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26.07.2007, 22:01 | #1 |
Mama, ich will Autor werden
Mama, ich will Autor werden
„Mama. Ich will später mal Autor werden.“ Mit großen, erwartungsvollen Augen sah Anja ihre Mutter an. Ein neunjähriges Mädchen, das ihre größten Hoffnungen und Träume mit ihrer Mutter teilen wollte. „Autor zu sein ist doch kein Beruf.“, sagte diese bloß. Anjas Herz bekam einen Knick. Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. Sie war sich sicher, ihre Mutter würde sie umarmen vor Freude. Immerhin hatte sie das getan, als Anja ihr voller stolz ihr erstes “Werk“ gezeigt hatte. „Doch!“, sagte Anja trotzig. „Natürlich ist das ein Beruf. In dem Buch, das ich grad’ lese steht, dass der Autor das beruflich macht!“ Wieder dieser erwartungsvolle Blick. “Aber Anja“, sagte die Mutter zu dem neunjährigen Mädchen. „Nur die wenigsten Autoren schreiben beruflich. Du würdest das sicher nicht schaffen. Denk’ doch mal an die vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler, die du immer machst.“ „Ich stelle mir halt jemanden ein, der die Fehler verbessert.“, erwiderte sie. Vor ihrem inneren Auge entwickelte sich ein Bild - Sie steht als Erwachsene in der Mitte eines Raumes und diktiert laut ihre Ideen. Mehrere Menschen sitzen um sie herum, schreiben die Sätze auf und verbessern dabei ihre Grammatikfehler - Anja konnte sich bei der Vorstellung ein Lächeln nicht verkneifen. Wie glücklich sie dann sein würde ... „Das ist doch Quatsch!“, holte ihre Mutter sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Jemand der schlecht in Rechtschreibung ist, kann nicht Autor werden.“ „Natürlich kann man das!“, schrie Anja, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Doch in ihrem Zimmer wurde Anja klar, dass ihre Mutter recht hatte. Sie weinte. Und mit dem Traum starb auch ein Teil von ihrem Herzen. |
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26.07.2007, 22:07 | #2 |
Das finde ich gut.
Sehr realistisch. So sind Eltern nun mal. Ich hab meinen auch gesagt dass ich vor habe Autorin zu werden und die meinten dann: "Das ist brotlose Kunst, da verdient man nichts. Du musst eine Lehre machen." Ja. Tja und meine Oma wollte mir weiß machen, man bräuchte sogar Mathe für jeden Beruf : "Tja, ohne Mathe kannste auch keine Autorin oder Journalistin werden, du musst ausrechnen wieviele Seiten dir zur Verfügung stehen!" ( welche ein Quatsch). Ich kann das gut nachvollziehen was du da geschrieben hast. |
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26.07.2007, 22:26 | #3 |
komsich... bei mir zuhause bin ich diejenige die von selber das flennen kriegt, wenn sie mal wieder merkt, dass es niemals wirklich klappen wird...
dann werde ich immer damit getröstet, dass man ja auch wissenschaftliche arbeiten publizieren kann ( dass es nicht das ist, was ich unbedingt will wird geflissenlich ignoriert...) trotzdem sehr schön, und sehr wahr was sollte die mutter auch amchen? ihre tochter anlügen? engelsgruß, lichtel |
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26.07.2007, 22:33 | #4 |
Das mit dem Teil vom Herzen sterben ist vielleicht etwas übertrieben, aber das macht eigentlich nichts. Es zeigt ja wie empfindlich man in diesen Alter ist und wie leicht man von soetwas geknickt werden kann.
Es ist aber auch symbolisch dafür, wie niemand mehr etwas für seine Träume riskiert und lieber auf Nummer sicher geht. Es zeigt eine Gesellschaft die, die Jugend nicht ermutert sondern ermahnt und ist vielleicht ein Sinnbild für Deutschland... |
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27.07.2007, 10:43 | #5 | |
Hi Lyrika, hi lichtelbin, hi störfaktor,
danke für eure Kritiken @ störfaktor: Zitat:
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27.07.2007, 11:01 | #6 | |
RE: Mama, ich will Autor werden
wenn etwas sinnbild für deutschland sein soll, dann das hier:
Zitat:
an diesem punkt wird der beruf autorin abstrahiert. jede x-beliebige tätigkeit eines abteilungschefs könnte damit beschrieben werden. und das entfremdete subjekt gefangen in jenen denkstrukturen: wenn ich schon unter mama knecht sein muss, will ich später selbst knechten. grüße klimmbimm |
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27.07.2007, 11:08 | #7 |
Hmm, interessante Idee. So hatte ich es nur leider nicht gemeint.
Eigentlich sollte diese kleine Szene Anjas Kreativität und Verträumtheit ausdrücken. Sie ist ja erst neun. Sie ist schlecht in Rechtschreibung und sucht nach wegen, wie sie trotzdem Autorin werden kann. Na ja, und da beginnt ihre Kreativität zu blühen... Obwohl deine Idee auch sehr interessant ist. Immerhin sind es mehrere, die sie korrigieren, obwohl eine Person gereicht hätte... Blue_Sunshine |
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27.07.2007, 11:15 | #8 | |
Zitat:
mal ehrlich, es ist doch wenig kreativ wenn der traumberuf davon handelt, dass ideen diktiert werden. dann ist der traumberuf eben nicht "autorin", sondern "diktatorin". und das ist auch alles andere als verträumt, sondern findet sich real in jedem angestelltenverhältnis wieder. |
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27.07.2007, 11:22 | #9 |
Nein, der Traumberuf handelt nicht davon zu diktieren. Anja will schreiben, nur sie kann eben die Rechtschreibung und Grammatik nicht.
Obwohl deine Idee natürlich ein guter Interpretationsansatz ist, dem ich auf jeden Fall zustimmen würde, wenn ich es nicht selbst geschrieben hätte, und wüsste, was ich ausdrücken wollte. Blue_Sunshine =) |
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27.07.2007, 12:48 | #10 |
anhand deines textes kann ich jedoch nicht wissen, dass du weißt was du ausdrücken wolltest. ich bezweifle nicht, dass du eine intention hattest, nur ob dir der ausdruck dazu gelungen ist, das bezweifle ich. warum hältst du so sehr an deiner funktion des autors fest?
meine interpretation war kein beispiel fürs falschverstehen. ich denke ich konnte zeigen, wie der wunsch des kleinen mädchens autor zu werden im traum eine abstraktion erfahren hat und das bloße machtverhältnis zwischen herr und knecht offenlegt. diesen ansatz finde ich wesentlich interssanter als diese plumpe und pseudohafte mythenzerstörung. |
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27.07.2007, 12:59 | #11 | ||
Zitat:
Zitat:
Aber ich habe deine Interpretation auch gar nicht als Fehlinterpretation bezeichnet. Ich meinte lediglich, dass es von mir nicht beabsichtigt war. Ich denke auch, dass deine Interpretation in Punkto Gesellschaftskritik meiner Interpratation einiges voraus hat. Also bitte fühle dich nicht angegriffen: Ich finde deinen Interpretationsansatz gut. Blue_Sunshine |
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08.08.2007, 17:32 | #12 | |
Zitat:
Eine völlig andere Situation stellt sich natürlich dar, wenn das "Kind" schon 15, 16, 17 ist. Den Text selbst hätte ich für mich hauptsächlich aus pädagogischen Gesichtspunkten interpretiert, wobei ich die Idee von Klimmbimm auch richtig stark finde. Die Mutter hat aus ihrer Sorge, was mit der Tochter in der Zukunft werden möge, keinen Blick mehr für die Bedürfnisse ihres Kindes. Diese Art, dem Kind die Träume zu zertrampeln, finde ich schrecklich. Leider wird am Ende alles wieder so rationalisiert. Da steht zwar, dass ein Teil ihres Herzens stirbt (was ich persönlich etwas zu schmalzig formuliert finde), aber die Einsicht in die Realität gibt dem Leser nicht unbedingt das Gefühl, die Mutter habe etwas Falsches getan. Grüße Struppi |
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08.08.2007, 18:08 | #13 |
Mir hat das Thema der Geschichte gut gefallen. Es ist wichtig seinen Träumen zu folgen. Hierzu empfehle ich den Film "Das Streben nach Glück" nur so nebenbei. Die Umsätzung kann man besser machen. Du hast sehr viel wörtliche Anrede verwendet und wenig Gedanken des Mädchens untergebracht. In der Dramaturgie einer Geschichte ist es wichtig die Athmosphäre zu spüren als auch hinein und hinaus geführt zu werden. Trotzdem habe ich gut einsteigen und gut aussteigen können was aber vielleicht daran liegt, dass die Thematik hier vertraut ist.
@ Klimmbimm: Wenn du lange genug suchst findest du in fast jedem Text etwas, dass du ganz anders verstehen kannst wenn du es willst. Dein Thema ist durchaus interessant, verfehlt aber das Thema dieser Geschichte und ist daher für den Leser dieser Geschichte völlig uninteressant. |
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08.08.2007, 18:15 | #14 | ||
Zitat:
Zitat:
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08.08.2007, 18:32 | #15 |
Hallo Blue Sunshine,
ich kann die Kritik an diesem Ende gut nachvollziehen. Es ist aber nicht sprachlich ungeschickter, sondern macht so einen gewaltigen inhaltlichen und zeitlichen Sprung, dass es einfach unpassend wirkt, sich nicht ganz in den Rest einfügen kann. Das Weglassen dieser Textstelle führt zu einer völlig anderen Wirkung auf den Leser und war vielleicht nicht unbedingt die beste Lösung. Man könnte stattdessen z.B. die Geschichte in zwei Abschnitte teilen. Der eine zeigt die Vergangenheit mit dem kleinen neunjährigen Mädchen. Der andere greift die Situation aus der Zukunft des Mädchens auf, als sie Erfolg hat und ihre Mutter mit diesen letzten Worten abweisen muss. Wichtig dabei ist, diese zweite Situation auch eine Situation sein zu lassen und nicht komprimiert die Geschehnisse der letzten Jahre zu berichten. Das muss anders dargestellt werden - durch Gespräche, durch Gedanken in dieser konkreten Situation. Die Zeit darf nicht wieder so rennen, das Ende nicht zu einem Tatsachenbericht verkommen. Grüße Struppi |
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08.08.2007, 18:59 | #16 |
Die Geschichte ist traurig. Ich bin dafür Kindern und Erwachsenen ihre Träume zu lassen. Im Leben nicht, würde ich meinem Kind die Träume stehlen. Manchmal werden sie Wirklichkeit.
Ich sehe auch keinen verwerflichen Denkansatz bei dem Mädchen, als es sagt, sie würde dann eben jemanden haben, der ihre Texte korrigiert. Phantasie und Rechtschreibung sind doch zwei Paar Schuhe. @sozialklimmbimm, hier trägst du wieder deinem Hang, die Dinge zu verkomplizieren, Rechnung. Das Kind, bzw. die Autorin hat "diktatorische" Ziele...nun gut, dann müßte ja auch jeder Anwalt seine Briefe selbst abtippen. Oder wollen wir soweit gehen und alle Anwälte o.ä.Diktatoren nennen? Meiner Meinung mal wieder sehr "gewollt" dieser Denkansatz. |
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08.08.2007, 20:31 | #17 | |
@morefun: Ja. die Geschichte ist traurig. Und ich würde meinen (noch ungeborenen) Kindern auch niemals ihre Träume stehlen wollen. Doch in der Realität ist es eben so, dass es durchaus Eltern gibt, die so handeln. Sie wollen, dass ihre Kinder Ärzte oder Anwälte oder so werden und bemerken nicht, wie unglücklich das ihre Kinder macht. Und Berufswünsche wie Schriftsteller, Schauspieler oder Sänger werden Kindern oft ausgeredet. Und mit dieser Geschichte will ich genau das kritisieren.
@Struppigel: Ja, vielleicht sollte ich die Geschichte wirklich noch einmal völlig neu überarbeiten. Es würde sich lohnen, denn ich finde sie gerade von der Thematik ziemlich interessant. Mein Problem ist aber, dass ich noch nicht genau weiß, wie ich das anstellen soll. Vielleicht den Schluss am Anfang der Geschichte (man müsste ihn natürlich noch etwas ändern): Zitat:
Blue_Sunshine |
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08.08.2007, 22:17 | #18 |
So, hier ist eine vorläufige Neufassung. Ein Versuch. Wie findet ihr es?
Mama, ich will Autor werden Anjas Gesicht verfinsterte sich beim Anblick der blonden Frau, die auf der Parkbank saß. Eigentlich wäre Anja lieber umgekehrt. Sie hasste diese Frau. Doch sie ging weiter. Ein starker Windstoß spielte mit Anjas dunkelblondem Haar. Der Wind gab ihr Mut. Ihr war, als wäre der Wind ein stiller Begleiter, der ihre Hand hielt. Das Gekreische der Kinder, die auf dem Spielplatz herum tollten, hörte Anja kaum. Sie dachte nur an diese Frau und das, was sie selbst erlebt und erreicht hatte. Die Frau lächelte sie an und winkte ihr von weitem zu. Nur mit viel Mühe gelang es ihr, das Lächeln zu erwidern. 'Immer schön die Fassade aufrecht erhalten', dachte sie bitter. Die Fassade stand nun schon seit zwanzig Jahren. Warum Anja sie noch erhalten wollte, wusste sie selbst nicht. Vielleicht wegen einem letzten Funken Hoffnung, dass sich die Dinge zwischen ihr und ihrer Mutter doch noch besserten? 'Nein, das ist unmöglich.', dachte Anja. Der Grund lag wohl eher an Anjas Charakter. Sie konnte es nur schwer ertragen jemandem weh zu tun. „Hallo, Mutter.“, sagte Anja und reichte ihrer Mutter die Hand. „Hallo, mein Schätzchen. Sag' schon, wie geht es dir?“ „Ganz okay.“, erwiderte Anja kühl. Die beiden sahen sich schweigend an. „Ich habe dich schon ewig nicht mehr gesehen. Du siehst toll aus. Irgendwie so frisch und jung.“ Anjas Mutter streichelte Anja über die Wange. Anja zuckte zurück und drehte sich weg. In der Ferne ertönte das Kreischen einer Krähe. Anja sah ihrer Mutter nun tief in die Augen. „Mutter, ich will dir was sagen...“ Anja holte tief Luft. „Ich habe einen Roman veröffentlicht. Unter einem Pseudonym. Er hat sich schon eine halbe Millionen mal verkauft.“ Anjas Bauch tat einen Hüpfer. 'Hah!', dachte sie 'Damit hast du wohl nicht gerechnet!' „Aber das ist ja wunderbar mein Schatz! Wie schön. Wolltest du das nicht schon als Kind machen? Siehst du, ich habe doch gesagt das du das schaffst.“ Anja sah ihre Mutter entsetzt an. „Nein, Mutter.“, sagte sie. Dann drehte sie sich um und ging. „Mama, ich will später mal Autor werden.“, hatte Anja ihrer Mutter voll Stolz gesagt: Ihre haselnussbraunen Augen sahen ihre Mutter erwartungsvoll an. Sie war neun und hatte in diesen Satz ihre größten Hoffnungen und Träume gelegt. „Autor zu sein ist doch kein Beruf.“, erwiderte ihre Mutter bloß. Anjas Herz bekam einen Knick. Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. Sie war sich sicher, ihre Mutter würde sie umarmen vor Freude. Immerhin hatte sie das getan, als Anja ihr voller Stolz ihr erstes „Werk“ gezeigt hatte. „Doch!“, sagte Anja trotzig. „Natürlich ist das ein Beruf. In dem Buch, das ich grad lese, steht, dass der Autor das beruflich macht!“ Wieder dieser erwartungsvolle Blick. „Aber Anja“, sagte die Mutter zu dem neunjährigen Mädchen. „Nur die wenigsten Autoren schreiben beruflich. Du würdest das sicher nicht schaffen. Denk' doch an all die Rechtschreib- und Grammatikfehler, die du immer machst.“ „Ich stelle mir halt jemanden ein, der diese Fehler verbessert.“ erwiderte sie. Vor ihrem inneren Auge entwickelte sich ein Bild – Sie steht als Erwachsene in der Mitte eines Raumes und diktiert laut ihre Ideen. Mehrere Menschen sitzen um sie herum, schreiben mit und verbessern dabei ihre Grammatikfehler – Anja konnte sich bei der Vorstellung ein Lächeln nicht verkneifen. Wie glücklich sie dann sein würde... „Das ist doch Quatsch!“, holte sie ihre Mutter wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Jemand, der schlecht in Rechtschreibung ist, kann nicht Autor werden.“ „Natürlich kann man das!“, schrie Anja, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Ihre Mutter konnte sagen, was sie wollte. Anja würde ihren Traum nicht aufgeben. Sie würde kämpfen. Wenn nötig, würde die den ganzen Duden auswendig lernen. Und mit etwas Glück würde sie es irgendwann vielleicht schaffen... |
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09.08.2007, 21:28 | #19 |
Hallo Blue_Sunshine.
Das ist eine gute Lösung, wie ich meine. Ich war erst etwas skeptisch, ob die Umkehrung (erst Zukunft, dann Vergangenheit) nicht die Spannung wegnehmen würde. Aber es funktioniert trotzdem. Mich persönlich stört inhaltlich nur eine Sache. Die Distanz zwischen Mutter und Tochter ist so groß, dass sie unmöglich von diesem einen Ereignis herrühren könnte. Da dieses Ereignis aber im Vordergrund stehen soll, erscheint mir die beschriebene Distanz zu übergewichtet. Ich will damit sagen: Natürlich kann es sein, dass dieses Ereignis nur eine einzige Facette darstellt, die zu der schlechten Beziehung geführt hat. Da dieses Ereignis aber im Vordergrund stehen soll und nicht die schlechte Beziehung an sich, halte ich diese enorme Distanz für unangebracht und würde sie - wäre es meine Geschichte - nicht auf die gesamte Beziehung, sondern nur auf das Berufsthema ausbreiten, also nur einen Bereich der Beziehung als gestört darstellen. Grüße Struppi |
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11.08.2007, 11:40 | #20 |
So, habe den Logikfehler behoben. Jetzt wird explizit erklärt, warum Anja ihre Mutter so sehr hasst:
Mama, ich will Autor werden Anjas Gesicht verfinsterte sich beim Anblick der blonden Frau, die auf der Parkbank saß. Eigentlich wäre sie lieber umgekehrt. Sie hasste diese Frau. Doch sie ging weiter. Ein starker Windstoß spielte mit Anjas dunkelblondem Haar. Der Wind gab ihr Mut. Ihr war, als wäre der Wind ein stiller Begleiter, der ihre Hand hielt. Das Gekreische der Kinder, die auf dem Spielplatz herum tollten, hörte sie kaum. Sie dachte nur an diese Frau und das, was sie selbst erlebt und erreicht hatte. Die Frau lächelte sie an und winkte ihr von weitem zu. Nur mit viel Mühe gelang es Anja, das Lächeln zu erwidern. 'Immer schön die Fassade aufrecht erhalten', dachte sie bitter. Die Fassade stand nun schon seit zwanzig Jahren. Warum Anja sie noch erhalten wollte, wusste sie selbst nicht. Vielleicht wegen einem letzten Funken Hoffnung, dass sich die Dinge zwischen ihr und ihrer Mutter doch noch besserten? 'Nein, das ist unmöglich.' „Hallo, Mutter.“, sagte sie und reichte ihrer Mutter die Hand. „Hallo, mein Schätzchen. Sag' schon, wie geht es dir?“ „Ganz okay.“, erwiderte Anja kühl. Die beiden sahen sich schweigend an. Anja dachte, an all das was ihr Mutter ihr angetan hatte. Anja war ein freiheitsliebender Mensch. Sie wollte immer ihren eigenen Weg gehen. Ihre Mutter hatte das nie verstanden. Sie gehörten dem gehobenen Mittelstand an. Anjas Mutter hatte einen Ruf zu verlieren. Ihre Tochter – ein Nichtsnutz? Das kam für sie nicht in Frage! Anja wusste das. Und sie hatte das Spiel mitgespielt. Gegen ihren eigenen Willen hatte sie Jura studiert und war sogar eine sehr erfolgreiche Staatsanwältin geworden. Doch glücklich war sie nie gewesen. Nicht, seit diesem Tag vor zwanzig Jahren... Als Anja dann gekündigt hatte, um heimlich ihrer wahren Leidenschaft nachzugehen, war das für ihre Mutter ein schwerer Schlag. Doch tat sie so, als würde es ihr nichts ausmachen, um die Zuneigung ihrer Tochter nicht ganz zu verlieren. „Du siehst toll aus. Irgendwie so frisch und jung.“ Anjas Mutter streichelte ihr über die Wange. Diese zuckte zurück und drehte sich weg. In der Ferne ertönte das Kreischen einer Krähe. Anja sah ihrer Mutter nun tief in die Augen. „Ich will dir was sagen...“ Anja holte tief Luft. „Ich habe einen Roman veröffentlicht. Unter einem Pseudonym. Er hat sich schon eine halbe Millionen mal verkauft.“ Anjas Bauch tat einen Hüpfer. 'Hah!', dachte sie 'Damit hast du wohl nicht gerechnet!' „Aber das ist ja wunderbar mein Schatz! Wie schön. Wolltest du das nicht schon als Kind machen? Siehst du, ich habe doch gesagt das du das schaffst.“ Anja sah ihre Mutter entsetzt an. „Nein, hast du nicht.“, sagte sie. Dann drehte sie sich um und ging. „Mama, ich will später mal Autor werden.“, hatte Anja ihrer Mutter voll Stolz gesagt: Ihre haselnussbraunen Augen sahen ihre Mutter erwartungsvoll an. Sie war neun und hatte in diesen Satz ihre größten Hoffnungen und Träume gelegt. „Autor zu sein ist doch kein Beruf.“, erwiderte ihre Mutter bloß. Anjas Herz bekam einen Knick. Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. Sie war sich sicher, ihre Mutter würde sie umarmen vor Freude. Immerhin hatte sie das getan, als sie ihr voller Stolz ihr erstes „Werk“ gezeigt hatte. „Doch!“, sagte Anja trotzig. „Natürlich ist das ein Beruf. In dem Buch, das ich grad lese, steht, dass der Autor das beruflich macht!“ Wieder dieser erwartungsvolle Blick. „Aber Anja“, sagte die Mutter zu dem neunjährigen Mädchen. „Nur die wenigsten Autoren schreiben beruflich. Du würdest das sicher nicht schaffen. Denk' doch an all die Rechtschreib- und Grammatikfehler, die du immer machst.“ „Ich stelle mir halt jemanden ein, der diese Fehler verbessert.“, erwiderte sie. Vor ihrem inneren Auge entwickelte sich ein Bild – Sie steht als Erwachsene in der Mitte eines Raumes und diktiert laut ihre Ideen. Mehrere Menschen sitzen um sie herum, schreiben mit und verbessern dabei ihre Grammatikfehler – Anja konnte sich bei der Vorstellung ein Lächeln nicht verkneifen. Wie glücklich sie dann sein würde... „Das ist doch Quatsch!“, holte sie ihre Mutter wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Jemand, der schlecht in Rechtschreibung ist, kann nicht Autor werden.“ „Natürlich kann man das!“, schrie Anja, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Ihre Mutter konnte sagen, was sie wollte. Anja würde ihren Traum nicht aufgeben. Sie würde kämpfen. Wenn nötig, würde die den ganzen Duden auswendig lernen. Und mit etwas Glück würde sie es irgendwann vielleicht schaffen... |
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11.08.2007, 11:58 | #21 |
Und wieder muss ich sagen: Du hast es anders gelöst als ich es getan hätte, aber es funktioniert prima. Obwohl die Distanz die gesamte Beziehung zu der Mutter betrifft, wird das Augenmerk doch auf die Zerstörung der Kinderträume gelenkt und das alte Dilemma, dass viele Eltern die Kinder gern für ihre eigenen Träume missbrauchen und in ihre Richtungen drängen, anstatt sie auf dem Weg der Kinder zu begleiten. Gäbe es diesen :up: Smiley (nach oben zeigender Daumen) noch, würde ich ihn jetzt nutzen.
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11.08.2007, 16:23 | #22 |
Danke Freut mich sehr, dass dir die überarbeitete Version gefällt. Ich denke, das wird auch die Endfassung sein. Danke nochmal für eure konstruktive Kritik und eure Hilfe.
Blue_Sunshine =) |
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