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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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13.03.2023, 15:25 | #1 |
Wahrsagen und wahrnehmen
die Wahrheit schwebt heut in der Luft
sie blubbt aus meiner Blase vor zerplatzt ganz frech in deinem Duft und spritzt spratzt spitzig an dein Ohr. Für dich klingt es banal und seicht. Uns beide nervt das Thema sehr: wahrsagen ist ja kinderleicht wahrnehmen aber wirklich schwer! |
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04.04.2023, 13:26 | #2 |
Hallo Pagos
Das ist ein schöner und kurzweiliger Text mit einer guten Aussage gerne gelesen Lg Mono |
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05.04.2023, 21:38 | #3 |
Danke, Monoton, für dein Feedback. Ich habe es bei mir selbst festgestellt, und bei so vielen anderen. Wenn ich glaube, eine Wahrheit entdeckt zu haben, die ich nicht nur verstandesmäßig, sondern auch gefühlsmäßig verstanden habe, dann wächst oft der Drang, diese Wahrheit weiter zu geben. Das geht sehr vielen Leuten so, gerade auch (aber nicht nur) bei Menschen, die von ihrer wahrgenommenen Wahrheit voll und ganz überzeugt sind, mit den Zehenspitzen schon über der Klippe zum Fanatismus.
Nun ist es leider (oder im Grunde gottseidank) so, dass ein anderer Mensch, dem ich diese Wahrheit "wahrgeben" möchte, diese in der Regel überhaupt nicht kapiert, es sei denn, er hat diese Wahrheit sowieso schon in sich. Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, woran das liegt. Auf der Verstandesebene kommt man hier nicht weiter, die Ratio hilft hier nicht. Erst dann, wenn die Gefühlsprozesse beim anderen, dem diese Wahrheit gegeben wird, so ähnlich ablaufen wie zuvor bei mir, hat man eine Chance. Von daher habe ich den kurzen Aphorismus kreiert: wahrgeben ist leichter als wahrnehmen Inzwischen komme ich für mich zu dem Ergebnis, dass es gar nicht erstrebenswert und sinnvoll ist, dem anderen ungefragt irgendwelche Wahrheiten zu "geben". Wenn ich eine Wahrheit nehmen kann, dann freue ich mich. Wahrgeben, noch dazu ungefragt und ohne persönlichen Kontext, macht keinen Sinn und ist eher kontraproduktiv und provoziert Abwehr. |
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06.04.2023, 04:37 | #4 | |
Zitat:
Und egal in welcher Hinsicht, es wird für denjenigen immer schwierig sich selbst einzugestehen, dass Fehler auch auf der eigenen Seite zu finden sind. Es ist nicht deine Aufgabe andere von ihren Fehlern zu überzeugen, dass du es versuchst zeigt, dass dir an ihrem eigenen Wohl etwas liegt, da sie aus Streitsituationen oftmals nicht gewinnend heraus treten können. Fanatismus bedeutet ja oft nichts anderes als blindes glauben und annehmen. Wann tut man das? Wenn man selbst glaubt dass man ohnmächtig ist, etwas alleine zu schaffen, oder angst hat Entscheidungen treffen zu müssen. Wenn man Verantwortung zu übernehmen hat. Wenn ein Alkoholabhängiger von anderen gesagt bekommt, dass er ein Alkoholproblem hat, hat er noch lange kein Alkoholproblem für sich entdeckt. Er glaubt nur, dass er eines hat ohne. Solange die eigene Erkenntnis zum Problem fehlt besteht kein Problem. Das Problem liegt außerhalb seiner Wahrnehmung, bei anderen. Für sich selbst hat er ja eine Lösung. |
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07.04.2023, 09:38 | #5 |
gesperrt
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Wahrsagen und Wahrnehmen
Hallo Pagos,
Ich sehe es auch so, dass man seine Meinung niemandem aufdrängeln sollte. Jeder Mensch ist ein Individuum mit eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen, egal, wie sie zustande gekommen sind. Was machst du aber, wenn du verstehst, dass der mit der gegenteiligen Überzeugung in sein Unglück rennt? Willst du ihn dann "retten"? Das geht erfahrungsgemäß schief. Eine Strophe dieses Inhalts fehlt deinem Gedicht meiner Ansicht nach, um aus deiner eigenen Erkenntnis Schlüsse ziehen zu können. Der Mensch ist im allgemeinen so gestrickt, dass er erst durch jeden Scheißhaufen stampfen muss, um zu bemerken, dass er stinkt. Solange er das nicht tut, glaubt er an Parfüm. Erfahrungswerte meinerseits. Lieben Gruß, Rumpelstilz P.S.: Wahrsagen ist was anderes als Wahres Sagen, und Wahrnehmen ist auch etwas anderes als (für) wahr Nehmen. Muss also getrennt geschrieben werden. |
09.05.2023, 10:39 | #6 |
Hi Rumpelstilz,
wahrsagen und wahrnehmen sind anders konnotiert, als "Wahres sagen" und "Wahres (entgegen)nehmen". Und trotzdem habe ich das mit voller Absicht geschrieben. Wie du richtig schreibst, jeder Mensch hat seine eigene Sicht auf die "Wahrheit". Wenn ich eine "Erleuchtung" oder auch nur einen Gedanken habe und glaube, dies ist wirklich absolut wahr, und will dies den Anderen nahebringen. Dann ist das sehr schwer, eben weil der andere diese Gefühlsprozesse nicht durchlaufen hat, und ganz andere Dinge für wahr hält. wahrsagen ist konnotiert mit Hokuspokus und Horoskop, also negativ, subjektiv, und gar nicht wahr wahrnehmen ist konnotiert als ein ganz subjektiver Sinneseindruck, den ein anderer ganz anders "wahrnehmen" kann. Deswegen gefallen mir diese Begriffe so gut. Wenn es wirklich eine objektive, absolute Wahrheit geben sollte, und ich habe das Glück, einen Zipfel davon zu erhaschen, dann tue ich gut daran, dies nicht wie eine Monstranz vor mich herzutragen und hinauszuposaunen, sonst werde ich als "Wahrsager wahrgenommen". Wenn es "wahr" gibt, dann doch nur ohne Besitz, ohne "sagen" und "nehmen". Ich habe vielleicht nur dann die die Möglichkeit, diese Wahrheit auch weiter zu geben, wenn ich sie vorlebe, und nicht sage. |
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10.05.2023, 22:01 | #7 |
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Beiträge: 5.497
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Ich mag es wenn jemand Wahrheiten oder ausgedachtes Zeug weitergibt, dass ich noch nicht erkannt hab.
Sonst gäbe es vermutlich kaum Literatur als Sachbuch, Mythologie oder was es alles gibt. Das dann auch wahrnehmbar zu machen ist dann wahrhaft eine Kunst. Eigentlich auch die perfekte Beschreibung für Kunst. Das eigentliche Problem hinter deiner Erzählung ist, wenn man unbedingt will, dass jemand anderes das auch erkennt. Dann nennt man es Religion oder Sekte oder Populärwissenschaft. |
14.05.2023, 15:25 | #8 |
Hi dr. Frankenstein,
das stimmt, aber nur wenn jemand ein Buch liest, Kunst betrachtet, etc. Im Diskurs wird diese "aufnehmende" Haltung deutlich schwieriger, die "Wahrheit" einfach so aufzunehmen, da sie bisweilen, vielleicht sogar in den meisten Fällen, mit Teilaspekten meiner eigenen "Wahrheit" kollidiert. Niemand möchte mit Wahrheiten konfrontiert werden, die der eigenen in Teilen widersprechen. Wenn ich eine solche kollidierende Wahrheit im Buch lese, dann ignoriere ich diese, und filtere nur diese raus, die mir gefallen. Wenn ich aber kommuniziere mit jemanden, dann ist das eine andere Situation. Ich würde es daher nicht als Problem hinter meiner Erzählung bezeichnen. Sehr oft geht es um den "Wettstreit" von "Wahrheiten" (auch in so manchen Diskussion hier, ohne dass ich hier eine Sekte vermuten würde). Und da ist es doch viel einfacher, die eigene Wahrheit hinauszuposaunen, als mich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen. Noch dazu von jemandem die zu empfangen, der vielleicht die Wahrheit mit Löffeln gefressen hat?! LG, Pagos |
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