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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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08.05.2014, 20:12 | #1 |
Rabenstein
eines meiner Oldies
Rabenstein Meines Sternes lichte Runden bahnten in die Abendstunden, alle Sehnsucht schloss die Lider, grau schlief meine Liebe ein. Nichts und niemand kann behalten, was sich Schicksals Klauen krallten; – doch auf einmal Lichter wallten rundherum in hellem Schein. Vor mir lag, vom Stern gefallen, in dem hellen Lichterschein – schwarz und glatt – ein fremder Stein. Tief in meine Lebensschwere sank die Wärme seiner Sphäre, stellte bloß, was ich begehre, so auch meine bittre Pein. Durch geheime Energien schlich sich dieses dunkle Ziehen zielbewusst in meine frühen Träume und Begierden ein. In die letzte Kammer meiner Seele schloss sich’s drohend ein, und es lag dort – wie ein Stein. Auch wenn ich noch nicht recht wusste, welch’ geheime und illustre Kraft da nun im Herzen fußte, ließ sie mich der Welt verzeihn; Abendämmrung ließ mich bange frösteln – ja, es war schon lange her, dass mit Dir Wang’ an Wange ich getanzt in unsrem Hain. „Oh, du wundervolles Leben, schick’ den Tanz mit ihr zum Hain.“ Just ein Glühn! – Es war der Stein. „Ist dies mir Signal der Götter“, sprach ich, „oder nur ein Spötter der Dämonenriege, der sich vorstellt als mein Bruder Kain?“ Kommst du zu mir als Mirakel, oder kleidet dich der Makel, als ein unheilvoll’ Orakel mir das End’ zu prophezei’n? Lasse ich dich in mich, zieht dann eine Nemesis mit ein?“ Ich ergriff ihn! – Nur ein Stein. Er verschwand in meiner Tasche. – „Sicher war dies eine Masche, eine Täuschung meiner Sinne, meines Innern letztes Schrei’n – wohl aus Angst vorm Untergehen. Aber nichts wird es verstehen, meines Sternes Bahn zu drehen“, dacht’ ich laut. „Ja, gar nichts – nein!“ Zweifelnd ob der warmen Aura, wo er ruhte, rief ich: „Nein – bist nichts weiter als ein Stein!“ Doch von nun an ward mein Leben neu von Morgenlicht umgeben; vormals dunkle und befleckte Stunden strahlten itzo rein. In mir wieder Lieb’ erwachte – rotbeflügelt sie vollbrachte, dass die Sehnsucht wieder lachte; – du warst endlich wieder mein. Ohne dich war mein Begleiter Trübsinn; schlimmer noch – denn mein Herz glich einem – diesem Stein. Der Gedanke sich jetzt regte, ob nicht jenes Ding bewegte, welche Bahn mein Stern erreichte. – Konnte dies denn wirklich sein? Ist’s denn nicht durch ihn erschienen und drang dabei tief nach Innen, fordert mich mit allen Sinnen wie ein geistesvoller Wein? Ist’s Symbol für Traum und Bangen, schwarz gleich geistesvollem Wein? „Nun, so heiß ich’s: Rabenstein!“ Dies gesagt erschien ein Funkeln wie ein Irrlicht aus dem Dunkeln in des Minerales Mitte, sagte mir: „Ich bin jetzt dein!“ Und da tratst du aus Gedanken, wo sich sonst nur Träume ranken, überschrittest alle Schranken meiner Wirklichkeit ins Sein; – Alptraumgrenzen überschreitend tratest du zurück ins Sein – durch die Macht von Rabenstein. Ich begann nun zu erkennen, keine Barrieren trennen mehr die Welten; – nicht ein Geist nur, sondern wirklich wieder mein. „Ach mein Liebchen, komm und küss mich!“ hauchte ich es gar genüsslich. „All die Jahre warn verdrießlich, selbst in Freude so allein; – mit der Liebe kamst du wieder und ich bin nicht mehr allein, dank der Macht von Rabenstein. ’s gibt nichts mehr, was ich verlange, wo wir wieder Wang’ an Wange zu dem Walzertakt des Kosmos tanzen, hier in unsrem Hain. Sag nichts, Liebchen, lass dich führen und dich endlich wieder spüren, will dich niemals mehr verlieren; – doch du schaust so düster drein? Warum sagst du nichts? Du fühlst dich kalt an, blickst so seltsam drein – dunkel wie der Rabenstein.“ Frost umgab mich und belegte meine Sinne, denn nichts regte sich in diesen starren Augen; – in mir wurden Welten klein. Finstre Ironie umtoste mich, verschlang, was mir zum Troste blieb, als ihre so erboste Stimme mahnte, hart und fein, – ja, ihr schweres Mahnen traf mich hart, jedoch subtil und fein: „Spiele nicht mit Rabenstein!“ Aufgewühlt in wildem Grauen, sah ich mich sie niederhauen; Hände würgten ihre Kehle, wuschen mein Gewissen rein. Immer, immer wieder pochte, pochte ich, bis mein Blut kochte, ihren Kopf zu Boden, mochte sie auch noch so schrei’n. Rhythmisch dumpfe Schläge tönten, doch sie schwieg und wollt’ nicht schrei’n. „Ich – ja, ich bin Rabenstein!“ Meines Sternes Abendstunden haben ihre Nacht gefunden; Ewigkeit bedeutet Schicksal, findet mich und dringt hinein. Ob du da warst an den Tagen, will und kann ich nicht mehr sagen. – Eins jedoch lässt mich verzagen, ’s ist die Ruhstatt vom Gebein; – glimmend quält mich der Gedanke, liegt doch heut’ noch dein Gebein friedlich unterm Rabenstein. (Edgar Allan Poe und andern Dingen gewidmet) © Sascha Besier aka Beteigeuze |
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08.05.2014, 21:27 | #2 |
Forumsleitung
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Du meine Güte!
Das ist nicht Lyrik, sondern Epik. Ich habe stichprobenweise gelesen und muss sagen: Meisterklasse! Ich weiß nicht, ob ich mir das ganze Werk antun werde - vielleicht. Mein Fach ist die Lyrik, also die Verknappung. Dein Fach ist die Epik. Und darin bist Du richtig gut. Da kann ich mich nur verneigen. |
10.05.2014, 21:30 | #3 |
gesperrt
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wow!
die wirklich großen erkenntnisse, sie liegen in ungeheuren abgründen, wo man sie sucht, nicht an jenen sichtbaren und greifbaren örtlichkeiten, wo man sie zu finden meint.* (poe) lg shoshin *) das ist wohl schlecht übersetzt, aber ich hab leider das original nicht gefunden --ich würde meinen, es müsste heißen "...dort sollte man sie suchen," |
11.05.2014, 10:44 | #4 |
R.I.P.
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Hallo, Beteigeuze -
Mystisch!
Der Inhalt erinnert mich an G. Meyrink, der Klang der Verse an Dich. Favorit! Freundlichen Gruß von Thing |
11.05.2014, 21:24 | #5 |
Meine Verehrung sei dir gewiss!!!!!
Darf ich fragen, wie lange dieses Werk bis zu seiner Vollendung gebraucht hat? Jedes weitere Wort würde Klang und Inhalt und Zauber deiner Worte zerstören.. Beste Grüsse Anna Amalia |
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11.05.2014, 21:51 | #6 | |
R.I.P.
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Zitat:
Soll ein wahrer Poet als Anmerkung hinterlassen: De 00430 Marche jusq'au 00270 Septèmbre A.D. crèit de .... Liebe anna amalia - das ist keineswegs unfreundlich gemeint, aber ist Deine Frage nicht im Grunde zu intim? |
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11.05.2014, 22:13 | #7 |
Dabei seit: 11/2005
Ort: Nördliche Hemisphäre
Alter: 55
Beiträge: 438
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Hallo Beteigeuze,
ein wahres Meisterwerk ist Dir da gelungen, ich habe es sehr gerne gelesen. Die finstere Stimmung kommt sehr gut rüber, und die Handlung würde gut in die Welt von Edgar Allan Poe hineinpassen. Reimschema und Metrum legen natürlich den Vergleich mit The Raven nahe, hinter dem sich Dein Gedicht keineswegs verstecken braucht. Der Unterschied ist minimal, Deines hat 13 Strophen (sicher nicht zufällig) - während The Raven aus 18 Strophen besteht. Ich fühlte mich beim Lesen gut unterhalten. Gruß, Sylvester |
12.05.2014, 06:19 | #8 |
Thing, ich fürchte, du hast recht....
So war sie jedoch nicht gemeint..... Ich möchte keinem zu Nähe treten... Danke für den Hinweis ! Anna |
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13.05.2014, 18:53 | #9 |
Hallo, Beteigeuze,
was soll ich da noch sagen? Wunderbar! Was für ein Lesegenuss! lieben Gruß, simba |
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17.05.2014, 11:24 | #10 |
Hallo, Ilka-Maria
Auch wenn Du es dann doch vielleicht nicht ganz gelesen hast, ist es natürlich schön, dass es zu einem Kommentar gereizt hat. Vielen Dank! Was mein Fach betrifft ... Ich denke, mein Fach ist einfach die Poesie, und ob ich sie mal lyrisch, episch, prosaisch oder gar nicht erreiche, ist mir - bis auf letzteren Punkt - fast egal. Über die Jahre des Schreibens habe ich herausgefunden, wohl am tiefsten mit dem Symbolismus verbunden zu sein - also, nachträglich herausgefunden, nicht vorher so geplant. LG, Beteigeuze Hallo, shoshin! Auch wow Ja, Mr. Poe war einer der ganz Großen. LG, Beteigeuze Hallo, Thing! Freut mich sehr, dass Du sogar mit diesem Oldie von mir etwas anfangen konntest. Man verändert sich ja im Schreiben, und es ist für einen selbst nicht immer leicht einzuschätzen, inwieweit ältere Werke sich im Vergleich zu neueren schlagen. Von G. Meyrink kenne ich natürlich den Golem, doch Pate stand hier Edgar Allan Poe mit The Raven. LG, Beteigeuze Hallo, Anna! Wenn auch die düsteren Werke geschätzt werden, freut mich das immer wieder. Ich gehöre auch zu denjenigen, die kein großes Geheimnis um ihr Dichten machen, von daher ist Deine Frage für mich nicht zu persönlich. Da es nur so lange her ist, kann ich so genau gar nicht mehr sagen, wie lange ich daran gearbeitet habe. Die reine "Schreibarbeit" war, wenn ich mich recht erinnere, in fünf Tagen erledigt. Doch natürlich reifen zuvor Gedanken, Ideen, Klänge und die Verse selbst im Kopf. Zumindest ist das bei mir so. Ich bin jemand, der tatsächlich erst dann schreibt, wenn sich all das zu einem Gefühl, einem Drang entwickelt hat und mir dann direkt ermöglicht, daraus ein Gedicht zu formen. Ich gehöre also nicht zu denjenigen, die überall Zettel und Stift mit sich herumtragen und ständig sich Sachen aufschreiben. Bei mir passiert alles im Kopf und schreiben tue ich erst, wenn ich vollenden will. LG, Beteigeuze Hallo, Sylvester! Vielen Dank für dieses Kompliment! Und obwohl mein Rabenstein durchaus häufiger solche Reaktionen hervorrief, ist es für mich selbst nicht wirklich fassbar, dass er sich nicht hinter The Raven verstecken braucht, denn ich halte es für eines von Poes großen Meisterstücken, was man kaum erreichen kann. LG, Beteigeuze Hallo, Simba! Danke auch Dir, dass Du dieses lange Werk durchgehalten hast LG, Beteigeuze |
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