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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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07.02.2012, 11:35 | #1 |
Zwischen den Reihen
Wir hatten uns darauf geeinigt im vorderen Mittelfeld zu laufen.
Das hielten wir meistens so. Lu konnte dadurch vorne mit dabei sein falls Action war, Tim hatte alles im Blick, Anna konnte sich zurückhalten und mir war sowieso egal wo wir gingen, hauptsache mit dabei. Wir reihten uns also ein. Zwischen all den schwarz gekleideten Personen bildeten wir, zusammen mit zwei anderen, so etwa die sechste oder siebte Reihe. Ich zog mir meinen Schal tiefer ins Gesicht. Jemand vor mir flüsterte etwas lauter: "Kamera" und deutete nach rechts vorne. Ich drehte mich weg. Bis die Letzten begriffen hatten, dass da gerade jemand Fotos schoss, hatte der Journalist schon auf den Auslöser gedrückt. Ich hörte ein leises Fluchen hinter mir, ein Mädchen hatte es nicht geschafft ihren Schal rechtzeitig hochzuziehen. Sie war jetzt auf dem Foto zu erkennen. Nun ja, wahrscheinlich bekam sie deshalb dennoch nichts angehängt, aber sicher sein konnte man sich nie. Ich dachte an Sepp, dem vorgeworfen wird, einen Böller aus einer Demo heraus geworfen zu haben, in dessen Folge ein Beamter ein Knalltrauma erlitten habe. Sepp war es nicht gewesen. Aber das war egal. Er war der einzige gewesen den man auf den Fotos hinterher hatte identifizieren können und es brauchte einen Sündenbock. Der Zug setzte sich in Bewegung. Vor uns liefen Polizisten Spalier. Hinter uns und an den Seiten genauso. Ihre Hände hatten sich jetzt schon an den Tonfas. Sie waren auf alles vorbereitet. Ich bekam gleich ein ungutes Gefühl, wie die meisten anderen auch. Unruhe machte sich breit, als dann die ersten Beamten mit Pfefferspray rechts und links von uns auftauchten. Wachsam gingen sie neben uns her, als würden sie nur darauf warten uns das Zeug ins Gesicht zu pusten. Mir war klar, dass dem nicht so war. Sie hatten selbst Angst. Aber das, soviel hatte ich gelernt, war die beste Voraussetzung für Aggressionen. Es ging nur langsam voran. Ein paar Rufe kamen von irgendwo hinter mir: "Hoch die Anti-nationale Solidarität" schallte es an meine Ohren. Ich stimmte mit ein. Es beruhigte irgendwie. Meine Stimme ging allerdings unter zwischen all den Anderen. Ich wurde etwas lauter. Dann ein Knall zu meiner Linken. Alles verstummte. Aus den Augenwinkeln hatte ich gesehen wie etwas nach außerhalb der Demo flog. Es war Pyrotechnik gewesen. Nichts Schlimmes also. Dennoch hielten wir den Atem an. Es konnte das Tüpfelchen auf dem i sein. Der Grund wieso die Gewalt eskalierte. Die Polizei blieb ruhig. Gerade so. Außer ein paar bösen Blicken ernteten wir nichts. Erleichterung machte sich breit als klar wurde, dass die Beamten nicht reagierten. Der Zug, der zum Stehen gekommen war, setzte sich wieder in Bewegung. Von vorne kam die Aufforderung, das mit der Pyrotechnik bitte zu lassen. Keiner wollte niedergeknüppelt werden oder Pfeffer abbekommen. Etwa fünf Minuten später, mitten in: "Alerta, Alerta, Antifascista" der nächste Knall. "Verdammte Sch****, lasst das!" rief jemand hinter mir. Ich drehte mich um und sah wie, etwa vier Reihen weiter, ein Mädchen sich mit jemandem stritt. Inzwischen aber etwas leiser, sodass ich sie nicht verstehen konnte. Ich wandte mich wieder dem Geschehen vor mir zu. Die Polizei hatte uns inzwischen angehalten. Die Hände der Beamten umklammerten ihre Knüppel nun schon etwas fester. Sie wirkten angespannt. Wir waren es ebenso. Inzwischen hatten wir uns eingehakt. Tim, der das Seitentranspi hielt, hatte es etwas höher gezogen. Etwa so wie man ein Schild anhebt, möchte man sich vor dem nächsten Schwerthieb schützen. In Erwartung irgendwelcher Repressionen duckte ich mich leicht runter. Es konnte jeden Moment anfangen. Aufmerksam beobachtete ich die Polizisten. Einer sprach etwas in sein Funkgerät. Die Hände der anderen lockerten ihren Griff um die Tonfas. Ich atmete hörbar aus. Es flog keine weitere Pyro. Einige Momente später ging es dann auch weiter. Ich sah die Häuserreihen an uns vorbei ziehen, schaulustige Personen aus den Fenstern starren, darunter ein paar böse dreinblickende alte Herren, und einige Kraniche am Himmel gen Süden ziehen. Sie kümmert das ganze Geschehen hier unter nicht. schoss es mir durch den Kopf. Sie schweben über den Dingen. Lu stieß mich an und zeigte mit dem Kopf hinter uns. "Zwei Reihen weiter, der Typ mit der Brille. Zivi." Ich nickte und blickte verstohlen hinter mich. Als ich ihn entdeckt hatte, gab ich die Information an Tim weiter. Der grinste mich nur an: "Ich weiß." Noch einmal lugte ich misstrauisch nach hinten, widmete mich dann aber wieder dem was vor mir geschah. Jemand hatte ein Bengalofeuer gezündet und hielt es nun hoch, über das Seitentranspi hinaus. Ich erkannte die Person, die sich hinter dem schwarzen Kappu verbarg und nun das Feuer etwas theatralisch in die Höhe hielt, und musste unwillkürlich lächeln. Man mochte meinen, es handele sich um irgendeinen männlich sozioalisierten Macker, aber dem war nicht so. In Wirklichkeit war SIE ein sehr liebenswerter, hilfbereiter Mensch, die oft gemeinsam mit anderen kochte und für ihr Leben gerne tanzte. Eine ihrer Dreads lugte unter der Kapuze hervor, ansonsten war die wilde Frisur darunter nur zu erahnen. Ich dachte, wie vielfältig wir doch waren, und wie einseitig die Welt uns sah. Wir erreichten den Kundgebungsort. Die Reihen lösten sich auf und nachdem auch die Letzten sich ihre veganen Burger am Imbissstand geholt hatten, war jegliche Anspannung verschwunden. Die Stimmung heiter bis ausgelassen. Alles war gut gegangen. Diesmal. |
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07.02.2012, 18:27 | #2 |
*namen sind geändert, ereignisse aus verschiedenen erfahrungen zusammengesetzt
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08.02.2012, 22:06 | #3 |
sry leute! merke gerade dass ich das ganze ja unter gedichte gepostet habe... kann man das hier irgendwo verschieben?
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