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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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31.07.2023, 12:47 | #1 |
Mein Schweden
Die Sonne lacht als würde sie bezahlt,
sogar mein Nachbar, alter Grisgram, strahlt, auf einmal fängt er an mit mir zu reden: „Wohin geht´s diesmal denn?“, fragt er. „Nach Schweden.“ Ein Weiher, fußläufig im tiefen Wald, dabei ein Hüttchen, wetterschief und alt – ich fand ihn einst auf meinen Waldesgängen, mit forschen Schritt und unter Vogelsängen. Sein Wasser schwarz wie weicher blanker Teer, für mich so gut wie´s große weite Meer. Die Iris blühte und die gelbe Lummel, zwei goldne Augen auch, im Mückenrummel. Libellen, selbstverliebt im Liebesrad, ein Käferich auf dünnem Stängelpfad. Der Himmel blau, mit vielen weißen Tupfen, die Ruhe groß, wie mit der Hand zu zupfen. Der Wald liebkost von Frühlings milder Hand, der Chor der Frösche außer Rand und Band. Und tausend Stern`auf morgendlichen Bäumen, ein rechter Ort, um Alltag weg zu träumen. Auf einmal, da, ein furchtbar lauter Knall der Wald, der Teich erbeben von dem Schall – ein Häher schreit, mich trifft es wie mit Keulen. Erstarrt der frohe Blick. Es war zum Heulen. Am Himmel dann ein seltsam dumpfes Grollen, wie Kampfgewühl von hundert irren Trollen. Zerstört war nun die schöne Einsamkeit. Mein Schweden, ach, ein Paradies auf Zeit. |
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31.07.2023, 16:35 | #2 |
Hallo Traudl,
eine schöne skandinavische Rhapsodie, deren (Mitt-?)sommerstimmung durch den Knall in der vorletzten Strophe schmerzhaft zerrissen wird, mit melancholischem Ausklang. Statt dieser Detonation möchte ich gerne deine schönen Sprachbilder in Erinnerung behalten - das "Wasser schwarz wie weicher blanker Teer" und der "Käferich auf dünnem Stengelpfad" gefallen mir besonders, und den "Chor der Frösche außer Rand und Band" glaube ich förmlich zu hören. Nur das unpoetische Bürokratenwort "fußläufig" erscheint mir als Fremdkörper in deinem handverlesenen Vokabular. Wie würde dir Ein Weiher liegt versteckt im tiefen Wald als Vorschlag für diese Zeile gefallen? (S. 2, Z. 1) Oder ähnlich, dir fällt bestimmt noch etwas Besseres ein... Sommerliche Grüße Cornelius |
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31.07.2023, 19:22 | #3 |
Forumsleitung
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Da müsste rhythmich nachgebessert werden.
Aber inhaltlich ist es herzerfrischend Neues. |
01.08.2023, 09:46 | #4 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.636
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... der nicht erklärte Knall lässt Platz für Spekulationen:
- Donner, würde aber nicht die Einsamkeit zerstören. - Thors Hammer, Armageddon, erklärt alles - Schweden wird angegriffen, erklärt alles, lässt aber neue Fragen aufkommen - u.v.a. wsT dT |
01.08.2023, 10:13 | #5 |
...oder ein Schuss aus der Flinte eines Jägers, der am stillen See einen Elch erlegt?
Wir warten gespannt auf die Auflösung... LG C. |
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06.08.2023, 18:59 | #6 |
Hallo Cornelius,
"Ein Weiher liegt versteckt im tiefen Wald" ja, das ist sie, die reine Romantik! Mit "fußläufig" wollte ich sagen, dass man nicht unbedingt ins ferne Ausland reisen muss, um Waldeseinsamkeit zu finden. Mein Schweden ist nämlich ein Waldgebiet in der Lüneburger Heide. Fußläufig. Natürlich, hier hinkt der Vers, es sei denn, mann liest FUß - läu - FIG. Jetzt hinkt auch der Läufer, denn er ist gerade über eine Baumwurzel gestolpert . . . Ich will mich jetzt nicht herausreden, dein Vorschlag ist sicherlich der elegantere, aber muss ich denn heutzutage reine Romantik dichten? Kann ich nicht auch mal von der Schulmetrik abweichen, ein profanes Wort benutzen, um zu sagen: Romantik, schön und gut, nur wo gibt´s die noch? (Hierzu würde ich gerne mal deine/eure Meinung hören). "...oder ein Schuss aus der Flinte eines Jägers, der am stillen See einen Elch erlegt?" Der Schuss einer Büchse hätte mich nicht so verstört. Hörnerklang und Büchsenknall gehören zum tiefen Wald wie Blätterauschen und Donnerschlag. Hallo, dunkler Traum, Donner, Thors Hammer können nicht so verstörend wirken wie der brutale Knall eines Düsenjets, das gerade die Schallmauer drchbricht, schon deshalb nicht, weil ich den germanischen Götterhimmel liebe. "Kampfgewühl" und "dumfes Grollen" weisen auf eine latente Bedrohung hin, die jederzeit über das Idyll hereinbrechen kann. Sogar die Trolle sind außer Rand und Band . . . Dank und Gruß traudl |
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07.08.2023, 22:34 | #7 |
Liebe Traudl,
auch von mir ein Kompliment für dein Gedicht. Vor allem deine Bilder sprechen mich an. Der Stängelpfad, die gezupfte Ruhe und die bezahlte Sonne. Sehr schön, eine tolle Stimmung. Mir ist nur eines aufgefallen, du verwendest in S3, Z3; S6, Z4; S7, Z3 Präteritum. Ich denke ohne Not. Grad in den letzten beiden Fällen würde ein "ist" nicht nur konsistenter sein, sondern auch noch die Dramatik erhöhen. Die Preussin |
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07.08.2023, 23:54 | #8 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo Traudel,
ich schließe mich meinen Vorrednerinnen an. Romantik ohne Zuckerguss, das passt zu Schweden (auch wenn es in der Lüneburger Heide liegt). Der Vers "Ein Weiher, fußläufig im tiefen Wald" ist trotz Deiner Erklärung in mehrfacher Hinsicht verunglückt. Ein Weiher ist nicht "fußläufig" (es sei denn, Du meinst, er sei fußläufig erreichbar, also in der Nähe des Waldes oder mittendrin. Was hältst Du von "Ein Weiher, nahebei im tiefen Wald" (was auch die Doppelhebung fussläufig (XXx) vermeidet). Den Knall hatte ich mir mit dem Geräusch des Durchbrechens der Schallmauer durch ein tieffliegendes Flugzeug erklärt. Aber das setzt ein Umdieeckedenken voraus und ich würde an der Strophe nochmal feilen. So etwa: Auf einmal, da, ein furchtbar lauter Knall von einem Flieger, der mit Überschall ... Liebe Grüße, Heinz |
08.08.2023, 13:53 | #9 |
Hallo Heinz,
lt. Duden bedeitet fußläufig=zu Fuß erreichbar, begehbar; nicht weit entfernt. "Nahebei" kann nicht im "tiefen" Wald sein, ist aber besser als fußläufig. Ich schlage vor: ...nahebei im weiten Wald ..., denn dann liegt der Weiher eben in Waldrandnähe. Das Wort "Flieger" oder dergleichen wollte ich vermeiden, denn eine unbenannte Bedrohung wirkt m.E. beim Leser unheimlichter als eine bekannte.Trotzdem, dein Vorschlag hat was. Ich werde daraus eine neue Strophe formen. Hallo Die Preussin, mit dem Präteritum wollte ich andeuten, dass er das Paradies seit dem Knall so gut wie für verloren hält, und dass es für ihn jetzt schon in der Vergangenheit existiert. Aber auch was du zum Präsens sagst findet meine Zustimmung. Ich danke euch für die kluge Kritik. Traudl |
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08.08.2023, 15:11 | #10 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Traudel,
der Vers "Ein Weiher, fußläufig im tiefen Wald" gefällt mir nicht so recht. "fußläufig" allein gestellt ist mir unbekannt. Ich kenne das Wort nur im Zusammenhang mit "fußläufig (leicht/schnell) erreichbar" . Aber das ist eine Petitesse. Liebe Grüße, Heinz |
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