Traumverlorenheit
Vor circa fünf Jahren bin ich eingeschlafen. Ich war sehr jung, naiv und hellwach, als meine Seele beschloss, in einen Traumzustand zu verfallen. Obwohl ich nicht springen wollte, machte es mir gar anfangs Spaß, ein wenig zu tauchen, die Meeresoberfläche war nämlich stets ersichtlich, stets zum Greifen nah. Das Ozeanblau, die absolute Freiheit, das taube berauschende Gefühl, es fühlte sich an wie eine Droge. Und ich realisierte nicht, wie ich allmählich hinuntergezogen wurde. Es fällt kein Licht mehr, alles um mich herum ist schwarz, ich bin erblindet. Hier irgendwo ganz tief im Ozean wird das Wasser wieder warm, das ist mittlerweile das Einzige, was ich bemerke. Ich sinke jeden Augenblick immer weiter ab, irgendeine Kraft wirkt auf mich ein. Hier unten ist die Welt zeitlos, wahrscheinlich befinde ich mich seit Jahrzehnten in diesem Zustand, ich habe keine Ahnung. Wann wache ich wieder auf? Wache ich wieder auf? Ich spüre nichts mehr. Ich befürchte, ich verliere allmählich meinen Verstand. Je länger ein Koma andauert, umso unwahrscheinlicher soll es sein, wieder zu erwachen. Irgendwann werde ich vermutlich den Meeresboden erreichen, irgendwann werde ich entschlafen.
Geändert von Venus (27.12.2020 um 03:06 Uhr)
|