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Theorie und Dichterlatein Ratschläge und theoretisches Wissen rund um das Schreiben. |
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21.01.2011, 20:33 | #1 |
Dabei seit: 01/2011
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Beiträge: 39
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Roman-Jargon - Simpel oder Komplex?
Heyho Leutchen =)
Ich hätte da mal eine für mich sehr wichtige Frage an euch. Wenn ihr mal wieder nach neuem Futter für eure Lese-Nerven sucht, und ihr euch mit einem herausgepickten Buch etwas näher beschäftigt, wie sehr gewichtet ihr die Schreibweise im Hinblick auf Einfachheit bzw. Ausdrucksstärke. Ich gebe euch mal ein Beispiel, damit ihr wisst was ich meine. Welcher dieser beiden Sätze wäre für euch angenehmer zu lesen, und inwiefern würdet ihr es gut finden, wenn ein ganzes Buch in einem dieser beiden Stile verfasst ist: SIMPEL: "Er nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und hauchte eine sich kräuselnde Dampfwolke aus." KOMPLEX: "Sichtlich zufrieden zog er genüsslich an seinem schrumpfenden Glimmstängel, lehnte den Schädel zurück und hauchte eine dämonisch wabernde Gaswolke gen Himmelszelt, die sich bedrohlich auftürmte und schließlich verblasste." Das war jetzt mal nur ein spontan erdachtes Beispiel. Ich hoffe ihr könnt meiner Intension folgen =) Ist das Komplexe zu anstrengend zu lesen, oder kommt ihm die gesteigerte Abwechslung zu Gute? Was denkt ihr? |
21.01.2011, 21:06 | #2 |
R.I.P.
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Weder noch.
Aber wenn schon, dann die knappere Form. Als Beispiel für schlechten Stil taugen beide! Thing |
21.01.2011, 21:23 | #3 |
Dabei seit: 01/2011
Ort: Gera
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Also wenn man schon meckert, dann wenigstens eine bessere Alternative aufzeigen ;D
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21.01.2011, 21:26 | #4 |
R.I.P.
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D a s war ja nicht verlangt!
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21.01.2011, 21:28 | #5 |
Dabei seit: 01/2011
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Beiträge: 39
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Uuuuh ganz geschickt rausgeschlängelt hat er sich da! =D
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21.01.2011, 22:11 | #6 | |
Forumsleitung
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Zitat:
"Er zog an der Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und hauchte eine Dampfwolke aus." Das bringt es auf den Punkt. Wen interessiert es schon, ob der Zug tief ist, ob sich die Dampfwolke kräuselt oder kringelt, in Dampf auflöst, durch die Gegend haucht, gen Himmel strebt oder von der Zigarette losgelassen zu Boden fällt: Jeder stellt sich doch unter einer Dampfwolke etwas Eigenes vor und muß nicht noch draufgehoben werden. Auf die zweite Variante gehe ich erst gar nicht ein - zu mariniert. |
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21.01.2011, 22:22 | #7 |
R.I.P.
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Mariniert ist gut - sauer eingelegt!
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21.01.2011, 22:31 | #8 |
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Beides ist in Ordnung, wenn es gekonnt gemacht wird. Hemingwaysche Kürze oder die Satzbaukunst eines Thomas Mann. Es muß aber immer konsequent und einem Guß sein. Nicht einmal so und einmal so.
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21.01.2011, 22:34 | #9 |
R.I.P.
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Ich fürchte, weder Hemingway noch Thomas Mann (er schon gar nicht!) könnten sich mit einer der Formen anfreunden.
Was das Rauchen angeht: Thomas Mann hat das im Zauberberg köstlich beschrieben! |
21.01.2011, 22:52 | #10 |
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Es ist Raum für beides: konzis-reduzierten Stil (Beispiel Hemingway) und ziselierte Prosakunst (Beispiel Thomas Mann). Beides an seinem Ort.
Der Zauberberg hat etwas. Ein Lungensanatorium ohne Rauchverbot. |
26.01.2011, 17:39 | #11 |
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Die Frage ist schwer zu beantworten, zumal ich selbst einen starken Hang zur Hypotaxe habe. Außerdem kommt es auf die Stimmung und Atmosphäre an. Die Themen und Gedanken, die Hemingway in seinen Werken transportiert, sähen im Schreibstil Thomas Manns albern aus, umgekehrt wäre Thomas Manns Stil die Parataxe nicht besonders zuträglich – auch wenn seine Werke dann vielleicht leichter zu lesen wären.
Am besten kann man die Wirkungen von Satzlänge und Satzbau (Atmosphäre und Betonung) in Stilübungen verfolgen. Schreibe eine triste Kurzgeschichte und du wirst merken, dass kurze Sätze die Geschichte glaubhafter machen, während Werke, die viele verschiedene, sich vielleicht überschneidende oder einander widersprechen Gedanken übertragen sollen, zumeist eher von der Hypotaxe profitieren können. Dazu kommt noch, dass zu viele Adjektive, besonders, wenn sie teilweise Synonyme voneinander sind, den Stil irgendwie billig, da unnötig aufgebläht erscheinen lassen. |
26.01.2011, 21:30 | #12 |
R.I.P.
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Meine Kurzgeschichten (siehe dort) schreibe ich auch in einem sehr komprimierten Stil.
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26.01.2011, 21:57 | #13 |
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Buddenbrooks (von Hemingway)
Grünlich kratzte sich am Bart. "Also kein Zuschuß?" "Nein." "Was mach ich denn jetzt?" "Nicht mein Problem." Buddenbrook trat auf die Hauptstraße. |
26.01.2011, 22:08 | #14 |
R.I.P.
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Hahahahaha! Köstlich!
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26.01.2011, 22:11 | #15 |
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26.01.2011, 22:17 | #16 |
R.I.P.
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Clawdia:
"Mein Stift!" Castorp: "Jetzt?" Clawdia: "..." Castorp: Hin und weg. Aber umgekehrt muß auch reizvoll sein. Hemingway à la Th. Mann! |
26.01.2011, 22:25 | #17 |
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26.01.2011, 23:02 | #18 |
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The Killers (von Thomas Mann)
Der vielfach gekrönte Faustkämpfer aus dem smaländischen Hultsfred, der fünf Jahre in Folge wohl herausgeforderte, aber niemals auf einen zweiten Rang verwiesene Liebling der südschwedischen Boxkampfassoziation, der aus Gründen, welche wir zu hinterfragen uns die Blöße zu geben durchaus entraten können, auf schwankendem Schoner in der Großstadt am Hudson angelandete Einwanderer, nunmehr durch eine Verkettung widriger Umstände und Verwicklungen in zwielichtige Geschäfte an die windige Metropole am Michigansee verschlagen; Ole Andresen also, der in die Jahre gekommene Pugilist, hatte sich trotz der fürsorglichen Nachfrage seiner Zimmerwirtin ohne zu Abend zu speisen früh zu Bette gelegt, als Nick Adams, welchen ein Rencontre mit zwei Abscheu und Besorgnis hervorrufenden Gestalten auf das äußerste erschüttert hatte, das in seiner Heruntergekommenheit zu mancherlei Ruminierung Anlaß gebende Schlafgemach betrat ... Geändert von Ex-Schamanski (27.01.2011 um 02:59 Uhr) |
26.01.2011, 23:07 | #19 |
R.I.P.
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Bravo!
Es fehlt ein wort: erregenden |
26.01.2011, 23:08 | #20 |
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26.01.2011, 23:10 | #21 |
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27.01.2011, 10:52 | #22 |
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Clawdia Chauchat hatte sich Hans Castorp eine Stunde lang angehört. Ihre kirgisischen Augen verengten sich. "Lo siento, Juanito. No hablo francès", sagte sie kühl. Castorp sah sie ungläubig an. "Och nee, nicht das Ganze nochmal auf Spanisch." "Den Bleistift zum Vokabelnlernen hast Du ja schon." Eine erbarmungsloser Mond ging auf über Davos. |
27.01.2011, 11:06 | #23 |
R.I.P.
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Besser als meine Fassung!
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27.01.2011, 11:08 | #24 |
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Nee, zu lang. Da kann man bestimmt noch eine Menge weglassen.
--- Noch ein Hemingway: "Machen wir's kurz." sagte Lisaweta Iwanowna. "Du bist ein Bürger." Tonio sackte in sich zusammen. "Ich bin erledigt." Am nächsten Morgen nahm er den Zug nach Kopenhagen. |
27.01.2011, 11:10 | #25 |
R.I.P.
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Und meine zu kurz?
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27.01.2011, 11:15 | #26 |
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24.02.2011, 13:54 | #27 |
@topic:
Guter Schreibstil ist nicht von der Ausschweifigkeit oder Kürze der Sätze oder Beschreibungen abhängig. Neben sehr sprachgewandten Autoren wie Mann und Hemingway (für die in der heutigen Literaturlandschaft wohl kein Platz mehr wäre) gibt es auch Beispiele aus der Populärliteratur, die sich wie die Eingangsbeispiele lesen und unbeholfen oder langatmig wirken, als da wären: Stephen King (langatmig), Dean Koontz (Seitenschinder) oder James Redfield (Literaturautist). Letztenendes kommt es darauf an, ob man des Lesers Aufmerksamkeit mit erzählerischer Ausschweifung, innerer Handlung, Charakterentwicklung oder Aktion binden will. Das hängt stark von der beabsichtigten Wirkung ab. Wunderbarer Lesetip für exzessive Mann'sche Untugenden und geradezu eine Satire auf diese Art zu schreiben: Germar Grimsen: Hinter Büchern. Eine (geplante) Dodekalogie (!!!) voll der Ausschweifung gipfelnd in bis zu zweiseitigen Fußnoten und etlichen tausend Seiten des sprachlichen Hochgenusses. |
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