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27.07.2023, 07:27 | #1 |
Mit Zachy auf dem Sommerfest Teil 2
Er war nicht weit gekommen, als er das Klappern hoher Absätze hinter sich hörte. Er blieb stehen und drehte sich um. Die Studentin, mit der er auf der Treppe geredet hatte, war ihm hinterher gelaufen und blieb etwas außer Atem neben ihm stehen.
„Ist noch etwas?“, fragte er irritiert. Die Studentin holte tief Luft. „Ich hätte noch ein paar Fragen. Wenn es dich nicht stört.“ Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: „Ich studiere Journalismus und wir dürfen zurzeit Reportagen und Berichte bei der Tageszeitung einreichen. Wenn man Glück hat, werden sie in einer der nächsten Ausgaben abgedruckt. Ich wollte einen Bericht über das Sommerfest machen. Könntest du mir ein paar Eindrücke schildern?“ Matthias tat, als würde er überlegen und sah sich die Studentin genauer an. Kein schlechter Typ, dachte er. Sie hatte dunkles langes Haar, braune Augen, war sehr schlank und ein klein wenig größer als er, was sich auf ihre hohen Absätze zurückführen ließ. Komisch, dass sie ihm nie aufgefallen war. „Ich kann mich gar nicht mehr richtig erinnern“, gab er dann zu. „Jedenfalls gab es umwerfende Cocktails.“ Er grinste. „Gut, würdest du mit mir ein Interview machen?“ „Hier?“ „Nein, natürlich nicht. Ich dachte, wir gehen in die Stadt in ein Café und können uns da gemütlich unterhalten. Oder hast du etwas Wichtiges vor?" „Ich war eigentlich auf dem Weg in die Pizzeria“, sagte er gedehnt. Im Prinzip hatte er keine Lust, sich ausfragen zu lassen. Geld für Café UND Pizzeria hatte er nicht und schon gar nicht dafür, die Studentin einzuladen. „Ins Café lade ich dich ein“, sagte die Studentin in diesem Moment, als könne sie Gedanken lesen. „Ich meine, ich will ja was von dir, nicht? Und wir Journalisten im Studium können das unter Spesen verbuchen.“ Matthias musste lachen. „Wenn das so ist …“ Eine halbe Stunde später saßen sie sich im Café „Zur herrlichen Aussicht“ mit Blick auf den Fluss gegenüber. Nachdem die Bedienung für beide einen Cappuccino gebracht hatte, zückte Judith - so hatte sie sich unterwegs vorgestellt - Notizblock und Kugelschreiber. „Fangen wir mal an. Wie fandest du das Angebot? Stände, Speisen, Getränke, Kurzweil?" „Sehr gut", antwortete Matthias. „Mit wieviel Leuten wart ihr da?" „Ich war nur mit einem Freund da." „Mit Zachy", sagte Judith, und es klang eher wie eine Feststellung als eine Frage. „Stimmt. Woher weißt du das? Kennst du ihn?" „Den kennt doch jeder." Judith spielte mit ihrem Kugelschreiber. „Hat mich ganz schön verarscht, dein Freund." „Wieso?" Matthias war verblüfft. Von einer Judith, die Journalismus studierte, hatte Zachy noch nie etwas erzählt. „Das war so", begann Judith, „ich habe Zachy letzten Sonntag in der Stadt getroffen. Wir waren was trinken und kurz und gut, wir sind im Bett gelandet. Dann sagt er, erzähl das keinem, ich habe eine Freundin, Natalie, aber ich will Schluss machen und ich steh auf dich, Süße, ehrlich. Du bist doch eine von den Mädchen, die den Mund halten können. Ich rufe dich an, sobald die Sache geklärt ist." Matthias' Gesicht war ein einziges Fragezeichen, was Judith völlig falsch interpretierte. „Wir kannten uns schon länger, nicht dass du glaubst, ich spring mit jedem direkt in die Kiste. Und ich dumme Kuh dachte, er steht auf mich. Nun ja, er meldet sich paar Tage gar nicht. Nach fünf Tagen ruft er an und sagt, dass er jetzt doch bei Natalie bleibt. Und Samstag seh ich ihn mit dir auf dem Sommerfest und wo ist Natalie? Bei ihm jedenfalls nicht. War er jemals mit der zusammen?" Matthias wusste nicht, was er antworten sollte und entschied sich schließlich, ein „glaub schon" zu murmeln. Hier war doch etwas gewaltig faul. Oder sollte Zachy tatsächlich an einem Tag zwei Frauen ... Ausgerechnet Zachy? Der war doch alles andere als ein Weiberheld. Ihm fiel etwas ein. „Woher weißt du eigentlich, dass Natalies Eltern sich Sorgen machen?" „Eine Kommilitonin hat mir das erzählt." Judith sah auf ihren Block, fragte ihn noch ein paar Dinge wegen des Sommerfestes - „Was würdest du nächstes Mal anders haben wollen" zum Beispiel - und verabschiedete sich dann. „Vielen Dank für deine Zeit! Ich muss den Bericht noch abtippen." Sie erhob sich und klapperte auf ihren hohen Absätzen davon. Auf dem Rückweg ins Studentenwohnheim drei Stunden später erregte ein Zettel an einer Litfaßsäule Matthias' Aufmerksamkeit. Er trat näher heran und las den handschriftlichen Text. „Wer hat Natalie Grusler seit Samstag gesehen? Sie ist 175 cm groß, schlank, blonde lange Haare, zuletzt bekleidet mit einem Sommerkleid mit hellgelben Muster. Hinweise bitte an die Polizei oder unter..." Es folgte eine Handynummer. Matthias runzelte die Stirn. Sollte das ein blöder Witz sein? Es war noch keine 24 Stunden her, dass er Natalie auf dem Sommerfest gesehen hatte, und der Zettel sah nicht professionell aus, sondern wie hastig aus einem Notizbuch gerissen und heruntergekritzelt. Eine polizeiliche Fahndung war das gewiss nicht. Nichtsdestotrotz fiel ihm ein, dass - sollte Natalie wirklich verschwunden sein - er wahrscheinlich einer der Letzten war, die sie gesehen hatten. Seine Fantasie schlug Purzelbäume, und ihm wurde unbehaglich zumute. Hoffentlich tauchte sie bald wieder auf. Fortsetzung folgt Geändert von DieSilbermöwe (27.07.2023 um 08:50 Uhr) |
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27.07.2023, 15:39 | #2 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Wieso habe ich das Gefühl, bei einem Interview mehr von der Interviewerin als vom Befragten zu erfahren?
H. |
27.07.2023, 16:12 | #3 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Der Unterschied zwischen "Reportage" und "Report" ist, dass Autorin/Autor in ersterem Fall selbst vor Ort gewesen und seine/ihre Beobachtungen selbst gemacht haben muss, während es für eines "Reports" lediglich der Recherche vom Schreibtisch aus bedarf. Die Studentin war auf der Party dabei, also wird es eine Reportage, wie sie eingangs auch sagt. Kleine Klugscheißerei. Journalistisches Schreiben war bei meinem Autorenlehrgang vier Monate lang das Thema. LG Ilka |
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27.07.2023, 17:37 | #4 | |
Danke, Ilka für deine Erklärungen.
Zitat:
Klar hätte ich jetzt auch ein stinklangweilges Interview runterschreiben können, das niemanden interessiert. Spielt für meine Geschichte aber keine Rolle. Beschäftige dich einfach mal mit Plotten einer Geschichte. Spannend macht man sie nicht dadurch, dass man jeden unwichtigen Kram akribisch aufzählt. |
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27.07.2023, 19:29 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo Silbermöwe,
Deine Belehrung "Beschäftige dich einfach mal mit Plotten einer Geschichte" nehme ich zur Kenntnis und bin noch nicht einmal beleidigt wegen der durchscheinenden Überheblichkeit. Ich nehme nicht an, dass Du ausprobieren möchtest, wer von uns beiden zickiger ist. Die Frage, ob es um ein Interview oder eine Reportage ging, ist von Ilka-Maria geklärt. Meine Frage oder fragende Bemerkung war lediglich sachbezogen: Die Studentin (ich nehme gern Ilka-Marias Erklärung zu meinem ausbaufähigen Wissensschatz dazu) bereitet eine Reportage über ein Sommerfest vor. In Deiner geschilderten Szene erfahre ich sehr viel (mein Gefühl mag mich trügen) mehr von der Studentin als von dem Sommerfest und dem jungen Mann namens Matthias. Sie - trägt Schuhe mit hohen, klappernden Absätzen - ist Studentin - gerät schnell in Atemnot - studiert Journalismus - bereitet eine Reportage über ein Sommerfest vor - ist ein toller Typ - hat dunkles, langes Haar und braune Augen - ist schlank - ist fast gleichgroß wie Matthias - lädt ihn auf ihre Kosten in ein Cafe ein - dass sie beim ersten Kennenlernen des Freundes Zachy mit dem gleich im Bett landete Vom Sommerfest erfahren wir, dass - es umwerfende Cocktails gab - das Angebot (Speisen, Getränke usw.) sehr gut war - Matthias mit seinem Freund dort war Die Überschrift lautet "Mit Zachy auf dem Sommerfest" - und das einzige, was ich erfahre, dass es Cocktails gab, das Angebot ansonsten sehr gut war. Ach so, was das Plotten angeht: Ich plotte nicht. Und ich werde auch nicht plotten. Gruß. Heinz |
28.07.2023, 07:20 | #6 | ||
@Heinz
Zitat:
Und genau, die Überschrift lautet: „Mit Zachy auf dem Sommerfest." Logisch, dass die Geschichte mehr von Zachy und Matthias und den Leuten handelt, die sie getroffen haben als davon, welche Getränke und welches Essen es auf dem Sommerfest gab, welche Spiele gespielt wurden und ob der Bürgermeister eine Rede gehalten hat oder der Stadtrat da war. Welchen Leser sollte das interessieren? Zitat:
Ich habe jede Menge Bücher über das Geschichten schreiben gelesen und mich eingehend damit beschäftigt. Und ich weiß, dass es Unsinn ist, die Leser mit Dingen zu langweilen, die für die Geschichte völlig unerheblich sind. Schöne Grüße DieSilbermöwe |
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28.07.2023, 08:03 | #7 |
Forumsleitung
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Kommt wieder auf den Boden, ihr beiden. Die Aufregung ist überflüssig. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt.
Es handelt sich um eine Fortsetzungsgeschichte, und erst allmählich entfaltet sich, wohin die Reise gehen soll. Wie stark die Party dabei eine Rolle spielt und welche Details erwähnt werden sollen oder nicht, wird sich später erweisen. Für diese "Weisheit" gibt es ein gängiges Beispiel in der Autorenwelt und Filmproduktion: Wenn am Beginn einer Geschichte in einer Wohnung ein Gewehr an der Wand hängt und dies schriftlich oder bildlich gezeigt wird, kann es dafür zwei Gründe geben. Das Gewehr kommt später zum Einsatz und beeinflusst wesentlich die Handlung; oder aber es ist nur Teil einer Dekoration, die etwas über den Charakter einer Figur aussagen soll. Zugegeben: Ich habe etliche Passagen der Geschichte nur quer gelesen. Mir scheint jedoch, dass der Fokus auf den Beziehungskisten bestimmter Personen (ob real oder nur erhofft) liegt und die Sache auf einen Krimi zuläuft: Natalie ist verschwunden, so spurlos, dass öffentlich nach ihr gefahndet wird. Mal sehen, wie es weitergeht. |
28.07.2023, 08:53 | #8 | ||
Zitat:
Zitat:
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28.07.2023, 09:40 | #9 |
Forumsleitung
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Kann man, aber dann als Gegenstand innerhalb der gesamten Dekoration. Könnte man an Beispielen näher erläutern, würde hier aber von deiner Geschichte wegführen. Deshalb nur nebenbei.
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Lesezeichen für Mit Zachy auf dem Sommerfest Teil 2 |
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