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17.12.2016, 23:45 | #1 |
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
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26. Kapitel Urlaub in Jena
Elischa schaut herauf zu mir - ich hatte für mich die Liege unterm Reineclaudenbaum geentert, konnte von da aus den Garten überschauen, hatte einen freien Blick auf die Kernberge jenseits des Tales und vor allem schützte mich das Blätterdach vor einem Sonnenbrand - küsst auf ihre Fingerspitzen und haucht das Küsschen zu mir rauf, macht Winkewinke und zieht sich ins Häuschen zurück, um den versäumten Schlaf nachzuholen und Kräfte für weitere Abenteuer zu sammeln. Ich plante das auch, wollte nur das Bräunen der Haut im Halbschatten mit einem erholsamen Nickerchen verbinden.
Diana liegt, anmutig, schön und nackt wie die schlummernde Venus von Giorgione auf der Liege unter dem großen Walnussbaum neben dem Gartenhaus, ein warmer Hauch bewegt kaum die Äste, aber die Blätter tanzen ein Freudentänzchen zu Ehren Aiolos‘, dem Frische verheißenden Windgott. Die bewegten Schatten streicheln die Hingegossene, gönnen voller Großmut den neugierigen Strahlen der Sonne, die Schlafende zu liebkosen. Oh - soeben haben sie die hübschen Hügel geküsst, müssen aber den aufgeregt zitternden Schatten der Blätter weichen, wandern kurz entschlossen talwärts und honigfarben leuchtet das goldblonde Vlies auf, das schamhaft tiefere Einblicke in verborgene Gründe verwehrt. Mein stummes Flehen lässt die Schatten verharren, sekundenlang beglüht Phoibos Apollon den heiligen Gral, schreitet (ein Gott geht nicht, er schreitet!) weiter hügelan, findet ein Bäuchlein, vertreibt die Schatten aus dem niedlichen Nabel und verweilt zu meiner Freude lange da, wohl, weil er selbst Gefallen daran hat, was sich den göttlichen Augen und meinen blinzelnden bietet. Upps - bin ich eingenickt? Diana hat sich umgedreht, liegt jetzt auf dem Bauch und gestattet dem Wechselspiel von Licht und Schatten auf ihrem Rücken weiter zu tanzen. Ein frivoles Unterfangen! Kaum erklimmen die wärmenden Strahlen die rundlichen Kuppen der Hügel, die durch eine schmale Kluft getrennt sind, entzünden sie feinste Flimmerhärchen, werden von eifersüchtigen Schatten vertrieben und weichen aus auf jene Stellen, wo den Engeln Flügel wachsen. Komm, vielfarbiges Licht, entflamme nun auch die honiggetränkten, lose geflochtenen Zöpfe, gieß deine Strahlen ins goldne Geflecht und siehe!, mein stilles Gebet wird erhört. Noch hat die Sonne ihren Zenit nicht erreicht, da wird mein träumerisches Schwelgen unterbrochen: Jaqueline schleppt den großen Garderobenspiegel auf die Terrasse, stellt ihn an den Pfeiler des Überdaches - ein forschender Blick zur schlafenden Diana erst, dann einer zu mir und offensichtlich stellt sie fest, dass die Freundin und ich den Schlaf der Gerechten schlafen. Jaqueline verschwindet noch mal im Gartenhäuschen, kommt gleich wieder heraus, in beiden Händen aus der Entfernung nicht zu erkennende Gegenstände, legt die auf einen kleinen Beistelltisch und - oh wie nett - entledigt sich ihrer eh nur spärlichen Bekleidung. Mich blendet ein Sonnenstrahl und ich verändere geräuschvoll meine Lage - Jaqueline erschrickt, schaut zu mir und sieht mich, den offenbar Halbtoten im Tiefschlaf und gut aufgehoben in Morpheus Armen. Ich kann nun aus halb geschlossenen, vom Laub beschatteten Augen beobachten, was die Sonne wohlwollend bescheint. Jaqueline lehnt sich an den zweiten Pfosten, betrachtet ihr Spiegelbild, bedeckt mit einer Hand züchtig ihre Scham, mit der anderen ihre Brüste, dreht sich zur Seite, wirft einen Blick über die Schulter auf den Spiegel, dreht sich zurück, greift mit beiden Händen (Dank dir, du da oben!) in ihre schwarze Mähne, senkt den Blick, hebt ihn wieder, schaut mal ernst, mal lächelnd, dann dämonisch und gleich darauf lautlos lachend, zuletzt erstaunt, weil ihre streichelnden Finger die Knospen ihrer Brüste ganz niedliche Ergebnisse zaubern, krault im seidigen Vlies und den darunter verborgenen Geheimnissen, dreht sich so, dass sie ihre Rückfront sehen kann, legt ihre Hände auf die Pobacken, schüttelt die Mähne - kurz gesagt - Jaqueline posiert, selbstvergessen, selbstverliebt und stolz auf ihren biegsamen Körper, als wolle sie erkunden, welches ihre Schokoladenseite sei, wie sie sich am reizvollsten präsentieren könne. - Eine Fotosession ohne Fotograf, das, so nehme ich mir vor, muss schnellmöglichst geändert werden! Jaqueline legt eine Zigarettenpause ein, (verdammt! Als Schlafender kann ich das nicht!). Sie setzt ich einen Hocker, hat den so platziert, dass sie sich selbst weiter beobachten kann, bläst den Rauch in Richtung des imaginären Fotografen, damit er durch den Nebel nichts davon sehen kann, was ihre geöffneten Beine offenbaren. Sie versucht, Rauchkringel zu produzieren - die bei mir beobachteten scheinen sie immer noch zu faszinieren - und nach mehreren Fehlversuchen steigt ein perfekter, leicht wabernder Kringel in die unbewegte Sommerluft. Jaqueline stößt, einer obszönen Geste vergleichbar, ihren ausgestreckten Mittelfinger durch das aufwärts steigende Qualmgebilde, das sich sofort protestierend in ein Nichts auflöst. Die Zigarette ist aufgeraucht, Jaqueline greift nach - ah, jetzt erkenne ich eines der Utensilien: Meine Rasierschaumtube! - besagter Tube, schüttelt sie mehrmals und appliziert einen dicken Schaumklecks auf den linken Oberschenkel, verteilt ihn bis zum Knie und greift zum zweiten Teil - meinen Rasierapparat. Zeit - eine Erklärung zu liefern: Es gibt, das wissen auch alle Frauen, zwei Sorten von Rasierapparaten. Die neuere der beiden Varianten ist die elektrisch betriebene Apparatur, man nennt das Ding Trockenrasierer. Die ältere, die uralte Variation, gewissermaßen die antike Ausfertigung, ist der Nassrasierer. Mann - hier Variation Nr. 1 - schüttet sich eine Flüssigkeit in die hohle Hand, nimmt die zweite Hand zu Hilfe, verreibt die Flüssigkeit, „pre shave“ genannt, auf beide Handinnenflächen und ballert sich das Zeug ins Gesicht auf die Stellen, die der Rasur harren. Sinn und Zweck dieses Vorspiels ist - die zu entfernenden Härchen sollen sich aufrichten, auf dass die rotierenden Messerchen sie nahe der Haut packen und massakrieren. Dem Kahlschlag folgt der letzte Schritt auf dem Weg, aus einer ungepflegt aussehenden, stoppelübersäten Visage ein hinreichend glattes, stoppelnbefreites Antlitz zu zaubern: Aus einem anderen Gefäß wird wieder eine Minipfütze in die Hand geschüttelt, wieder Verreiben und klatsch! drauf auf die juchzende Haut mit der in verschiedenen Düften erhältlichen Flüssigkeit, „after shave“ genannt - spätestens jetzt sollten rudimentäre Kenntnisse der englischen Sprache vorhanden sein: After shave gehört ins Gesicht! Die blödeste Variante bei den Düften ist „Tabak“. Bei notorischen Rauchern wäre der Versuch, ein attraktiv duftender Zeitgenosse zu werden, der doppelt gemoppelte Fehlversuch eines Rasierwasserbanausen! Die zweite Variante ist aufwändiger, gleichwohl mit dem gewünschten Resultat, nach der Prozedur mit einer babypopozarten Gesichtshaut der Damenwelt zu imponieren. Mann nimmt Rasierseife und Pinsel, schäumt mit dem Pinsel - hier unterbreche ich den Fluß der Suade und betone: Es geht ums Rasieren! - mit einem Pinsel aus Dachshaaren und unter Mithilfe warmen Wassers die Seife auf und massiert das Schäumchen auf und in die zu enthaarenden Gesichtsteile. Eine leichte Abart der klassischen, fast schon autoerotischen Methode sei erwähnt: Das Einschäumen mittels Rasierschaum aus der Tube. Kurzes Schütteln derselben, das man durch moralzerrüttende Onaniertechniken hinlänglich schon vor dem Sprießen des ersten Flaums auf der Oberlippe gelernt hat (ich spreche von der maskulinen Methode der Schaumerzeugung), das konnte Jaqueline per se nicht kennen, es sei denn, sie hätte heimlich paar Jungs beobachtet oder auf selbst paktizierte Masturbationstechniken zurück gegriffen und so - mutatis mutandis - angewandt, nach dem Schütteln ein Druck auf den Sprühknopf, und schon quillt der aufgeschüttelte Schaum zischend und von Treibgas beschleunigt ins Gesicht (ähnlich verfährt man mit Sprühsahne, die ich als Kuchenzutat verabscheue, bei anderen Gelegenheiten zu schätzen weiß). Es folgt das manuelle Verteilen des Schaums und das Abschaben der Bartstoppeln oder anderer Härchen mittels einer scharfen Klinge. Sehr gentlemanlike, aber unvergleichlich komplizierter als ein handlicher Rasierapparat, ist das Rasiermesser. Anders als bei der Trockenrasur ist der vorletzte Schritt zur maskulinen Attraktivität: Der Restschaum muss abgewaschen, die feuchten Partien trocken frottiert werden. Der letzte Akt - das After-shave. Fertig! Ich hatte mich vor geraumer Zeit für die Kombination der geschilderten Varianten entschieden: Rasierschaum aus der Tube - die Rasur mit einem batteriebetriebenen kleinen Motörchen, das den Klingenkopf in Schwingung versetzt und eine gründliche Rasur garantiert. Meine Art des Rasierens hat Jaqueline beobachtet und sie entfernt die Härchen an ihrem Oberschenkel gekonnt und „mit dem Strich“, also nicht gegen die Wuchsrichtung der Haare. Mit einem Naturschwamm aus meiner Sammlung und warmen Wasser wäscht sie sich die Schaumreste vom Bein, trocknet es ab und ist mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden. Beim zweiten Bein sitzt jeder Handgriff, jetzt kommen wohl die Waden dran. Aber - der Himmel bewölkt sich als ahne er kommendes Unheil, ein fernher grollendes Geräusch kündigt den Zorn Donars in Eintracht mit dem Wolkenverschieber und Blitzeschleuderer Griechenlands an, aufkommende Winde fegen die Wege frei für die vier apokalytischen Reiter, mein Herz stottert wie ein Trabbi, der Wasser in den Vergaser gesaugt hat, mein Hirn weigert sich zu denken: Eine Schaumkugel wölbt sich auf Jaquelines Venushügel, das so lieblich glänzende, seidigschwarze Vlies, das behutsam gepflegte Gärtchen nahe des Paradieses, dem Tor zur Perlmuttmuschel, Heimstatt des Gottes Priapos, kurz: Jaqueline schäumt ihr Fötzchen ein, verteilt mit geschickten Fingern - oh möge ihr jeder einzelne abfallen! - den Rasierschaum, setzt sich mit gespreizten Beinen bequem zurecht, betrachtet im Spiegel das Ergebnis ihrer ruchlosen Tat und setzt an zur schändlichen Untat, greift zum Rasierapparat, setzt das vibrierende Köpfchen an, genießt ein paar Sekunden, ich höre es mit ungläubigen Ohren, sehe es mit schreckgeweiteten Augen, die von leisem Summen begleiteten Vibrationen und - habt Erbarmen, ihr Götter und alle Göttinnen! - beginnt mit der Rasur. Lasst mich erblinden, entfernt alle Nerven aus meinen Fingern und Lippen, lasst mich nicht länger leiden! Die abziehenden Wolken, das Abflauen des Windes, die aus den Wolken hervorbrechende Sonne - nichts konnte meine Qualen lindern. Sie hat es getan! Sie hat, es ist unfassbar, aus diesem verlockenden, mit krausen und glatten Seidenfäden verzierten Dreieck, Symbol allen Lebens, Symbol aller weiblichen Gottheiten ein nacktes Hautdingsda gemacht! Das wäscht sie jetzt sorgsam mit meinem Naturschwamm, geborgen aus den Tiefen des Mittelmeeres, trocknet es mit meinem Frottierhandtuch ab und - welch eine Verschwendung - salbt das Unaussprechliche mit Nardenöl, steht auf und bewundert sich und das Resultat der vollendeten Todsünde im Spiegel. Die ganz verfluchte Sonne beleuchtet, was ich gar nicht sehen will, doch magisch angezogen, wandern meine Blicke auf ein sauber rasiertes, schwarzes Herz. „HALLELUJA“ bricht es jubelnd aus meiner befreiten Brust, aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Diana erschreckt von der Liege kippt, Elischa blinzelnd ins Sonnenlicht tritt, Jaqueline den Spiegel umschmeißt. Diana erfasst als erste die Situation, schaut sich interessiert an, was ihre Freundin sozusagen aus dem Handgelenk geschaffen hat und: „Ach, das sieht aber süß aus!“ Und Elischa: „Na, du lässt dir ja Sachen einfallen!“ Und ich? Ich habe Jan Kiepura versucht zu imitieren und gesungen: „Schenk mir dein Herz heut Nacht, bella mia!“ Die Vögel hören auf zu zwitschern, die Sonne versteckt sich kurz hinter einer Wolke und wir beschließen eine Fotosession. Fünf Filme, hundertundachtzig Bilder, eins schöner als das andere - ich brauche jetzt was zu trinken, zu trinken auf lachende Augenpaare! |
27.12.2016, 08:24 | #2 |
Hallo Heinz,
nachdem ich jetzt größtenteils deine Kapitel gelobt habe, muss ich nun hier leider etwas nörgeln: Der ganze zweite Abschnitt ließe sich gründlich kürzen, um sich auf das, was eigentlich passiert ist (Jacqueline verschönert sich durch Rasur) zu beschränken, denn sehr viel Interessantes wird hier nicht erzählt. Vor allen Dingen auf die Gebrauchsanleitung, wie Männer sich rasieren, könnte verzichtet werden. Männer werden es sowieso wissen und Frauen ein höchstens flüchtiges Interesse daran haben. Kurz: Das ist für die Geschichte nicht wirklich relevant und vor allem viiiiiel zu lang und weitschweifig. Für meinen Geschmack. Das ist - wie immer - nur mein subjektiver Eindruck. |
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27.12.2016, 12:33 | #3 |
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Hallo Silbermöwe,
"Fünfundsechzig Männer und vierundreißig Frauen mit unterschiedlichen Musikinstrumenten, angeleitet von einem Dirigenten spielten vor etwa achthundert Zuhörer/innen eine dreiviertel Stunde lang nach Noten eines verstorbenen Wiener Komponisten Musik und bekamen viel Applaus." Käme das Deiner Vorstellung näher, wenn es darum ginge, die Aufführung Mozarts Jupiter-Symphonie zu schildern? Selbstverständlich darfst Du "nörgeln", aber ganz offenbar haben wir unterschiedliche Auffassungen über das Erzählen von Geschichten. Du bevorzugst vielleicht einen lapidareren Stil - ich neige zum Schwelgen und bade gern in Worten. Natürlich - die Schilderung einer Rasur - was soll der Blödsinn? Dieses täglich gepflegte männliche Ritual (bei denen, die sich daran halten) zu schildern ist genauso so unspannend wie die Schilderung des Bemalens weiblicher Fingernägel - nicht der Rede wert, macht man schon fast mit geschlossenen Augen. Was aber, wenn die Rasur einem strengen Reglement unterworfen wird? Wenn der Trockenrasierer vorher von fünf anderen, vielleicht pickligen Männern, benutzt wurde? Was, wenn das Pre shave ein billig riechendes Wässerchen ist, das after-shave geklaut wurde? Was, wenn die Rasur sowieso nur alle zwei Tage stattfindet und es mehrerer Eingaben bedarf, um die Erlaubnis zu erhalten, sich alle drei Tage unter Aufsicht nass rasieren zu dürfen und die Anzahl der Klingen vor und nach der Rasur kontrolliert wird und das after-shave zum zweiten Mal geklaut wird? Bekommt dann dieses alltägliche, manchmal sogar lästige Ritual vielleicht einen anderen Stellenwert? Du siehst - ich verteidige meinen ausschweifenden Stil und wünsche Dir einen guten Tag. Ich muss jetzt los, meine Enkelin wird heute sechs und das muss gefeiert werden. Tschüss, Heinz |
07.02.2017, 21:09 | #4 |
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Lieber Heinz, ich bin Historiker aus Jena und würde gern per Email Kontakt aufnehmen. Herzlichst, Steve
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07.02.2017, 23:05 | #5 |
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16.02.2017, 14:54 | #6 | |
Zitat:
Dann wirst bzw. bist du bereits 75 Jahre alt ... Respekt. Sorry für Offtopic. VG Pitti |
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16.02.2017, 16:10 | #7 |
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Hallo Pit Bull,
Deine Rechenkünste sind beeindruckend! Aber was haben sie mit dem eingestellten Text zu tun? Gruß, Heinz |
16.02.2017, 16:12 | #8 |
26.02.2017, 17:55 | #9 |
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Lieber Pitti,
das war erschöpfend beantwortet. Gruß, Heinz |
26.11.2019, 07:18 | #10 |
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Der Voyeur
Liebe Silbermöwe,
Deinem Vorschlag folgend, habe ich gekürzt und stelle Dir die neue Fassung vor. Hast Du Lust, noch einmal Stellung zu nehmen? Liebe Grüße, Heinz Der Voyeur Gaby schaut herauf zu mir - ich hatte für mich die Liege unterm Reineclaudenbaum geentert, konnte von da aus den Garten überschauen, hatte einen freien Blick auf die Kernberge jenseits des Tales und vor allem schützte mich das Blätterdach vor einem Sonnenbrand - küsst auf ihre Fingerspitzen und haucht das Küsschen zu mir rauf, macht Winkewinke und zieht sich ins Häuschen zurück, um den versäumten Schlaf nachzuholen und Kräfte für weitere Abenteuer zu sammeln. Ich plante das auch, wollte nur das Bräunen der Haut im Halbschatten mit einem erholsamen Nickerchen verbinden. Dörte liegt, anmutig, schön und nackt wie die schlummernde Venus von Giorgione, auf der Liege unter dem großen Walnussbaum neben dem Gartenhaus; ein warmer Hauch bewegt kaum die Äste, aber die Blätter tanzen ein Freudentänzchen zu Ehren des Frische verheißenden Windgottes. Die bewegten Schatten streicheln die Hingegossene, gönnen voller Großmut den neugierigen Strahlen der Sonne, die Schlafende zu liebkosen. Oh - soeben haben sie die hübschen Hügel geküsst, müssen aber den aufgeregt zitternden Schatten der Blätter weichen, wandern kurz entschlossen talwärts und honigfarben leuchtet das goldblonde Vlies auf, das schamhaft tiefere Einblicke in verborgene Gründe verwehrt. Mein stummes Flehen lässt die Strahlen der Sonne verharren, sekundenlang beglüht Phoibos Apollon den heiligen Gral, schreitet weiter hügelan, findet ein Bäuchlein, vertreibt die Schatten aus dem niedlichen Nabel und verweilt zu meiner Freude lange da, weil er selbst Gefallen daran hat, was sich den göttlichen Augen und meinen blinzelnden bietet. Upps - bin ich eingenickt? Dörte hat sich umgedreht, liegt jetzt auf dem Bauch und gestattet dem Wechselspiel von Licht und Schatten auf ihrem Rücken weiter zu tanzen. Ein frivoles Unterfangen! Kaum erklimmen die wärmenden Strahlen die rundlichen Kuppen der Hügel, die durch eine schmale Kluft getrennt sind, entzünden sie feinste Flimmerhärchen, werden von eifersüchtigen Schatten vertrieben und weichen aus auf jene Stellen, wo den Engeln Flügel wachsen. Komm, vielfarbiges Licht, entflamme nun auch die honiggetränkten, lose geflochtenen Zöpfe, gieß deine Strahlen ins goldne Geflecht und siehe!, - mein stilles Gebet wird erhört. Noch hat die Sonne ihren Zenit nicht erreicht, da wird mein träumerisches Schwelgen unterbrochen: Tina, die Jüngste der drei Göttinnen, schleppt den großen Garderobenspiegel auf die Terrasse, stellt ihn an den Pfeiler des Überdaches - ein forschender Blick zur schlafenden Dörte, dann ein zweiter zu mir und offensichtlich stellt sie fest, dass die Freundin und ich den Schlaf der Gerechten schlafen. Tina verschwindet noch mal im Gartenhäuschen, kommt gleich wieder heraus, in beiden Händen aus der Entfernung nicht zu erkennende Gegenstände, legt die auf einen kleinen Beistelltisch und - oh wie nett - entledigt sich ihrer eh nur spärlichen Bekleidung. Mich blendet ein Sonnenstrahl und ich verändere geräuschvoll meine Lage - Tina erschrickt, schaut zu mir und sieht mich, den offenbar Halbtoten im Tiefschlaf und gut aufgehoben in Morpheus Armen. Ich kann nun aus halb geschlossenen, vom Laub beschatteten Augen beobachten, was die Sonne wohlwollend bescheint. Tina lehnt sich an den zweiten Pfosten, betrachtet ihr Spiegelbild, bedeckt mit einer Hand züchtig ihre Scham, mit der anderen ihre Brüste, dreht sich zur Seite, wirft einen Blick über die Schulter auf den Spiegel, dreht sich zurück, greift mit beiden Händen in ihre schwarze Mähne, senkt den Blick, hebt ihn wieder, schaut mal ernst, mal lächelnd, dann dämonisch und gleich darauf lautlos lachend, zuletzt erstaunt, weil ihre streichelnden Finger die Knospen ihrer Brüste ganz niedliche Ergebnisse zaubern, krault im seidigen Vlies und den darunter verborgenen Geheimnissen, dreht sich so, dass sie ihre Rückfront sehen kann, legt ihre Hände auf die Pobacken, schüttelt die Mähne - kurz gesagt - Tina posiert, selbstvergessen, selbstverliebt und stolz auf ihren biegsamen Körper, als wolle sie erkunden, welches ihre Schokoladen-seite sei, wie sie sich am reizvollsten präsentieren könne. - Eine Fotosession ohne Fotograf, dieser Umstand, so nehme ich mir vor, muss schnellmöglichst geändert werden! Tina legt eine Zigarettenpause ein, (verdammt!, als Schlafender kann ich das nicht!). Sie setzt ich einen Hocker, hat den so platziert, dass sie sich selbst weiter beobachten kann, bläst den Rauch in Richtung des imaginären Fotografen, sodass er durch den Nebel nichts davon sehen kann, was ihre geöffneten Beine offenbaren. Sie versucht, Rauchkringel zu produzieren - die bei mir beobachteten scheinen sie immer noch zu faszinieren - und nach mehreren Fehlversuchen steigt ein perfekter, leicht wabernder Kringel in die unbewegte Sommerluft. Tina stößt, einer obszönen Geste vergleichbar, ihren ausgestreckten Mittelfinger durch das aufwärts steigende Qualmgebilde, das sich sofort protestierend in ein Nichts auflöst. Die Zigarette ist aufgeraucht, Tina greift nach - ah, jetzt erkenne ich eines der Utensilien - meiner Rasierschaumtube, schüttelt sie mehrmals und appliziert einen dicken Schaumklecks auf den linken Oberschenkel, verteilt ihn bis zum Knie und greift zum zweiten Teil - meinen Rasierapparat. Huch, was ist das? Der Himmel bewölkt sich als ahne er kommendes Unheil, ein fernher grollendes Geräusch kündigt den Zorn Donars in Eintracht mit dem Wolkenverschieber und Blitzeschleuderer Griechenlands an, aufkom-mende Winde fegen die Wege frei für die vier apokalytischen Reiter, mein Herz stottert wie ein Trabi, der Wasser in den Vergaser gesaugt hat, mein Hirn weigert sich zu denken: Eine Schaumkugel wölbt sich auf Tinas Venushügel, das so lieblich glänzende, seidig-schwarze Vlies, das behutsam gepflegte Gärtchen nahe des Paradieses, dem Tor zur Perlmuttmuschel, Heimstatt des Gottes Priapos, kurz: Tina schäumt ihr Bärchen ein, verteilt mit geschickten Fingern - oh möge ihr jeder einzelne abfallen! - den Rasierschaum, setzt sich mit gespreizten Beinen bequem zurecht, betrachtet im Spiegel das Ergebnis ihres ruchlosen Unterfangens und setzt an zur schändlichen Untat, greift zu meinem batteriebetriebenen Rasierapparat, setzt das vibrierende Köpfchen an, genießt ein paar Sekunden, ich höre es mit ungläubigen Ohren, sehe es mit schreckgeweiteten Augen, die von leisem Summen begleiteten Vibrationen und - habt Erbarmen, ihr Götter und alle Göttinnen! - beginnt mit der Rasur. Lasst mich erblinden, entfernt alle Nerven aus meinen Fingern und Lippen, lasst mich nicht länger leiden! Die abziehenden Wolken, das Abflauen des Windes, die aus den Wolken hervorbrechende Sonne - nichts konnte meine Qualen lindern. Sie hat es getan! Sie hat, es ist unfassbar, aus diesem verlockenden, mit krausen Seidenfäden verzierten Dreieck, Symbol allen Lebens, Symbol aller weiblichen Gottheiten ein nacktes Hautdingsda gemacht! Das wäscht sie jetzt sorgsam mit meinem, geborgen aus den Tiefen des Mittelmeeres, Naturschwamm, trocknet es mit meinem Frottierhandtuch ab und - welch eine Verschwendung - salbt das Unaussprechliche mit Nardenöl, steht auf und bewundert sich und das Resultat der vollendeten Todsünde im Spiegel. Die ganz verfluchte Sonne beleuchtet, was ich gar nicht sehen will, doch magisch angezogen, wandern meine Blicke auf ein sauber rasiertes, schwarzes Herz. „HALLELUJA“ bricht es jubelnd aus meiner befreiten Brust, aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Dörte erschreckt von der Liege kippt, Gaby blinzelnd ins Sonnenlicht tritt, Tina den Spiegel umschmeißt. Dörte erfasst als erste die Situation, schaut sich interessiert an, was ihre Freundin sozusagen aus dem Handgelenk geschaffen hat und: „Ach, das sieht aber süß aus!“ Und Gaby: „Na, du lässt dir ja Sachen einfallen!“ Und ich? Ich habe Jan Kiepura versucht zu imitieren und gesungen: „Schenk mir dein Herz heut Nacht, bella Divina!“ Die Vögel hören auf zu zwitschern, die Sonne versteckt sich kurz hinter einer Wolke und wir beschließen eine Fotosession. Fünf Filme, hundertundachtzig Bilder, eins schöner als das andere - ich brauche jetzt was zu trinken, um zu trinken auf lachende Augenpaare! |
26.11.2019, 19:05 | #11 | ||
Lieber Heinz,
willst du es wirklich wissen? Also diesen ganzen Absatz Zitat:
Zitat:
Und die Sprache, die ich in deinen Gedichten schön finde, ist für eine Geschichte aus unserer Zeit nicht passend - zu überladen. So konnte man als Schriftsteller des 19. Jahrhunderts schreiben - heute fällt das völlig aus der Zeit. Als ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen und kommentiert habe, hatte ich noch so gut wie keine Geschichten über das Schreiben gelesen. Jetzt fallen mir ganz andere Dinge auf als früher. Also ich würde nochmal gründlich überarbeiten.... LG DieSilbermöwe Geändert von DieSilbermöwe (26.11.2019 um 20:56 Uhr) |
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27.11.2019, 20:25 | #12 |
Dabei seit: 10/2006
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Beiträge: 7.879
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Liebe Silbermöwe,
erst einmal danke ich Dir für Deinen Kommentar. Und jetzt fange ich an, mich zu verteidigen: Ich hatte nicht die Absicht, eine action-Story zu schreiben. Solche Geschichten, in denen etwas passieren muss, sind nicht mein Ding. Was ich wollte, war das Festhalten einer Erinnerung, an eine Stimmung, an einen Sommer vor etwas mehr als 40 Jahren. Das wollte ich in "opulenten" Worten schildern. Ein Beinahe-Nickerchen im Schatten eines Reinclaudenbaumes, der voller Früchte hing, das Genießen der Anwesenheit dreier schöner Frauen, Sommer, Sonne, und das mitten in einem Paradies. Ich glaube, es war die schönste Zeit meines Lebens (und der nachfolgende "Absturz" war umso schlimmer, aber überhaupt noch nicht abzusehen). Mir ist bewusst, dass ich ein Idyll mit satten Farben male und - ein Stillleben braucht keine action. Liebe Grüße, Heinz |
27.11.2019, 22:13 | #13 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Mir fällt Daphne du Maurier ein, die eine Meisterin darin war, alltägliche Situationen und idyllische Umgebungen in Spannung zu verpacken. |
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28.11.2019, 08:12 | #14 |
Lieber Heinz,
Verteidigung ist nicht notwendig. Wenn du selbst mit der Geschichte zufrieden bist, ist es ja gut. Außerdem ist es ziemlich schwierig, ein einziges Kapitel aus einem Roman zu beurteilen, wenn man den Rest nicht mehr so im Kopf hat (es ist schon länger her, dass ich deine Jena-Geschichten gelesen habe). Ich habe das Kapitel in meinem Kommentar wie eine Kurzgeschichte behandelt. Im Prinzip wird ja auch nur eine Sache erzählt, die für sich alleine stehen könnte. Trotzdem wird meine Kritik möglicherweise deiner Geschichte nicht ganz gerecht. Auf der anderen Seite: ich habe damals aufgehört, deine Geschichten über die Erlebnisse aus Jena zu lesen, weil ich anfing, mich zu langweilen - es wurde zuviel beschrieben und der Leser zu wenig in die Handlung gezogen. (Das ist das berühmte "Show, don't tell".) Ein Tipp noch: Autobiographisches muss nicht 1:1 wiedergegeben werden. In einem meiner Bücher über das Schreiben steht: Zitat "Erst passiert es und dann erfinde ich es" Zitatende (aus "Short Shortstorys schreiben" von Roberta Allen). Auch wenn es in dem Buch nur um Kurzgeschichten geht, finde ich den Tipp sehr hilfreich. LG DieSilbermöwe |
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