|
|
Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
23.03.2011, 17:15 | #1 |
Liebsch mi no?
Mal ein kleines Experiment wie sich Gedichte in Südtiroler Mundart anhören. "St" bitte als "scht" aussprechen (z.B bei ernst). Der Inhalt sei mal dahingestellt.
Südtiroler Mundart: "Liebsch mi no? Du saufsch lei ummer, kimsch spat hoam. I pock des nimmer." "Wos passt dor net? Loss mi in Keit. I bin jo do. Will iatz koan Streit." "I moan jo lei. Bisch nia dahoam, redsch net viel und schreisch mi zom." "Wos willsch iatz hearn? Gib a Rua! I sitz mi nieder und horch dor zua." "Jo sog holt! Liebsch mi no? Sei holt ehrlich und tua net so!" "I lieb di jo. Isch iatz genua? I moan des ernst und gib a Rua!" Übersetzung: "Liebst du mich noch? Du säufst nur rum, kommst spät heim. Ich pack das nicht mehr." "Was passt dir nicht? Lass mich in Frieden. Ich bin ja da. Will jetzt keinen Streit." "Ich mein ja nur. Bist nie Zuhause, redest nicht viel und schreist mich zusammen." "Was willst du jetzt hören? Gib eine Ruhe! Ich setz mich nieder und hör dir zu." "Ja sag doch! Liebst du mich noch? Sei doch ehrlich und tu nicht so!" "Ich lieb dich ja. Ist jetzt genug? Ich mein das ernst und gib eine Ruhe." |
|
23.03.2011, 18:00 | #2 |
abgemeldet
Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884
|
Das ist klasse, in dieser authentischen (soweit ich das beurteilen kann) und lakonischen Art. Typisches Männer-Beziehungsverhalten in typisch-lebensechter Konstellation auf den Punkt gebracht.
Erinnert mich zudem an Truden/Trodena 1987. Die Jugend im Dorf war praktisch dreisprachig: standarddeutsch, italienisch und der örtliche Dialekt. Wenn sie italienisch sprachen, konnte ich noch ungefähr erahnen, worum es ging. Wenn sie in den örtlichen Dialekt verfielen, war es ganz aus. |
23.03.2011, 18:06 | #3 |
abgemeldet
Dabei seit: 07/2010
Beiträge: 1.151
|
Ich liebe Dialekte und ich stimme Schamansky zu, wie Du das typische Verhalten transportierst ist klasse.
|
23.03.2011, 18:09 | #4 |
abgemeldet
Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884
|
Ich muß noch dazu sagen, daß ich erst vor zwei Jahren mit Italienisch angefangen habe.
Für Norddeutsche sind die Südtiroler Dialekte unverständlich, für Bayern und Österreicher wahrscheinlich nicht. |
23.03.2011, 18:14 | #5 |
Danke Schamansky.
Ich finds eigentlich schade, dass Gedichte in Mundart eher Seltenheitswert besitzen (von Saufliedern mal abgesehen). Es ist aber ziemlich schwer den Klang des Dialekts einzufangen, da das "O" z.B wird eher als "Ou" ausgespochen ist aber doch kein "Ou" im eigentlichen Sinn. Ich hab früher mal in der Weinkellerei St. Pauls gearbeitet und hatte jeden Tag mit besoffenen Bauern zu tun. Dies ist ein Loblied an ihre unverkennbare Art. |
|
23.03.2011, 18:22 | #6 |
In Wien muss ich mich Großteils in Hochdeutsch verständigen ansonsten werde ich angestarrt als hätte ich einen Sprachfehler.
Danke Odiumediae, Ich glaube man kann eine solche Beziehungsszene nur in Dialekt naturgetreu darstellen. Dies merkt man auch, wenn man sich die Übersetzung durchliest. Schön, dass das Gedicht gut ankommt. Ich werde in Zukunft Weitere schreiben. Back to the roots |
|
23.03.2011, 18:56 | #7 |
R.I.P.
|
Halli Hallo , KoKo (darf ich abkürzen??) -
ich finde das Original originell. Da ich etliche Jahre im alemannischen Sprachraum lebte, konnte ich recht gut "übertragen". Aus persönlichem Mithören kenne ich das "Hosch mi noch lieb?" - "Dös woisch doch, was frogscht!" als ernst gemeint. Lediglich weiblich/männlich schien mir oft seitenverkehrt zu sein. Da war ich bereits auf Seiten der emanzipierten Frauen. Glunga! Thing |
23.03.2011, 19:35 | #8 |
Hallo Thing,
natürlich darfst du abkürzen. Die Problematik bezüglich der emanzipierten Frau ist mir Anfangs auch aufgefallen. Das Gedicht spiegelt eher die Zustände wieder, wie sie zur Zeit meiner Großeltern waren. Von Emanzipation war man damals weit entfernt. MfG, KoKo Chanel |
|
23.03.2011, 19:41 | #9 |
abgemeldet
Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884
|
Da gibt es folgende Szene:
Er: Hab ich Dir eigentlich jemals gesagt, daß ich Dich liebe?Männer sind so. Die nächste Liebeserklärung kriegt sie dann in ein paar Jahren. (Vorausgesetzt, sie will solange warten.) |
23.03.2011, 19:48 | #10 |
hahaha,
absolut köstlich. Erinnert mich an meinen Vater, der ist auch ziemlich kühl. http://www.youtube.com/watch?v=nhFgcLDlIr0 Kleine Sprachschule: Südtirolerisch leichtgemacht. |
|
23.03.2011, 20:37 | #11 |
Forumsleitung
|
Ich habe gerade in einem Buch über die Geschichte der deutschen Sprache gelesen, daß im späteren Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit die deutsche "Hochsprache" (also die Dialekte der südlichen Länder) immer weiter nach Norden drängte. Zwar hielten die Leute, die niederdeutsche Dialekte sprachen, noch eisern an diesen fest; doch weil Martin Luther sich bei seiner Bibelübersetzung stark an den hochdeutschen Dialekten orientierte, klangverwandte Wörter aussuchte und zudem viele eigene Neuschöpfungen beisteuerte (einige Wörter entnahm er aber durchaus den niederdeutschen Dialekten), setzte sich das neue "Hochdeutsch" immer mehr durch. Die Erfindung der Buchdruckerkunst tat das ihre, Luthers Sprache zu verbreiten, so daß die niederdeutschen Dialekte schließlich nur noch als eben dies galten: Dialekte.
Wußte ich bisher nicht, woher die Bezeichnung "Hochdeutsch" kommt. Ich dachte immer, das habe etwas mit dem "richtigen" Deutsch zu tun; daß es sich einmal auf bestimmte Regionen bezog, war mir neu. Übrigens: Ich finde das Gedicht sehr entspannend. Mundart kann richtig gut tun. LG Ilka-M. |
23.03.2011, 20:55 | #12 |
Danke Ilka-Maria,
Ich glaube der Südtiroler Dialekt gehört, wie viele andere Österreichische Dialekte zum Bairischen. Die Frage die ich mir nun stelle ist ob man auch anspruchsvollere Gedichte in Dialekt schreiben kann? Ich hab die Vermutung, dass man recht schnell an seine Grenzen stößt. MfG KoKomo |
|
23.03.2011, 22:10 | #13 | |
Forumsleitung
|
Zitat:
Ich bleib beim roten Kalifornier. Zum Gruß! |
|
23.03.2011, 23:05 | #14 |
Das mit den regionale Einfärbungen kann mitunter zum Problem werden.
Ein weiteres Problem ist, dass im Südtirolerischen das Präteritum keine Verwendung findet, nur das Perfekt wird benutzt. Texte, welche in die Vergangenheit zielen wirken somit sehr plump. "Ich ging" wird immer zum "I bin gongen" Prosa kann ich mir somit schon mal nicht vorstellen, das würde sich wie ein Tagebucheintrag lesen. |
|
24.03.2011, 06:34 | #15 |
Forumsleitung
|
Wo soll das Problem sein? Bevor es die deutsche Einheitssprache gab, wurde alles in den Dialekten geschrieben - ging doch!
Vielleicht ist es aber auch einfach nur ein Vorteil, pommersche und bayerische Großeltern sowie einen südhessischen Vater gehabt zu haben und dazu mit einem Unterfranken verheiratet gewesen zu sein. Dazu kommt, daß Offenbach stark französisch geprägt ist und die Einheimischen deshalb viele Nasallaute verwenden. Abber verstanne hat des Gebabbel bisher jedder. |