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08.05.2007, 21:34 | #1 |
Eiskristall
Eiskristall
Ich erwache in einem Käfig aus Glas, umgeben von Eiskristallen und erfroren in endlosen weißen Bandagen die sich um meine Arme und um meine Beine krallen. Milchiges Weiß umzieht meinen nackten Körper in ewiger Starre und verbreitet in mir Angst und Panik - Panik vor Unabwendbarkeit und Hilfelosigkeit. Einem Wege ohne Rückkehr oder einer nicht mehr reversiblen Entscheidung gleich. Meine mit kalten Flocken versehenen Augen starren in den Schlund einer kalten Sonne ohne Feuer. Ich friere. Meine Haut färbt sich langsam lila und das Fleisch darunter nimmt schleichend die Konsistenz einer toten Qualle an. Ich versuche den Mund zu einem Schrei zu öffnen. Da kriecht mir flüssiges Eis in den Mund und befällt einer Pilzkolonie gleich meine Atemwege, die Luftröhre hinunter bis in die Lunge hinein. Ich spüre einen stechenden Schmerz bei jeder Aveole, die im Todeskampf erstarrt. Auch meine Augen befällt ein dünner Film aus Eis. Doch trotz des Schleiers sehe Ich die Welt um mich herum in ungewohnter Schärfe. -Doch alles, alles besteht nur aus Milchglas und Kälte. Meinen Mund habe Ich noch immer geöffnet. Ich kann ihn ebenso wenig schließen wie meine Augen, beide sind starr und vereist. Wie Spritzen bohren sich tausende kalte Schauer in mein Zahnfleisch, als das Eis auch dieses langsam erstarren lässt. Eine Zahnspange aus Kälte, Angst und Schmerzen. Da sind Gesichter - Glotzaugen und Gaffmünder, Grabschhände und Plattfüße - hinter der Milchglasbarrierre, welche meine Welt umschließt. Hirnlos gaffen sie in mein Gefängnis aus Frost und Nebel. Fesseln an Geist und Seele halten mich an meinem Platz. Meine blutleeren Finger krümmen sich ein letztes Mal, ehe sie sich in sinnlose Erfrierungen an den Armstümpfen verwandeln. Und doch ist mir vollkommen bewusst, dass Ich nicht sterben werde. Ich sterbe nie. Die Kälte konserviert alles, behält jegliches Leben in sich. Ein jeder Herzschlag wird einzeln in frostigen Glasscherben aufbewahrt. Die Gesichter an der Milchglasfront kommen und gehen, doch sie bleiben nie lange. Jedes einzelne von ihnen betrachtet mich dabei wie ein totes Tier, das überfahren auf der Strasse verrottet. Mit geheucheltem Interesse und maskeraderhaftem Mitleid verfolgen sie - doch in stiller Genugtuung schwelgend - den qualvollen Niedergang einer Existenz. Da splittert irgendwo irgendetwas, es riecht nach frisch gebrochenem Glas. Plötzlich rammen sich gefrorene Dolche in mein Rückenmark. Blut flieht aus Wunden und wird nur vom fauchenen Frost aufgehalten. Ironischerweise brennt jeder einzelne Schnitt an meinem Rücken, als ob er mit Salzsäure beträufelt worden wäre. Elmsfeuer züngeln über meine schwarzen, toten Körper, eisig wie die See, trocken wie die Wüste. Stumm und taub warte Ich und hoffe auf Erlösung. Stunde für Stunde verrint der Sand der Zeit wie Salz in meine Wunden. Ich spüre meine Innereien mit der Zeit verfaulen und zu Asche verrotten. Tausende von Maden ergießen sich aus meinem Makrokosmos in die Freiheit, nur um gleich wieder, hintergangen vom trügerischen Schein des Lebens, in der erbarmungslosen Kälte meines Eisgefängnisses zu kaltem Glas zu errstarren. Und so hänge hier nun schon Dekaden, wartend auf den letzten Kollaps vor der Stille. Gesichter, einst kommend und gehend, grinsen nun von draussen als bleiche Knochenfratzen in meinen Eissarg. Das Ende der Zeit ist eine sehr lange Angelegenheit. Sehr lang - und unendlich eisig. Ich bin das wohl noch letzte lebendige Wesen eines untergehenden Zeitalters. Falls mein Zustand lebendig betitelt werden kann. Aus stigmataähnlichen Wunden tropft mir immer wieder flüssiges Eis, genährt von dem letzten Quell des Lebens. Dann erstarre Ich, vergehe. Vergesse meine Herkunft, ersehne was einst gegeben und verloren, nicht wiedergeboren und nun endgültig erfroren, im leisem Schlummer des scharfkantig funkelnden Kummers. Der Weg verliert sich mit der Zeit - und der Kampf versiegt, in Beständigkeit. Ich versuchte allem zu entgehen, aller Konfrontation - und erstickte letztendlich an mir selbst - an meiner eigenen Resignation. |
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09.05.2007, 15:39 | #2 |
ich fand den text sehr schön zu lesen. Ich bin erstaunt wie wirklich es sich angehört hat und ich muss zugeben ic habe eine Gänsehaut und es freiert mich ein wenig
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09.05.2007, 22:57 | #3 |
Vielen Dank für die positive Rezesion.
Ich hoffe es freiert dich nicht zu sehr (sorry, aber der ist einfach zu gut ) |
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09.05.2007, 23:53 | #4 |
Mittlerweile binich wieder aufgetaut und spüre auch meine Zehen wieder udn Arme wieder.
was hat dich getrieben so eine eiskalte atmosphäre zu erschaffen. gruß roan PS:Siehst du und auch so bleibt diese Geschichte weiter in den top 5 |
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10.05.2007, 00:23 | #5 |
Allerdings kommt man auch vom Gedicht weg, und spammt die Top 5 mit irgendwelchen unsachlichen Kommentaren zu
Back to Topic: Zur Erschaffung dieses eiskalten Vergnügens trug ohne Zweifel ein vor kurzem eingetretenes,niederschmetterndes Ereignis bei - ebenso wie eine natürliche Affinität zur Kälte... Gruß MorFeus |
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12.05.2007, 15:36 | #6 |
ich find es *brrrrrrrrrrrrrrrrrr*
is verdammt gut geworden, die atmosphäre, die wunden und die blicke der meschne sind genial beschrieben bin neu hier, gibst noch mehr davon? bzw mehr von dir? |
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12.05.2007, 20:27 | #7 |
@ saga:
Vielen Dank für das große Lob. Mehr von mir gibt es, wenn du einfach auf mein Profil klickst, dort kann man alle Werke bewundern Gruß MorFeus |
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12.05.2007, 22:56 | #8 |
Wenn ich so über den Protagonisten nachdenke muss ich immer an Ötzi denken. Das Bild passt irgend wie zu ihm. Besonders mit der Probe wirkt es meiner Meinung nach noch authenthscher.
gruß roan |
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12.05.2007, 22:59 | #9 |
@Roan: Das gehört nun wirklich nicht mehr zu dem Text. Bequatsch das per PN oder Chat mit MorFeus. Andernfalls muss ich das als Spamming werten und entsprechend handeln.
Grüße Struppigel - Forenleitung - |
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16.05.2007, 12:18 | #10 |
... 8o 8o 8o ist das ein geiler text =) hab schon lange keinen soooo guten text gelesen an dem ich nicht mal etwas zu mäkeln hab. respekt!
ich mag deinen schreibstil, konnte mich sehr sehr gut in deinen protagonisten hinenversetzen und mit ihm fühlen. einfach genial... meine stimme haste lg, katha |
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16.05.2007, 20:22 | #11 |
@ Katha:
Vielen Dank für die nette Kritik und das große Lob Gruß MorFeus |
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