Sommertag
Sommertag
Es ist ein heißer Sommernachmittag. Aus wolkenlosem Himmel fällt gleißend helles Sonnenlicht zur Erde herab. Sie gehen im Schatten majestätischer Baumkronen am Ufer eines weiten Sees entlang. Der Wind kräuselt ihn in blaugrünem Schimmer und rauscht leise durchs Schilf und das Blattwerk des luftigen Waldes. Sie trägt ein buntes Kleid und zieht ihre Sandaletten aus, um barfuß im seichten Wasser oder auf dem weichen Sand zu spazieren. Ein warmes Lächeln leuchtet in ihrem Gesicht auf, wenn sie sich ihm zuwendet. Er schaut sie an, und ihre sanften Augen erwidern zärtlich seine Blicke. Manchmal zieht sie ihn lachend zur Seite, wenn kleine Frösche des Weges hüpfen, oder ein schwerfälliger Salamander über den Boden wandelt. Als er einen aufgehebt, berührt sie neugierig und seltsam fasziniert die lederne Haut. Sie nimmt das Geschöpf in die Hand, setzt es jedoch beim Anblick des hilflosen Beineruderns sogleich auf die Erde zurück, so furchterregend glaubt sie zu sein.
An einem kleinen moosbewachsenen Hang angekommen, lassen sie sich nieder und schauen veträumt in das Himmelsgewölbe über sich. Versunken in diesem Anblick, umschlingt sie ihn wie vom Eindruck überwältigt, ins hellblaue Nichts gezogen zu werden. Im Gefühl tiefer Verbundenheit und Nähe schließt sie ihre Augen und fällt in einen leichten Schlaf. Ihre friedliche Schönheit elektrisiert ihn und raubt ihm fast den Atem. Als sie erwacht und um sich blickt, erfüllt ihn ein herzzerreißendes Entzücken ob der rührend zerbrechlichen Aura eines aus süßen Träumen erweckten Engels. –
Zerrissenen Herzens liegt er da, und grausam packt sie das Bewusstsein seiner hoffnungslosen Lage. Entsetzt umfaßt und drückt sie ihn an sich, bohrt sich im Schmerz die Fingernägel in die Hände. Sinnlos greift sie Herumliegendes vom Boden und schleudert es verzweifelt durch die Luft. Ihre Versuche, ihn zu beleben, lösen sich in Tränen auf, die er schon nicht spürt. –
Der winzige Pfeilgiftfrosch aber kann nichts von alledem begreifen. Er weiß nicht um ihre Liebe. Nicht, warum er aus seiner tropischen Heimat verschleppt, zwischen Glaswänden eingesperrt und dann in einer fremdartigen Umgebung sich selbst überlassen wurde. Und auch nicht, von dumpfem Sturz geschüttelt, warum das Leben aus ihr weicht, deren unglücklich unschuldige, blutende Hand ihn soeben fast zerquetscht hätte.
dmd
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