|
|
Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
11.06.2011, 19:13 | #1 |
abgemeldet
|
Skizzen zum ultimaten Abbruch
Jugendsünde von 1985, ich war 15. Zeitgedicht. Ein gewisser van Hoddis-Einfluß wird nicht abgestritten. Einige Passagen daraus finde ich auch heute noch brauchbar.
--- Langsam gerät die Fortpflanzung ins Stocken. Der Lebensborn versiegt der Bundeswehr. Minister, die den Staatshaushalt verzocken, versprechen: Keine Arbeitslosen mehr! Die harren, aufgestellt in der Arena, der wöchentlichen Asylantenschlacht. Dabei stellt die GSG9 die Trainer, in Stiefeln, und auf Ninja aufgemacht. Pol Pot gewinnt in Deutschland erste Wähler. Laut klatschen Börsianer auf Asphalt. Ein Institut sucht hektisch nach dem Fehler. Computer stürzen ab. Es stirbt der Wald. Die Bassdrumdröhnung in den Zappelhallen vernagelt Kinderköpfe auf Beton. Die Mantafahrer finden tote Quallen im Kofferraum und springen vom Balkon. Ein jeder trägt die Magnum fünfundvierzig am Körper und macht auch davon Gebrauch. Man fühlt sich mächtig, man exekutiert sich: Gezielte Schüsse in den Wohlstandsbauch. Die Ratten freun sich, finden das bewegend: die Menschen werden wieder generös! Die letzten vier, fünf Zyniker der Gegend verlieren sich und werden religiös. |
11.06.2011, 21:32 | #2 | |
Ja, der van Hoddis-Einfluss wurde mehr als deutlich. Mensch, hattest du mit 15 einen beeindruckenden Wortschatz! Das ist das politischste Gedicht, das ich seit langem gelesen habe und immernoch zum großen Teil aktuell. Sehr erfrischend!
Zitat:
LG |
||
11.06.2011, 22:40 | #3 |
abgemeldet
|
Hey Schamansky!
Das ist das was ich meinte: Feuer und Leidenschaft! Du hattest so viele Themen, dass du gar nicht wusstest wohin damit! Findest du nicht, dass es Kraft hat? Und es zeigt doch deutlich wie all diese Themen den fünfzehnjährigen Schamanen überfluten, wie er Fakten und Gehörtes, Ansichten und Glauben durcheinanderwirbelt und das alles gleichzeitig äußerst strukturiert! Der freche Geist ist auch schon da. Nur das sezierende Skalpell noch nicht- und das ist gut so! Das ganze ist wie ein grobkörniger Film, man sollte sich ernsthaft überlegen eine solche Grobheit absichtlich einzusetzen, frei nach dem Motto: Kleine Fehler erhöhen die Aufmerksamkeit! Vielleicht ist gar nicht bei jedem Gedicht so ein astreiner Fluss angebracht, vielleicht muss es bei gewissen Themen rumpeln und pumpeln, um ganz einfach dem Inhalt gerecht zu werden. Ich finde, dass das dem vielversprechenden, jungen Talent gelungen ist! Lauter sperrige, verwirrende Themen, die kreuz und quer durch die Gegend posaunt werden, versucht der fünfzehnjährige zu ordnen, einzuordnen, zu schematisieren und zu katalogisieren: In eine Form zu bringen. Und das kann ihm nun mal nicht gelingen. Von daher bleibe ich bei meinem ersten Eindruck und sage: Sie sind der Meinung das war: SPITZE! (Über den Sprung würde sich die alte Dame unter uns beschweren, deswegen lass ich das jetzt mal...) Liebe Grüße Jack |
12.06.2011, 09:03 | #4 |
Du "liest" mich beeindruckt. Zu sollchen Feststellungen wäre ich damals nicht fähig gewesen.
Muse und bekennende Spätentwicklerin! |
|
12.06.2011, 09:27 | #5 |
R.I.P.
|
Nicht verquast, nicht verstiegen.
Deutlich, laut, pulstreibend. Da kann ich nur den Hut ziehen! Thing |
12.06.2011, 10:06 | #6 |
Hallo, Schimansky,
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken. Aber dein Gedicht ist viel besser. Mit 15 -- alle Achtung für den wachen Blick und die griffige Sprache. Die 80ger Jahre wieder zu thematisieren, finde ich gut. LG gummibaum |
|
12.06.2011, 15:56 | #7 |
abgemeldet
|
Es ist mit Sicherheit nicht besser als "Weltende" von Hoddis, sondern ein Versuch, den expressionistischen Reihungsstil zu kopieren. Und mehr noch als als Hoddis stand hier Alfred Lichtenstein Pate.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_D%C3%A4mmerung |
12.06.2011, 17:05 | #8 |
Danke für den Link. Das Kausalgesetz steht dort kopf.
LG gummibaum |
|