Der Mädchenhaarzopf formt sich zur Schleife
Noch nie zuvor habe ich mich mit einer Erinnerung so ausführlich befasst, und dies soll denn auch das letzte Mal sein, dass ich hier darüber rede, denn alles, an dem man lange herum kaut, muss man irgendwann schlucken, dann bleibt davon vielleicht noch ein bisschen Magenweh zurück, in schlimmeren Fällen Herzweh. Oder man spuckt das Unverdauliche aus und stochert darin mit etwas herum, das man im Notfall für den Finger Gottes hält. So weit möchte ich nicht gehen, sondern die sich mir erhellenden Konsequenzen auf den Tisch legen. So kurschlussanfällig sie auch immer erscheinen mögen.
Je mehr ich mich nämlich bemühte, Licht in die verschlungenen Zusammenhänge meiner Erinnerungen an die erste amouröse Begegnung mit einem weiblichen Wesen zu bringen und schließlich versuchte, eine Brücke zu meiner heutigen Gegenwart zu bauen, desto deutlicher glaubte ich, wenigstens ihre Konturen zu erkennen, die ein Netzwerk von Konstellationen und Abhängigkeiten zu einem Bild rahmen, das jenem von Sternzeichen gleicht, die auf den ersten Blick wie im Nachthimmel erstarrte Bälle eines begabten Jongleurs die Welt umkreisen. Was da als verzauberter Moment in astrologischer Verspieltheit an mir vorbeizog, fügte sich zusehends in die reale Kartographie meines Lebens als Mann. Dieser traurige, wechselhaft abnehmende und zunehmende durch die Nacht streichende Mond sah sich von funkelnden Sternen umgeben, die manchmal täuschend ähnliche Schleifen zogen, manchmal ganz woanders um nicht klar erkennbaren Fixpunkte kreisten. Um es weniger pathetisch zu sagen: Es waren Lockvögel, Lockbieter, Lockspeisen, Salz-, Pfeffer- und Zuckerstreuer zugleich.
Auch wenn es auf den ersten Blick an den Haaren herbeigezogen scheint, musste ich darin die Matrize für mein endoplasmatisches Retikulum sehen, denn so habe ich es mir schon immer gewünscht: am Zopf ziehen, ihre Augen auf mich ziehen, sie an der Zunge in mich hinein ziehen, und sie blickt mich dabei an, mit dieser Sanftmut in den Augen, auf die ich mich verlassen kann, was immer ich mit ihr anstelle. In der Umarmung, umschlungen und Wange an Wange zu wissen, dass sie auch so schaut, wenn ich ihre Augen gar nicht sehen kann.
Bis zu der Nacht, in der ich zum ersten Mal spürte, dass der Spross zwischen meinen Beinen fast beliebig und in kürzester Zeit wachsen und wie auf Kommando soldatisch stramm stehen konnte und der sehnlichst erwartete Fruchtschleim sich fast von selbst über meine Schenkel ergoss, empfand ich mich hilflos ausgegliedert, wenn die ersten Hupzeichen des Verlangens mir im Kopf herum schwirrten und keinen Ausweg fanden, in den sie hätten einspuren können. Nun formten sie sich zu einer Melodie, eurhythmisch, euphorisch, manchmal espenlaubig dem ersten Takt entgegen zitternd. Noch wusste ich nicht, dass dieser Spross nur ein einziges Mal in einem anderen Leben Blüten werfen würde, mein eigenes jedoch mindestens zur Hälfte bestimmen sollte und bis zum heutigen Tag -und wohl noch darüber hinaus als schweres Gewicht auf der restlichen Hälfte liegen bleibt.
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