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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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20.03.2006, 12:23 | #1 |
gesperrt
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Gedenken ohne Stele
Als ich heut -rechts- auf dem Bürgersteig ging,
Klopapierkolonne lässig unterschultert, da sah' ich nen alten Mann. Er kam mir entgegen und hatte den einen Ärmel in der Tasche, der andere hing schlapp herunter. Trug ne Brille wie Honecker, kam mir vor wie der Letzte seiner Art. Und kaum als ich einbog, in den Hof, da flog ein blauer, kleiner Vogel pfeilschnell unter den Zäunen hindurch, zehn Zentimeter über dem Boden herbei. Ach, wär der alte Mann doch jung wie ich! Er hätte den Vogel gesehen und nicht die Kugel gespürt. Das Alpenveilchen auf meiner Fensterbank weigerte sich zwei lange Jahre zu blühen. Nun trägt es wieder rot. Der Blick des Alten war ohne Gram, fast frisch. als sagte er: So frei! |
20.03.2006, 19:02 | #2 |
Hei Ra-Jah,
Schön, auch einmal wieder was von dir zu lesen (oder hab ich's bisher nur übersehen?). Gefällt mir, die flapsige Sprache empfinde ich ausnahmsweise als passend und nicht wie üblich als Störfaktor. Schön. Ich mag den Inhalt in Verbindung mit dem Titel und die Symbolik hinter dem Alpenveilchen. Gern gelesen. Guardian |
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20.03.2006, 21:23 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Obwohl es schwer zugänglich ist
erschafft es doch eine dichte Atmosphäre, wie eine mit schnellen Strichen gemalte Tuschezeichnung. Ich verstehe allerdings nicht, was Stele bedeutet, falls es eine Bedeutung hat. Es ist jedenfalls nicht der Essener Stadtteil.
Was mir sehr gut gefällt ist diese Ambivalenz aus Lebensmut und Melancholie (ich weiß, dass man Melankolie jetzt so schreiben soll, aber ich finde dieses Wortgebilde als monströs, und weigere mich), dieses verbale Spiel mit Leben und Tod... |
20.03.2006, 21:56 | #4 |
gesperrt
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Vielen Dank ihr beiden, hatte ja garnicht mehr mit Feedback gerechnet.
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