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Theorie und Dichterlatein Ratschläge und theoretisches Wissen rund um das Schreiben. |
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29.09.2007, 19:53 | #1 |
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660
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Nachkriegszeit
Ich beschäftige mich zur Zeit mit der Zeit nach 1945
und den Menschen, die den Krieg mitgemacht und überlebt haben. Es soll um Soldaten gehen, die nun Heim kehren. Würde mich reizen zu erfahren, wie die Zeilen auf den Einen oder Anderen wirken... Sie hängen überall, auf Stühlen und Bänken. Vor Türen, die geschlossen bleiben und in einem Wartesaal. Sie sind überall hingehängt über Stühle und Tische. Sie hängen in ihren Kleidern und in ihrer eigenen Haut. Sind Gespenster die nun wieder einmal Mensch spielen dürfen. Preis gegeben sich und der Haut von der sie die Naht nicht entdecken... Sie hängen nebeneinander an einem Tisch und finden sich nicht. Gott war garnicht da oder eben Gesichtslos und ohne Ohren. Ihr Geschrei war im Kanonendonner einfach so, mal wieder festgefroren... Das Schreien kam nirgends an weil ein Gott ohne Ohren niemals hören kann. |
29.09.2007, 20:22 | #2 |
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 114
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Hallo Jeanny,
auf mich wirken die Zeilen irgendwie, entschuldige bitte, harmlos, unwichtig. Ich frage mich zum Beispiel, warum du "hängen" benutzt, und wenn es dir wichtig erscheint, warum schreibst du es dann so oft, dass es mehr als nur redundant wirkt. Das Gespenster wieder Mensch spielen dürfen und Gott weder Ohren noch ein Gesicht hat scheint mir dabei auch nicht neu, und erst recht nicht erwähnenswert. Insofern erweckt dein Text keinerlei Emotionen in mir, zumindest nicht jene, die du mit deinem Gedicht wahrscheinlich erreichen willst. LG Violett |
29.09.2007, 20:35 | #3 |
Dabei seit: 04/2005
Ort: Berlin
Alter: 38
Beiträge: 732
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Hallo Jeanny,
Auf mich wirken die Zeilen so, als hättest du dich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt und würdest jetzt versuchen, dich hineinzuversetzen - was leider nicht sonderlich gut gelingt. Der Vorwurf an Gott kam nach dem Krieg oft. Aber ich glaube an den freien Willen des Menschen. Und vor allem: Wir sind nicht mehr direkt nach dem Krieg. So, nun konkret zum Text. Die Sache mit dem "hängen" ist eine schöne Idee, allerdings hast du sie überreizt. Hilfreich wäre es hier, wenn du für das "hängen" noch andere Worte finden würdest. In der ersten Strophe sind die letzten zwei Zeilen überflüssig - das verstärkt nicht, weil es klanglich nicht in die Strophe passt. In der zweiten Strophe betrifft dies eher die ersten zwei Zeilen. Für die dritte Strophe ersteinmal der schöne Merksatz "Gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben." Die Auslassungszeichen sind hier, ebenso wie in der zweiten Strophe auch, fehl am Platze. Allerdings sind beide Formulierungen vorher durchaus geglückt. Insbesondere die aus Strophe zwei gefällt mir. Die letzten zwei Zeilen solltest du gnadenlos streichen. Das ist einer dieser Abschlüsse, die dem Leser das Gefühl vermitteln, der Autor hielte sie für dumm. Ich bin so frei und formuliere um: Sie hängen überall, auf Stühlen und auf Bänken, vor Türen, die geschlossen bleiben in einem [alten/kalten?] Wartesaal. Sie kleben in ihren Kleidern, als hätten sie kein Zuhaus', sind Gespenter nur noch die gerne Menschen wären: Preis gegeben sich und der Haut von der sie die Naht nicht entdecken. Ihr Geschrei war im Kanonendonner einfach so, für immer festgefroren. Ist wie immer nur ein Vorschlag, keine "Idealvariante". Gruß, Ravna |
30.09.2007, 13:59 | #4 |
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660
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RE: Nachkriegszeit
Hallo violett cherry, hallo ravna,
ich dank Euch für die Kommentare und muß zugeben, daß ich noch nicht richtig weiter gekommen bin. Das "hängen" sollte eigentlich ausdrücken, daß diese Menschen nicht mehr sitzen oder laufen oder gehen, sondern nur noch hängen im Sein. Werd heut Nachmittag in der Natur noch mal dran arbeiten. Vielleicht hilft ja das Wetter... L.G. Jeanny |
02.10.2007, 18:50 | #5 | ||
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 17
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RE: Nachkriegszeit
Zitat:
Zitat:
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02.10.2007, 19:49 | #6 |
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660
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RE: Nachkriegszeit
Hallo Cado,
ich habe mich in letzter Zeit mit Wolfgang Borcherts Gesamtwerk beschäftigt und daraus Anreize in mir angesammelt, um das Thema Nachkriegszeit anzusprechen. Meiner Meinung nach haben Menschen, die durch einen sinnlosen Krieg gehen müssen und ihresgleichen töten sollen um selbst zu überleben, viele menschliche Aspekte abgelegt. Die ständige Angst ums Überleben und das ewige Erleben von töten rings um sie, macht viele dieser Leute seelenlos (meine Meinung). Für die gibt es nichts mehr, verstehst Du, die haben zu viel gesehen und zu wenig bekommen um sich daran festhalten zu können. Der Bezug zu sich selbst ist ihnen verloren gegangen in irgendeiner Ecke Dreck oder im Notwehrerschiessen eines anderen. Sie haben nach "Gott" gefleht, gebettelt und gewartet und nichts wurde besser... Als Einige von ihnen nach dem überlebten Krieg dann "Heim" kamen, war auch da nicht mehr viel von dem, was sie verliessen vorhanden und so starteten sie in eine Reise nach "Nirgendwo", weil sie nicht wußten, wohin mit sich selbst... Ich bin der Meinung, daß solche Menschen zuerst den Glauben an sich selbst verlieren und dann- irgendwann auch an Gott. Vielleicht versehst Du jetzt, was ich meine, wenn nicht, können wir ja weiter darüber debattieren. L.G. Jeanny |