entsteht ein Ungleichgewicht. Eine Norm die zu Einseitig ist und nicht mehr der Ganzheit der natürlichen Ordnung entspricht. Dadurch wäre beinahe ein furchtbares Unglück passiert – Alle schauten nach vorne, doch der Feind griff von hinten an, einzig Heyoka der verkehrt auf seinem Pferd saß konnte den Feind sehen und warnte seinen Stamm – Der Rat erkannte, dass Gruppen und Gesellschaften anfällig für einseitige Normen und Sichtweisen waren und darin die Gefahr einer fundamentalen und totalitären Fehlsicht lag. Als probates Gegenmittel hatte sich Heyoka erwiesen, er glich sozusagen durch seine gegensätzliche Art und sein Verhalten die einseitige Schieflage aus und ermöglichte eine ganzheitliche Sichtweise durch welche die Gefahr rechtzeitig erkannt und gegensteuert werden konnte. Der Rat beschloss von nun an Heyoka als wichtiges Mitglied der Gesellschaft zu ehren und Gegensätzlichkeit als ausgleichendes Regulativ dauerhaft einzusetzen und zu fördern. Heyoka bekam eine Stimme im Rat und wurde in den Stand eines seltsamen weisen Lehrers erhoben. Er bekam Schüler und gründete eine eigeneständige Schule für die Kunst der Gegensätzlichkeit. Der Name Heyoka wird seitdem für alle verkehrten Krieger und heiligen Narren verwendet.***
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