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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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13.12.2017, 23:21 | #1 |
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Schnee von gestern
Wohin mein Auge schweift, erblicke ich nur Matsch,
was gestern blütenweiß, von jedem Makel rein, ist heute grauschattiert wie ödes Mondgestein und manchmal braungefärbt wie British Christmas Fudge. Wie alles Schöne stirbt beim ersten Wimpernschlag gibt sich die Illusion den Wärmegraden hin, zerschmilzt der trübe Matsch mitsamt des Hunds Urin und schminkt sich das Gesicht für einen neuen Tag. Der Flocken waren viel in meinem langen Leben, und nicht die reinste blieb von jenem Dreck verschont, den Gottes Wille uns zur Prüfung aufgegeben, der jedem Winkel dieses Daseins innewohnt, doch mich nicht hindern kann, nach Kostbarkeit zu streben und dran zu glauben, dass sich langer Atem lohnt. 13.12.2017 |
13.12.2017, 23:29 | #2 |
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Hallo Ilka
sehr schönes Sonett. Lässt sich sehr fließend lesen, ist super sequenziert und durchdacht. Die These und Antithese funktionieren wunderbar - Kompliment! Was ich kritisiere: es kommt zu oft "matsch" vor. Das "Fudge" tut dem nichts Gutes... "zerschmilzt der trübe Matsch mitsamt des Hunds Urin". Spätestens in dieser Zeile hätte ich es ausgetauscht. gursky |
13.12.2017, 23:38 | #3 |
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Danke, Gursky.
Mache bitte Verbesserungsvorschläge. Genau diese Stellen sind auch meine neuralgischen Punkte, aber beim Nachdenken über andere Formulierungen ist mir das Gehirn weich wie eine überreife Birne geworden, und jetzt bedarf es dringend einer Wiedergeburt. Spaß beiseite ... Es ist die Crux der deutschen Sprache, dass sich auf viele Wörter partout nichts oder nur sehr wenig reimt (und wenn, passt es meistens semantisch nicht). Was das "Fudge" betrifft, dachte ich erst, ich könnte das Gedicht im homoresken Bereich ansiedeln, aber das ging dann mit der Form (Sonett) nicht mehr, zumal ich mich im Anfangston an einen klassischen Dichter angelehnt habe. Alles nicht so einfach. LG Ilka |
13.12.2017, 23:54 | #4 |
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Wohin mein Auge schweift, erblicke ich nur Schande,
was gestern blütenweiß, von jedem Makel rein, ist heute grauschattiert wie ödes Mondgestein und manchmal braun wie Schlamm am Straßenrande. Nicht die gleiche Semantik, hast dafür aber weibliche Kadenzen. Vielleicht ein netter Kompromiss? Auch, wenn der direkte Bezug zum "Schneematsch" etwas flöten geht. Und der Matsch in der zweiten Strophe könnte dann auch bleiben. |
14.12.2017, 00:21 | #5 |
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Ich wollte aber den Matsch. Schande ist etwas ganz anderes, nämlich moralisch besetzt. Matsch ist aber nichts anderes als Dreck.
Ich weiß nicht, weshalb wir im Deutschen ein so großes Problem mit Wiederholungen haben. In meinem nicht gerade kurzen Gedicht kommt das Wort zweimal vor. Na und? Das verstärkt doch nur, worum es geht: Matsch, Dreck, Schlamm, Unrat, Modder usw. In der angelsächsischen Welt ist das umgekehrt, da sind Wiederholungen und Doppelungen beinahe Pflicht, damit der letzte Depp beim Lesen den Faden nicht verliert ... na ja, salopp ausgedrückt. Wir kleben an dem Schuldeutsch, das uns literarisch völlig ungebildete Lehrer beigebracht haben: Suhlt euch in Adjektiven wie die Schweine im Morast und vermeidet Wiederholungen wie die Holzhammerschläge auf den Hinterkopf! Ich halte das für falsch. Und je mehr ich mich mit Fremdsprachen beschäftige, umso mehr finde ich mich darin bestätigt. |
14.12.2017, 00:38 | #6 |
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Da hast Du schon vollkommen recht.
Die Zeilen Deines Gedichtes sind von subtiler aber warmer Poesie durchzogen und getragen. Worte, wie: mondgestein, wimpernschlag, wärmegrade etc. Durchaus, so finde ich, wohnt in deinem Gedicht sehr viel Moral inne. Wieso den Dreck und den Pamps unmoralisch lassen? Auch wenn das vielleicht kein zentraler Impetus deinerseits ist. So macht sich doch der Leser immer seine eigenen Gedanken zu dem was er geboten bekommt. Denn was hat Gott mit Dreck zu tun, wenn dieser nicht im Sinne einer Übertragung des Sinnes steht? Der in jedem Winkel des Daseins wohnt? Ja, Dreck ist überall. Wenn Matsch aber nicht moralisch ist, wieso dann der Gottesbezug? Denkst Du, den Matsch kümmert es, ob es Gott gibt? Dann ist Matsch nicht nur Matsch. Dann wird der Matsch auch zum Ekel, zur Überdrüssigkeit. Als habest Du eine bestimmte Sorte von Mensch einfach leid oder vielleicht hast du auch einfach nur Leid leid. Whatever, egal wie mans auslegt. Vielleicht ist es auch ein guter Kontrast zwischen Poesie und einem Wort, was in seinem Klang sprachlich "linkisch" klingt. Genauso wie "öde". Vielleicht macht es sogar Sinn, es mehrmals zu verwenden, nämlich als sprachliches Mittel. Bitte nicht falsch verstehen - Du kannst wirklich sehr gut schreiben, das ist keine Kritik. Was mich an Matsch stört, ist wie das Wort klingt. Es klingt einfach nicht poetisch und dann wird es auch noch wiederholt. Das Wort ist einfach purer Dreck und naja... Irgendwie passt es dann doch. |
14.12.2017, 00:47 | #7 | |
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Zitat:
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14.12.2017, 00:52 | #8 |
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Also doch moralisch, Du Rebell! :-)
Als könnten sich Verstand und Herz nicht einigen :P Ich les bei Dir mal rein die Tage... Gute Nacht! gursky |
14.12.2017, 20:29 | #9 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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zerschmilzt der trübe Matsch mitsamt des Hunds Urin - wie wäre es mit dem Wort "Modder", das zwar dialektgefärbt ist, aber genau diesen Matsch benennt.
zerschmilzt der trübe Modder samt des Hunds Urin Gruß, Heinz |
14.12.2017, 21:02 | #10 | |
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Zitat:
Aber wie du gerade sehen kannst, kommen beim Austausch der Ideen neue Möglichkeiten hervor. Deshalb: dicken Dank. Mit Wiederholungen, wenn sie nicht übertrieben werden, stehe ich übrigens nicht auf Kriegsfuß. |
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