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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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02.09.2011, 20:09 | #1 |
Lieblingsbilder(zyklus)
MONA LISA (Leonardo da Vinci, 1503)
Du hüllst dein Lächeln wie in Haut aus Seide, die deiner Augentiefe Fordern konturiert, und beides trägst du an dir wie Geschmeide, das ganze Zeitenläufte anrührt und verführt. Die hellen Hände, sacht einander fassend, als gürteten sie deine Wohlgestalt, sowohl sich haltend wie sich halten lassend, als wären sie und fänden sie dir Halt. Du bist zugleich die Jungfrau und die Sünde, bleibst Weib wie Engel, ewig rätselhaft. Wer dich geschaut, erfindet tausend Gründe, dich anzubeten und für dich zu brennen! Doch du scheinst alle Seelen zu erkennen und segnest sie mit deiner Erdenkraft. DORFMÄDCHEN MIT HUND UND HENKELKRUG (Thomas Gainsborough, 1785) Nie trug die nackte Armut solch ein Dulden gleichwie Versonnenheit, als dieser Blick geprüfter Augen, deren Unverschulden nie Trost für sie bereithielt und nicht Glück. Gebrochen wie der Krug erscheint ihr Leben, doch so wie er erfüllt sie ihre Pflicht, und weiß doch Wärme, die sie kennt, zu geben, fühlt auch ihr Dasein solche Wärme nicht. Sie rührt mich an, ein Inbild alles dessen, was uns versagen macht wie auch bestehn, und sei sie auch begraben und vergessen, so werden Lebende an diesem Bilde reifen, wenn ihre Augen es als das begreifen, was ihre Herzen längst schon darin sehn. DER BRAND DES PARLAMENTSGEBÄUDES (J.M.W. Turner, 1835) Dein Brand gebiert die Welt, und doch verhüllt er, was er beleuchten soll, wie Rauch aus Fumarolen. Als hätte er Substanz, bewegt und überfüllt er den Punkt, den er den Schatten rings gestohlen. Nur flüchtig hingetupft sind manche Artefakte aus Menschenhand, als sollten sie nicht sein, wo sie dein Flammenleuchten fast bis ins Abstrakte gleichsam entwerden lässt in seinem Spiegelschein. Wer goss dir Schleicher solchen Lichtes in den Pinsel, dass er zugleich so flüchtig und so seltsam sicher die Welt beseelte und begriff auf deiner Insel? Was kelterte die Brücken und die fernen Dächer aus Dunst und lichtem Dampf, des weicher Fächer sie uns so vage macht und dennoch wesentlicher? LANDSCHAFT BEI MENTON (Auguste Renoir, 1883) Da wuchern Bäume auf wie braune Flammenlohen, umwölkt von Blättern, deren grüner Rauch ein Schattenspiel ins Gras wirft um die Hohen wie einen Zauberbann der Sehnsucht auch. So strahlend sommerlich sind alle Farben, wie leicht bewegt, bewegend und grazil der Wuchs der Blüten und der vollen Garben, und keine einzige davon erscheint zuviel in dieser Sinfonie aus Licht und Süden, die durch die Sinne wie ein Träumen geht, an dem die wachen Augen nie ermüden, als wüchse hier ein Mittag ohnegleichen, um aus den Pforten blauer Himmel sein Gebet den Herzen wie aus Zweigen hinzureichen. FISCHERBOOTE AM STRAND VON SAINTES-MARIES-DE-LA-MER (Vincent van Gogh, 1888) Als wollten sie im braunen Sande treiben und bräuchten nicht das anverwandte Meer, erscheint ihr Unbewegtsein, doch sie bleiben an diesem Ufer, unerweckt und leer. Von Mast und Takel sperrig überfangen, bewohnt sie Farbigkeit wie aus geübter Hand. Ein taubengrauer Himmel schmiegt die Wangen an den durch sie allein geschmückten Strand. Nur weit entfernt bewegen ihre Schwestern die hohen Segel lautlos durch das Licht, als hätte nie ein unbemanntes Gestern sie ebenso gesehen wie die Boote, die nun an Land gereiht wie farbenfrohe Tote die Leere mäßigen durch ihr Gewicht. DER KUSS (Gustav Klimt, 1908) Sie herzen sich, als wäre ihr Umschlingen des größten Stillehaltens einzige Bewegung, des tiefsten Menschseins forderndes Gelingen in dieser so zur Schau gestellten Regung. Und wie das eine sich im andern gründet, als wüßte es alleine nicht zu sein, sich so zu einem Ganzen fügt und ründet, so webt darin auch dein Gefühl sich ein. Du bist der Mantel, der sie bergend hütet, darin sie sich vergessen und vergehn, und gleich, was eine kalte Welt durchwütet, sie werden danach größer und erhaben, gereifter an der Fülle seiner Gaben aus deiner Obhut Wärme auferstehn. DER TIGER (Franz Marc, 1912) Die ganze Kraft im Schwunge hergewendet nach einer Beute, die sein Auge bannte, des Blickes Glut, die ahnen lässt: Hier endet, was immer dieses Schauen auch erkannte. Dies ist Bemächtigung aus einer Mitte, die ihren Hunger kennt und ihre Kraft, und keine Angst und kein Gebet und keine Bitte macht solche Schärfe wieder schemenhaft. Ein Tor geht auf zu deinem tiefsten Beben, wo dieses goldne Starren dich zerbrach. Dein Wollen wehrt sich kaum, als wäre Leben bedeutungslos im Angesicht der Größe. Dein Fleisch erkennt sie und gibt zitternd nach, und seine Schauer streicheln deine Blöße. STERNENNACHT (Vincent van Gogh, 1889) Sind dies die letzten Spuren eines Niederfalls von tausend Engeln aus dem Wirbelstrome des mondenmächtigen, tiefblauen Weltenalls hinunter in das Schattenreich der Dome? Ist dies der Schmelz der ungezähmten Lichter, die über tiefer dunkelnden Gefilden stehn, ein Widerschein vom Sein erlöster Dichter, die nach dem Tode durch die Himmel gehn? Dies alles nicht? Wer kann dich tragen, du seltsam losgelöstes Firmament? Wer mag dich übertreiben, wer es wagen, zu träumen von den Farben der Magie? Wo ist die Seele, die sich in dir wiederkennt und dich im Traum erwartet, vis-a-vis? LIEBESPAAR AUS DEM STOCLETFRIES (Gustav Klimt, 1905-10) Halt inne, Zeit, nur eine kleine Weile. Am stillen Ufer solcher Seligkeit hat man mit deinem Hingehn keine Eile, und alles Abschiednehmen ist so weit. Halt inne, Welt, schenk deine Augenblicke dem Ineinandersinken ihres Seins, denn ach, wie selten sind die kleinen Glücke, und wirklich dauerhaft ist endlich keins. Seht ihrem Fühlen ganz sie hingegeben, als wären Zeit und Welt allein für sie, und aller Tag und weiter alles Leben umrahmte bloß ihr wesentliches Tun: Was ihnen Schicksal wollte, war'n sie nie, nur was die Liebe wollte, sind sie nun. ADELE BLOCH-BAUER I (Gustav Klimt, 1907) Das Gold um dich scheint kühl wie deine Lippen, und wo die eine Hand der anderen zur Stütze sich leise legt, fast wie zu sonst nichts nütze, fällt deines Umhangs Saum herab wie Klippen. So samten glüht dein Blick, dass man die Stille nicht sehen mag, die seltsam darin fließt. Dein Glanz gleicht dem, was dich umschließt: Metallen scheint dein Angesicht, wie eine Hülle. Wer sah dich so, gerahmt von einer Dichte, die dich befangen machte wie ein Schmerz, und deine Gegenwärtigkeit beinah zunichte? Und wem gewährst du deine höchste Gunst? Wer rührte doch dein so entrücktes Herz mit allem Golde seiner schönsten Kunst? ROTE PFERDE (Franz Marc, 1911) Seid Anmut, Kraft und schiere Lebensfreude, die euren Leibern so viel Regheit schenkt, entronnen einem dunklem Stallgebäude, das euch die Häupter wie die Herzen senkt. Verliert euch in verspielten Kapriolen, solang das jähe Rufen euch nicht findet, das jene tun, die euch des Abends holen nach Hut und Hege, die euch an sie bindet. Seid beinah frei, seid ganz, seid rote Pferde für die Momente, die euch keiner rief, seid selten Glück und Seligkeit der Erde all jenen, die euch gerne sehn und schauen, da ihr erweckt, was lang in ihnen schlief, weil es gefroren war - nun mag es tauen! IRIS (Vincent van Gogh, 1889) Was lodert da aus braunen Erdengluten so bläulich grün empor wie jähes Feuer, dass die Betrachter vor dem Werk vermuten, dies kalte Züngeln wäre nicht geheuer? Was wächst und greift durch jeden Raum nach Blüten, die wie Rauch entschweben? Wir sehn und fassen es doch kaum - dies ist gemalt, und doch: Am Leben! Ein wenig weiß, ein wenig Rot vermählt sich den blassen Garben schüchtern, wie von ferne, und unserem Beschauen, ach, entschält sich ein so wie seltsam innehaltendes Begreifen. Als wären's Blumen nicht, als wären's Sterne, erschließt sich einer ganzen Schöpfung Reifen. |
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02.09.2011, 20:19 | #2 |
R.I.P.
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Halli Hallo, Erich Kykal -
Deine grandiosen Texte zu kommentieren überlasse ich Berufeneren. Den Grund magst Du erraten. Sei auf das Allerherzlichste willkommen von Thing (ehrfürchtig) |
02.09.2011, 20:39 | #3 |
Hi, Thing!
Vielen Dank für dein promptes Lob! Diese mittlerweile 12 Gedichte markieren das Ende meiner über halbjährigen Schaffensblockade, wo es nur ab und an so abgetröpfelt ist - nun strömt es wieder! Ich weiß, das ist ein langer Sermon, sicher zuviel für nur einmal so drüberlesen, aber ich wollte es unbedingt zusammen publizieren, weil es eben ein geschlossener Zyklus ist, der übrigens noch weiter ausgebaut werden soll. Wer ernsthaft liest, merkt bald, wer meine Lieblinge sind: Klimt und van Gogh! Indes, es gibt so viele gute Maler! Ich versuche, breiter zu streuen. LG, eKy |
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02.09.2011, 21:03 | #4 |
abgemeldet
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Fantastisch! Mir fehlen die Worte.
Diese Schmuckstücke werde ich mir jetzt in aller Ruhe noch einmal durchlesen. |
02.09.2011, 21:20 | #5 |
Du lieber Himmel, was ist denn das? Wie lange hast du denn daran gearbeitet? Ich habe bisher nur das erste und das letzte gelesen, du weißt sicher selbst am besten, wie großartig die sind. Ich bin mir sicher, dass dieser thread nicht so schnell versandet. Ich komme noch mal wieder.
Kannst du nicht vielleicht noch die links zu den Bildern mit posten? Ach ja, sei herzlich willkommen! |
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02.09.2011, 22:18 | #6 |
Hi, Aquaria!
Zu deiner Frage: Die ersten sechs in 5 Stunden am Stück, die letzten ein paar Tage später in 4 Stunden am Stück. Ich suche mir Bilder aus und lausche in mich, was sie in mir anrühren - und dann schreibe ich das nieder. Das mit den Links oder Bildern direkt dabei ist so eine Sache - dazu kann ich nicht gut genug "Computer"! Mein Tipp: Das Gedicht lesen und dann erst das Bild googeln. So, glaube ich, kann man besser ermessen, ob ich den Kern des Werkes getroffen habe. Ach ja - und vielen Dank für dein Willkommen! Hi, Odiumediae! Danke für deine lobenden Worte. Ich gebe zu, dass ich kein Neuling bin - habe mittlerweile 6 Bücher publiziert. Dies ist das 5. Forum, in dem ich aktiv bin. Mehr zu meiner unwürdigen Person bei näherem Kennenlernen und falls Interesse besteht. Allgemeine Frage: Gibt es hier ein Postinglimit? LG, eKy |
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02.09.2011, 22:26 | #7 | |
abgemeldet
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Zitat:
Eigentlich schon, ich glaube, es liegt bei drei Werken pro Tag (ohne Gewähr), aber ich denke, es wird niemand etwas dagegen haben, mehr von diesen Juwelen lesen zu können. |
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02.09.2011, 22:52 | #8 |
Hi, O.!
Vielen Dank für den Hinweis zur Postinggrenze - wie auch immer, hier hab ich sie sowieso geschickt ausgehebelt! Bücher kannst du jederzeit bei mir bestellen - ich publiziere im Eigenverlag. Die "Lieblingsbilder" sind allerdings nicht dabei - die kommen ins nächste Buch. Ich hoffe, das gilt hier nicht schon als Werbung. Falls es unstatthaft sein sollte, lösche ich diese Antwort gerne wieder. LG, eKy |
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03.09.2011, 01:33 | #9 |
abgemeldet
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Großer Gott, es ist uns hier ein Meister erschienen - das sage ich ohne Ironie oder doppelten Boden. Das ist Dichtung auf allerhöchstem Niveau.
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03.09.2011, 05:59 | #10 |
Hi, Schamanski! (Eine Mischung aus Schamane und Schimanski?)
Oh...jetzt werde ich aber rot - wie unmännlich! Lobt mich bloß nicht zuviel - allzuleicht und gerne hör ich den Lorbeer knistern hinter'm Ohr! Selbstgefälligkeit und Hybris sind eine Kost, der ich nur zu rasch erliege - und sie macht fett und träge... Doch ach wie honigsüß gehen mir deine Worte in die Natur! Mach weiter...lechz! LG, eKy |
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03.09.2011, 08:59 | #11 |
Hallo Erich!
Dein Bilderzyklus lässt mich vor Sprach- und Fassungslosigkeit erbleichen! Ich teile zwar nicht in jedem Fall deinen Geschmack, nichtsdestotrotz ist es dir gelungen, jedem einzelnen dieser Gemälde einen wunderschönen, poetischen Rahmen zu verleihen, und sie damit auf eine sehr intensive, scharfsinnige und wortgewandte Art zu würdigen! |
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03.09.2011, 09:13 | #12 |
oh, oh, welch Genuss, ich kann mich Gesagtem nur anschliessen, die Bilder- zumindest diejenigen, die ich kenne- wurden lebendig vor meinem inneren Auge.
Das ist wahrhaft grossmeisterliche Dichtkunst. sich im Rausche verneigend Jörg |
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03.09.2011, 11:47 | #13 |
abgemeldet
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03.09.2011, 13:15 | #14 |
Hallo, Muse, Joerg, Schamansky!
An letzteren: Tut mir leid, dass ich deinen Nick falsch geschrieben habe - mit "i" hinten - aber schreibt sich die Rolle von Götz George nicht so? An die anderen: Habt Dank für eure wohlwollenden Gedanken! Muse: De gustibus non est disputandum - jedem wird man es nie recht machen, und das ist ja auch nicht Sinn der Sache. Dies ist eine Sammlung MEINER Lieblingsbilder, compris? Joerg: Willkommen in meiner Welt, o Bruder im Rausche! LG, eKy |
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03.09.2011, 13:22 | #15 |
abgemeldet
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03.09.2011, 23:58 | #16 |
Was könnte man sonst hier noch sagen...vielleicht irgendwas zu den GEDICHTEN!??
LG, eKy |
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19.09.2011, 20:30 | #17 |
Lieber Erich,
nach ein paar Wochen Wanderurlaub komme ich zurück und finde deine wunderbaren Sonette auch hier. Ich hatte sie mir bei den Lyrikern kopiert und in meinem Wandergepäck mitgenommen. Ich habe an anderer Stelle schon mal gesagt, was ich bei deinen Dichtungen empfinde und wiederhole es mit den Worten meines Lieblingsdichters Christian Morgenstern: Vor soviel Schönheit schweigt mein tiefstes Lied. Liebe Grüße Fridolin, der eigentlich Friedhelm heißt |
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24.09.2011, 21:55 | #18 |
Hi, F.! (Das wird wohl beiden Nicks gerecht...)
Zunächst mal: Vielen dank für die Blumen! Dass mich jemand als Wanderlektüre dabeihat, ist neu für mich - und eine Ehre! Dieser Zyklus entstand wie im Rausch in 2 "Sitzungen" von je 3-5 Stunden (so genau habe ich nicht auf die Uhr gesehen...), und zwar anhand einiger Abbildungen von Bildern bekannter Maler, die ich schätze und lange Zeit nicht mehr betrachtet hatte! Es überkam mich geradezu, und das nach fast einem halben Jahr ohne nennenswerte Inspiration! Im Augenblick ist wieder eher tote Hose... Schön, auch hier von dir zu hören! LG, eKy |
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