Brief an einen alten Freund
Es waren einmal wir. Du hast mich gesehen, gehört, gefühlt, verstanden, es hat dich interessiert! Wir teilten eine Bindung und konnten uns so leicht verstehen. Wir schlichen uns nachts raus wenn wir nicht schlafen konnten und trafen uns unter den Sternen, um stundenlang zu reden, zusammen spazieren zu gehen, uns gegenseitig aufzuheitern oder einfach nur da zu sein. Es war so gut, ohne Scham über unsere Dämonen sprechen zu können oder zu viel erklären zu müssen. Deine tröstenden Umarmungen manchmal fühlten sich beruhigend an. Es bedeutete die Welt, dass du mir vertraut hast. Wir teilten unsere Geheimnisse weil wir wussten, dass alles unter uns blieb. Ich hatte immer Angst, jemandem so zu vertrauen, weil es zu oft zu verletzend war, aber du schienst wirklich zu mir zu stehen.
Es gab diese Phasen, in denen du plötzlich für mich verschwunden warst. Oft, wenn es dir gerade besser ging. Da war diese andere Dynamik die ich spürte, wenn du mich plötzlich wie eine flüchtige Bekannte behandeltest der du gelegentlich in deiner Nachbarschaft über den Weg läufst. Ich habe sie alle akzeptiert und mich dennoch aus der Ferne für dich gefreut. Ich wagte es, mich in unserer Freundschaft sicher zu fühlen und dachte, dass sie tief genug war. Ich habe darauf vertraut, dass du zumindest dann zu mir kamst, wenn es dir schlechter ging und mich für dich da sein ließt. Ich schüttelte diese Phasen ab, auch wenn sie weh taten. Aber es schien, als wäre ich nur gut genug um diese besondere Freundin für dich zu sein, wenn dir danach war.
Dann kam diese eine Nacht, in der es dir so schlecht ging, dass ich mir ernsthafte Sorgen gemacht hatte und weshalb ich noch einmal mit dir darüber reden hätte müssen. Nicht um dich zu belehren, sondern um dich besser zu verstehen. Aber dieses Gespräch gab es nie. Ich musste lernen, dass ich dir nicht wichtig genug und unsere Freundschaft nicht genug wert war. Ich bin jetzt wirklich nur noch wie eine Bekannte. Ich vermisse dich/unsere Freundschaft, es tut immer noch so weh. Obwohl ich weiß, dass ich es nicht verdient habe so behandelt oder ignoriert zu werden. Aber ich wünschte immer noch, ich würde dir mehr bedeuten.
Auch gemeinsame Wege können sich einmal trennen und gemeinsame Lebensabschnitte oder Lebensphasen können eben genau nur dies sein: Abschnitte und Phasen. Alles ist ok, das ist das Leben. Nur manchmal bleiben offene Fragen zurück, Unausgesprochenes und es werden Lücken hinterlassen, die dann eben eine Leere bilden, die spürbar ist. Ein Buch klappt man doch eigentlich auch nicht zu, kurz bevor man es zu Ende gelesen hat.
~M~
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