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06.11.2022, 23:05 | #1 |
Der Held
Bernd arbeitete seit sieben Jahren als Krankenpfleger im Universitätsklinikum Jena. Er liebte seinen Beruf. Nie hatte er sich vorstellen können, z.B BWL oder etwas in der Richtung zu studieren. Er wollte wirklich etwas bewirken, Menschen helfen, abends das Gefühl haben in der Welt einen Unterschied gemacht zu haben.
Jetzt saß er in der Kantine und genoss seine Kohlroulade. Theresia hatte sich neben ihn gesetzt, obwohl noch fast alle Plätze frei gewesen waren. Außerechnet sie, die heißeste Krankenpflegerin in der ganzen Klinik. "Das hättest du dir vor zwei Jahren auch noch nicht vorstellen können, nicht wahr?", sagte er sich. Aber viel war in der letzten Zeit geschehen. Bernd war jetzt ein Held. Jeder in der Klinik kannte seinen Namen. Schon als Kind hatte er davon geträumt, Superheld zu sein, den Menschen zu helfen und von allen gefeiert und respektiert zu werden. Die Realität hatte allerdings meist anders ausgesehen. Er sah einfach nicht aus, wie man sich einen Superhelden vorstellte. Er war klein und schmächtig und nach den geltenden Maßstäben auch nicht sonderlich schön. Zudem war er früher, bevor er ein Held geworden war, sehr schüchtern gewesen. Die Mädchen hatten ihn nicht mit Bewunderung, sondern eher mit Belustigung angeblickt. Und dann im Juni letzten Jahres hatte sich für ihn doch die Möglichkeit ergeben, sich zu beweisen. Es allen zu zeigen. Eine Patientin hatte einen Herzstillstand gehabt und nur dank seines Einsatzes hatte sie überlebt. Die Ärzte sagten, sie hätten noch nie jemanden gesehen, der so gut und souverän eine Wiederbelebung durchgeführt hatte. Das waren Zeiten damals. So stolz war er in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen. Endlich war er jemand. Die ganzen Kollegen und vor allem die Kolleginnen behandelten ihn jetzt ganz anders. Also zumindest für einige Zeit. Nach ein paar Wochen schienen seine Kollegen den Vorfall langsam wieder zu vergessen und zum Alltag zurückzukehren. Die bewundernden Blicke waren ausgeblieben und oft hatte er in der Kantine dann wieder alleine essen müssen. Für Bernd hatte sich das damals angefühlt, als sei er aus einem warmen Bad einfach ausgekippt worden. Doch dann wendete die Sache sich zu seinen Gunsten. Plötzlich gab es auf seiner Station mehr Herztote als je zuvor. Und immer, wenn es einen neuen Fall gab, wussten die Leute, wen sie rufen würden. Nämlich ihn, das Wiederbelebungs-Genie . Die meisten von ihnen hatte er retten können, nämlich 128, und das war das schönste Gefühl der Welt. Einige waren sicher auch gestorben, um genau zu sein 74, aber das war unvermeidbar, bei manchen Fällen half selbst die optimale Wiederbelebung nichts mehr. Und jetzt war er wieder ein Jemand, ganz ohne Zweifel. Er war der unumstrittene König der Reanimation. Noch nie in seinem Leben war Bernd so aufrecht gelaufen, hatte mit so fester Stimme gesprochen und so schlagfertige, oft lustige Antworten geben können. Für ihn hatte sich Alles zum Guten entwickelt. Um 16:00 Uhr begann seine Schicht. Seine erste Patientin heute war Frau Yilmaz. Er betrat ihr Zimmer, nachdem er geklopft und drei Sekunden abgewartet hatte. "Guten Nachmittag, Frau Yilmaz, wie geht es Ihnen heute. Ich hoffe das Mittagessen hat gut geschmeckt?", fragte er herzlich. Während die Frau sich im Bett aufrichtete, bereitete er die Injektionslösung vor. "Ja, hat geschmeckt", antworte diese wie immer einsilbig. Frau Yilmaz war eine ältere Türkin mit Kopftuch und , besonders Männern gegenüber, sehr zurückhaltend. "Super, freut mich. Dann geb ich Ihnen jetzt noch ihre Injektion. Ist nur ein ganz kleiner Piekser. Machen sie die Hände mal zur Faust". Er band ihren Oberarm ab, um das Blut zu stauen ,desinfiszierte eine Stelle in ihrer Ellenbeuge und stach die Nadel vorsichtig aber zügig in die Vene. Dann drückte er mit gleichmäßiger Geschwindigkeit die Injektionslösung in Frau Yilmaz Unterarm. "So, schon geschehen", sagte er tröstend. Er blieb einige Sekunden neben ihrem Bett stehen. Dann sank Frau Yilmaz, wie von ihm erwartet, in sich zusammen. "Now, it's showtime" flüsterte Bernd und krempelte sich die Ärmel hoch |
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07.11.2022, 08:06 | #2 | |
Hallo Eziotar,
mal ganz allgemein: Du hast es geschafft, dass ich deine Geschichten gespannt erwarte und das ist toll. Du hast einen einen Erzählstil, der mich anspricht, und hier bist du auch bei einer Sache geblieben. Jetzt speziell zu dieser Geschichte: Zitat:
Ab da war dann auch zu erwarten, wie es weiter geht... LG DieSilbermöwe |
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07.11.2022, 11:21 | #3 | |
Forumsleitung
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Zitat:
sorry, dass ich wieder am Meckern bin. Wenn du eine Geschichte so beginnst wie in obigem Zitat, werden die meisten zunächst Interessierten spätestens nach den ersten drei Sätzen gähnen und abwinken. Sie sind in ihrer Banalität und langweiligen Formulierung klassisch für einen Anfänger. Außerdem: Abkürzungen wie "z.B." und "BWL" sollten in einem literarischen Text vermieden werden. Also bitte ausschreiben. Was ist eigentlich wichtig an einer Kohlroulade, dass sie erwähnt werden muss? Ist sie das Lieblingsessen des Protagonisten? Oder hat sich die Qualität des Kantinenessens gebessert, weil ein neuer Koch angestellt wurde? Ein Ausdruck wie "genoss seine Kohlroulade" ist ein bisschen wenig, da sollte man etwas mehr Handlung reinbringen. Warum muss Theresia am Anfang erwähnt werden, obwohl sie danach in der Geschichte keine Rolle mehr spielt? Wenn von der "heißesten" Krankenpflegerin die Rede ist, erwartet der Leser eine Liebesgeschichte oder ein Drama, in dem Bernd und Theresia im Mittelpunkt stehen. Du hast also einen falschen Köder ausgelegt, der den Leser enttäuschen muss. Weiter unten in deinem Text schreibst du über 128 Herzstillstände und 74 an Herzstillstand verstorbene Patienten. Auf einer einzigen Station? In einem Zeitraum von wenigen Monaten, wenn man sich das in einem Zeitbezug zum "Juni letzten Jahres" vorstellt? Hast du recherchiert, ob solche Zahlen selbst in einer riesigen Klinik plausibel sind? Und zwar bezogen auf einen einzigen Pfleger, der gerade dann im Dienst gewesen ist, wenn jemandem das Herz versagt hat? In einer Klinik laufen zudem genügend Ärzte herum, die genauso gut erste Hilfe leisten könnten, und ich bin mir nicht sicher, ob man nicht lieber gleich einen Arzt gerufen hätte. Weiterhin ist die Rede davon, Bernd sei "jetzt ein Held". Weiter unten in der Geschichte scheint jedoch die Ursache seines Heldentums in Vergessenheit zu geraten. Trotzdem wird er aber immer wieder im Notfall zu Wiederbelebungsmaßnahmen geholt. Das sind lauter Widersprüche. Auf die Wortwahl ist zu achten. Es ist unglücklich ausgedrückt, "wirklich etwas bewirken" zu wollen. Im Grunde ist diese Geschichte gar keine Geschichte, sondern nur der erweiterte Steckbrief eines passionierten Krankenpflegers: Name: Bernd; Beruf: Krankenpfleger mit sieben Jahren Berufserfahrung und besonders talentiert für Wiederbelebungsmaßnahmen; Lieblingsessen: Kohlroulade; Verdienste: 74 Herzpatienten nach Herzstillstand wiederbelebt. Anders ausgedrückt: Du beschreibst die Person Bernd, aber du zeigst sie nicht durch ihr Handeln. Ein guter Einstieg in eine Geschichte ist, sie z.B. mit einer Aktion oder einem Dialog beginnen zu lassen anstatt mit einer faden Beschreibung. Ohnehin müssen nicht alle Details (sieben Jahre im Beruf, an einem Studium nicht interessiert usw.) gleich zu Beginn verraten werden, das kann später an passender Stelle erwähnt werden. Dagegen sollte man Handlung und Set ausführlicher beschreiben, um einen Spannungsbogen und Atmosphäre zu schaffen. Beispiel:
Das ist nur ein Beispiel, um meine Ausführungen deutlicher zu machen, statt nur zu theorisieren. Natürlich kann der Text auch ganz anders geschrieben werden. Man könnte ihn auch mit einem Rückblick auf den dramatischen Einsatz beginnen, der Bernd in der Klinik zum Gesprächsthema gemacht hat und zeigt, wie sehr er seinem Beruf, eigentlich schon eine Passion, verbunden ist. Bei solchen Rückblicken könnte man den Text sogar im Präsens schreiben, um die Dramatik hervorzuheben. Nach der Aktionsdarstellung schreibt man dann im Präteritum weiter. Als ich mit dem Schreiben anfing, hatte ich zur Übung oft verschiedene Versionen der gleichen Story geschrieben, mal mit geändertem Handlungsablauf, mal aus wechselnden Perspektiven. Dabei kann man eine Menge lernen, und ich kann nur empfehlen, das auch mal auszuprobieren. Besten Gruß Ilka |
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07.11.2022, 19:06 | #4 |
Vielen Dank
Vielen Dank euch beiden für eure Rückmeldung! Danke besonders an Ilka-Maria. Toll wie viel Mühe du dir machst! Besonders deinen alternativen Anfang fand ich sehr hilfreich! Ich werde in Zukunft versuchen eure Vorschläge zu berücksichtigen und hoffe, dass euch meine nächsten Geschichten besser gefallen.
Gruß Eziotar |
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07.11.2022, 20:14 | #5 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Ich vermute, dass du dir für deine Geschichten keinen "Fahrplan" (Ideensammlung/Mind Mapping, Synopsys, Exposé, Treatment) machst, sondern ein Drauflosschreiber bist. Da hat jeder Autor seine eigenen Methoden. Erstere nennt man "Plotter", letztere "Pantsers". Bei Kurzgeschichten mache ich es meistens wie ein Pantser und schreibe drauflos. Aber bei längerer Prosa - Novellen, Erzählungen, Romanen - empfiehlt es sich, zumindest ein Exposé anzufertigen, an man sich entlanghangeln kann, weil man weniger Gefahr läuft, sich zu verzetteln oder völlig von der Ursprungsidee abzuweichen. Schönen Abend und weiterhin viel Spaß am Schreiben. Ilka |
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08.11.2022, 22:05 | #6 |
Bin ich der Einzige, dem das Ende der Geschichte irgendwie etwas seltsam, um nicht zu sagen suspekt, vorkommt..?..
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10.11.2022, 16:14 | #7 |
Hey
Was kommt dir denn am Ende der Geschichte so suspekt vor?
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10.11.2022, 17:49 | #8 |
Forumsleitung
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Du kannst das Ende in deinem Sinne kommentieren. Ich habe den Anfang unter die Lupe genommen und meine Sicht dargestellt, aber es kann nicht meine Aufgabe sein, die Story bis zum Ende zu anlysieren und zu kommentieren.
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10.11.2022, 21:27 | #9 |
10.11.2022, 21:40 | #10 |
Forumsleitung
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Das reicht nicht, Kurt. Erkläre, warum.
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10.11.2022, 22:26 | #11 |
Die mögliche Frage wäre: Legt es der Protagonist bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf an, als der (Titel)-Held zu erscheinen?
Ich beziehe mich jetzt nur auf den Endtext: Er krempelt nach der misslungenen Infusion [sic!] immerhin die Ärmel hoch, um sich mit einem markigen Spruch einer weiteren Heldentat zu widmen. Dies, liebe Ilka-Maria, hatte mich leicht irritiert. |
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10.11.2022, 22:40 | #12 |
Hi
Hi Kurt.
Die Pointe der Geschichte ist, dass Bernd sich seine Heldentaten selbst schafft. Die Infusion war durchaus nicht misslungen. Es war seine Absicht, dass die Frau dadurch einen Herzstillstand erleidet. |
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