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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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14.08.2022, 19:00 | #1 |
Dornröschens Erwachen - aus der Sicht der Betroffenen
Dornröschens Erwachen - aus der Sicht der Betroffenen
Dem harten Schicksal - sie entflieht ihm nur durch Schlafen. Die Dornenhecke zieht sich um sie fest. Gestorben sind fast alle, die sie jemals trafen. In tiefer Ohnmacht liegt der ganze Rest. Die Dornenhecke zieht sich um sie fest. Sie ist in ihrer Jugend grausam eingefroren. In tiefer Ohnmacht liegt der ganze Rest. Die Welt hat sie verlegt - so galt sie sie als verloren. Sie ist in ihrer Jugend grausam eingefroren. Ein Kuss wirft sie dem Leben wieder hin. Die Welt hat sie verlegt - so galt sie als verloren. Nun sieht sie im Erwachen keinen Sinn. Ein Kuss wirft sie dem Leben wieder hin. Die Zeit, die sie verstanden hat, ist längst vergangen. Nun sieht sie im Erwachen keinen Sinn. Ein fremder Mann begrapscht sie ständig an den Wangen Die Zeit, die sie verstanden hat, ist längst vergangen. Alleine gehen kann sie keinen Schritt. Ein fremder Mann begrapscht sie ständig an den Wangen. Wo sie auch ist - die Angst kommt immer mit. Alleine gehen kann sie keinen Schritt. Gestorben sind fast alle, die sie jemals trafen. Wo sie auch ist - die Angst kommt immer mit. Dem harten Schicksal- sie entflieht ihm nur durch Schlafen. Hannah May im August 2022 |
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14.08.2022, 19:58 | #2 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Schreibfan,
ich vermute, es handelt sich bei Deinem Dornröschengedicht um ein Pantun. Falls dem so ist - Kompliment für die Ausführung (wobei ich gestehe, dass mich die Form des Pantun nicht zu Jubelstürmen anregt). Ob Du die inhaltliche Aussage des Grimmschen Märchens richtig getroffen hast, ist eine andere Frage. Die Protagonisten inkl. der Hunde und Pflanzen sind ja nicht gestorben, sondern in einen hundertjährigen Schlaf gefallen. Und das war schon eine Minderung des Fluches des dreizehnten ungeladenen Gastes, denn der Stich mit der Spindel führte nicht zum Tod der Prinzessin, sondern "nur" zu dem hundertjährigen Schlaf. Der Prinz, der sich durch die gewachsene Dornenhecke kämpfte, küsste die Prinzessin und alle wurden wieder wach - also: Happy End. Psychoanalytisch wurde das Märchen dutzendfach interpretiert (War der Stich mit der Spindel in die Finger eines 15-jährigen Mädchens eine Defloration/wollten die Erzähler vor der "bösen Dreizehn" warnen usw.?). Deine Interpretation geht an der Märchenerzählung vorbei, ist aber gut gemacht. Liebe Grüße, Heinz |
15.08.2022, 00:44 | #3 |
Lieber Heinz,
danke dir für deine Ausführungen. Genau, das Gedicht ist ein Pantun. Passt nicht immer, aber in diesem Fall fand ich die Form auf skurrile Form passend, da Dornröschen sowohl nach als auch vor der "Befreiung" ihrem härteren Schicksal (einmal dem Tod und einmal dem Leben) entkommt. Ich halte mich also durchaus an den Verlauf des Märchens, da ja eine andere Fee das Todesschicksal abwendet in einen langen Schlaf. Gestorben sind auch nur "fast alle, die sie jemals trafen", der Rest ist in "tiefer Ohnmacht". Inwiefern der überlebende Trupp allerdings für Dornröschen hilfreich war, ist mehr als fraglich. Was ein Mann mit einer schlafenden Frau angestellt hat, bevor Vergewaltigung strafbar war, auch. Bleiben wir mal bei der kinderfreundlichen Variante mit dem Kuss. Aus Sicht der Gebrüder Grimm lebte Dornröschen - nun endlich mit einem starken Mann an ihrer Seite - sicherlich glücklich bis an ihr Lebensende. Aus der Sicht eines im Frauenkörper lebenden und als Frau sozialisierten Menschen ist der Ausblick auf ihr weiteres Schicksal mehr als nur gruselig. Da fragt man sich ernsthaft, ob das Koma nicht die bessere Alternative ist... LG Schreibfan |
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15.08.2022, 00:50 | #4 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Schreibfan,
ich habe ein bisschen bei einem meiner Lieblingsprofessoren (Prof. Heinz Rölleke) studiert. Er gilt als großartiger Spezialist für Märchen. Eines habe ich mit Gewissheit nie vergessen: Es gibt keine Gebrüder Grimm! Bitte schreib künftig von den Brüdern Grimm. Liebe Grüße, Heinz |
15.08.2022, 18:35 | #5 |
Hallo Heinz .
Hast du auch Sprachwissenschaft studiert? An der Betitelung von Jacob und Wilhelm Grimm scheiden sich nämlich die Geister. Sprachwissenschaftler nennen sie meist "Bruder Grimm", da hast du recht. Allerdings gibt es auch den Ansatz, dass historisch gesehen "Gebrüder Grimm" deshalb akzeptabel ist, da die beiden schon zu Lebzeiten so genannt wurden. Wir können uns ja auf Jacob und Wilhelm Grimm einigen. Geändert von Schreibfan (15.08.2022 um 19:46 Uhr) |
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15.08.2022, 19:04 | #6 |
Forumsleitung
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Märchen unterliegen einer strengen Form und verschließen sich von daher jeglicher anderen literarischen Form. Wer immer versucht sie in eine andere Form zu presssen, muss scheitern.
Man hat das z.B. bei Verfilmungen. erfahren Da hat die Prinzessin einen Namen, und schon ist sie keine besondere Figur mehr, sondern die Kunigunde, die Sieglinde, die Friedrune oder sonstwer. Aber keine Figur mehr, mit der man sich identifzieren möchte. Anders bei Märchen. Dort stehen die Figuren für alle Jungen und Mädchen, für alle Männer und Frauen, Jeder findet sich in ihnen wieder. Wenn sie Namen tragen, dann Allerweltsnamen wie Hans und Gretel oder Maria. Die Figuren sind nicht durch Namen, sondern durch ihre Besonderheiten gezeichnet: Der eine erschlägt in einem Schwung sieben Fliegen, der andere erlegt Riesen, ein anderer kann einen ganzen See in einem Zug austrinken, und noch ein anderer legt sieben Meilen in kurzer Zeit zurück, weil er die richtigen Stiefel trägt. Von der streng litararischen Form des Märchens ist dein Gedicht weit entfernt. ich empfehle dir, Max Lüthi über das Wesen des deutschen Volksmärchens zu lesen. |
15.08.2022, 19:44 | #7 |
Danke, Ilka Maria fürs kommentieren.
Nö, mein Gedicht ist kein Märchen, hab ich auch an keiner Stelle behauptet. Es ist ein Gedicht zu einem Märchen. Ich hab mich im Studium ja auch mit dieser literarischen Gattung beschäftigt, es gibt ja einen regelrechten Katalog, dem eine Geschichte entsprechen muss, damit sie als Märchen bezeichnet werden darf. Noecks Gedicht über Schneewittchen, von dem ich inspiriert wurde, ist ja auch kein Märchen. Deswegen stehen diese Gedichte auch hier drinnen und nicht in der Rubrik Märchen... LG Schreibfan |
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15.08.2022, 23:29 | #8 |
Forumsleitung
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Können sie auch nicht. Denn eine solche Rubrik gibt es in Poetry nicht.
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16.08.2022, 00:06 | #9 |
Es gibt doch "Geschichten, Märchen und Legenden"
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16.08.2022, 00:18 | #10 |
Forumsleitung
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Stimmt. Und deshalb glauben viele Geschichtenschreiber, eine Geschichte oder eine Legende habe etwas mit Märchen zu tun.
Die Rubrik sollte nicht so heißen, sie ist irreführend. Ebenso, wie nicht jede Geschichte eine Legende ist. Aber die Rubrik hieß schon so, bevor ich das Forum übernahm. Diese Bezeichnung ist völlig falsch. Sie sollte heißen "Geschichten und Erzählungen". Vielleicht bin ich, was Märchen betrifft, überempfindlich. Ich hatte mich mit dieser Gattung lange Zeit auseinandergesetzt und eine Prüfungsarbeit darüber geschrieben. Am Beispiel "Schneewittchen" und "Die sieben Raben". In dieser Hinsicht bin ich also vorbelastet und überkritisch und bitte deshalb, mir das nachzusehen. |
16.08.2022, 00:44 | #11 |
Verstehe ich gut, liebe Ilka Maria. Märchen sind auch wirklich eine spezielle Gattung. Ich wundere mich auch, was alles als Märchen bezeichnet wird...
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16.08.2022, 00:53 | #12 |
Dabei seit: 10/2006
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Beiträge: 7.879
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Liebe Schreibfan,
dass ich bei H. Rölleke ein paar Semester studiert habe, ja, das stimmt. Aber zu den Sprachwissenschaften bin ich nicht hinauf gestiegen. Mein Studienfach hieß einfach "Deutsch für das Lehramt" und das gab nir alle Freiheiten bei der Wahl des Professors, der Themen und der Formen des Lehrens (Seminare, Vorlesungen), und diese Freiheiten habe ich ausgenutzt. Was Ilka-Maria zu den Märchen sagt ist alles richtig. Vielleicht kann man ergänzen, dass die achterlastige Dreistufigkeit (bei den meisten deutschen Märchen vorherrschend) durchaus als grimmsche Nach- oder Aufbereitung der gesammelten Haus- und Kindermärchen gelten darf. Die Brüder Grimm, so darf man annehmen, brachten die Märchen in die ihnen gemäß erscheinende Form. Märchen haben neben der Dreistufigkeit und Achterlastigkeit noch andere Merkmale, z.B. gereimte Einschübe oder Transzendenz. Zweifel darf man haben, wenn die Märchen als Lektüre für Kinder definiert werden. Dass sie kindgerecht niedergeschrieben wurden, dürfte auch von den Grimms erfunden worden sein. Deswegen ziehe ich die Grenzen zu dem, was Märchen sind, für mich nicht zu eng und scheute mich in jungen Jahren nicht, meine Liebste ein Märchen zu nennen. Liebe Grüße, Heinz |
16.08.2022, 01:11 | #13 | |
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Zitat:
Ich hätte das unter Dampfplauderei (früher "Gesäusel") abgelegt. Sorry. Du weißt ja ... |
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16.08.2022, 01:23 | #14 |
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Beiträge: 7.879
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Ob meine Liebste die Anrede "Märchen" romantisch fand, weiß ich nicht.
Ich befand mich am Beginn meines Studiums und hatte durch einen Scherzbold eine angeblich merkfähige Definition von dem Begriff "Märchen" bekommen. Diese Definition hatte in irgendeiner Form die Zahl sieben als Merkmal. - siebenjährige Mädchen bringt man ins Bett und erzählt ihnen ein Märchen - siebzehnjährigen Mädchen erzählt man ein Märchen und bringt sie ins Bett - siebenundzwanzigjährige Frauen sind ein Märchen im Bett (siehst Du, da hab ich es her - siebenunddreißiigjährige Frauen und ältere sagen: Erzähl keine Märchen, komm ins Bett Das ist natürlich niveaulos und reichlich platt, aber als unerfahrene Bengels haben wir darüber gelacht. H. |
16.08.2022, 01:31 | #15 |
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Tja, irgenwie blöd. Schon für eine Siebzehnjährige. Und für jede zehn Jahre Ältere erst recht. Deshalb wundert es mich nicht, dass junge Mädchen alte Kerle nehmen. Die lachen nicht mehr, sondern bezahlen.
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16.08.2022, 06:52 | #16 | |
Zitat:
kannst du die Rubrik nicht einfach umbenennen? Vielleicht sogar in „Geschichten, Erzählungen und Novellen", das fände ich noch besser. Ist nur ein Vorschlag. Und für Märchen dann eine Extra-Rubrik. Hallo Schreibfan, ich wollte eigentlich nicht kommentieren, weil ich es nicht mag, wenn Märchen „umfunktioniert" werden. Aber das ist Geschmackssache und das Pantun ist auf jeden Fall gelungen. LG DieSilbermöwe |
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16.08.2022, 08:48 | #17 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Wer kennt den Unterschied zwischen Märchen, Sage und Legende? Mit einer Novelle sieht es ähnlich aus: Was meinst du denn, was eine Novelle von einer Geschichte unterscheidet? Und ab wann ist eine Geschichte keine Geschichte mehr, sondern eine Erzählung? Und was unterscheidet davon einen Roman? |
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16.08.2022, 12:03 | #18 |
Dabei seit: 10/2006
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Beiträge: 7.879
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Liebe Ilka-Maria,
wer kennt den Unterschied zwischen Märchen, Sagen und Legenden? Du hast weiter oben einen wertvollen Tipp (Max Lüthi) gegeben. Die Befolgung könnte ein bisschen mehr Klarheit schaffen. LG Heinz |
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