Die Abweichung
Sie sind wie die Ratten, sagte unser Ausbilder und einige lachten. Ich nicht. Ich hatte einmal Bilder gemalt und fühlte, wie sie zertreten wurden. Jetzt stand ich bewaffnet hinter den Stacheldrahtrollen, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. Auf der andern Seite diese vielen braunen Gesichter, dieser Müll, dieses Geschrei. Lasst euch nicht prozieren, hatte der Ausbilder gesagt, und ich versuchte, den Blick auf Unendlich zu stellen.
Es war unklar, woher das Flüchtlingsmädchen meinen Namen kannte. Mehrmals schon hatte es ihn mit dünner Stimme von drüben gerufen. Es hatte eine Wunde über den Augen, und als unsere Blicke sich kreuzten, lachte es schwach. Ich schaute besorgt nach der Seite. Doch die Kameraden blickten geradeaus, und so fügte ich mich wieder ein in die Wand, die unser Land beschützte.
Wir ließen uns nicht provozieren. Weder als das Geschrei stärker wurde, weil die ersten nachts in ihren dünnen Hemden erfroren waren, noch als einige vergeblich versuchten, den Draht zu durchbrechen und sich die Adern dabei aufrissen. Wir hielten uns fest am geladenen Gewehr und am geraden Blick. Es fiel kein Schuss, bis endlich der letzte drüben verschwunden war.
Es gab jetzt eine Ausstellung über diese Vorgänge damals. Ich blieb vor einem Kinderbild stehen, das den Stacheldraht zeigte und einen Mann mit Uniform und Gewehr, der mir bekannt vorkam. Es stand ein Name neben dem Mann, und obwohl er undeutlich geschrieben war, wurde ich nervös. Aber eins stimmte nicht auf diesem Bild und war doch der Grund, weshalb ich den Dienst wenig später quittierte. Dieser Mann mit dem schrecklich harten Gesicht, der weinte heimlich.
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