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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft. |
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20.06.2007, 21:08 | #1 |
Rattenlied
Rattenlied
Stumm bist du geworden, Schatz. Und stechend ist dein kalter Blick. Komm Herzchen! Wir bringen der Königin die vergifteten Köder und kratzen all ihre Töchter tot. Ach, sprich Mäuschen! Lass uns nachschauen, was von der Katze übrig blieb, die gestern im Kanal versoff. Oder möchtest du lieber dem Kettenhund noch einmal ins Fressen pissen? Ich schau dir zu dabei. Mach's Maul auf, Liebchen. Atme! |
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20.06.2007, 22:30 | #2 |
RE: Rattenlied
Hallo Ro,
berührt mich irgendwie... Stärke aufbringen in all der Sinnlosigkeit des alltäglichen Treibens. Mich berührts... Jeanny |
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21.06.2007, 14:27 | #3 |
Liebe Jeanny, vielen Dank für den Kommentar. Aber ich fühle mich vollständig unverstanden.
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21.06.2007, 15:53 | #4 |
RE: Rattenlied
hi, ro,
ja, das verstehe ich...ich sehe in deinem text etwas extrem böses, herrje. die ratte ist tot...sie war es die starr vor sich hinblickt, dem hund ins fressen pisst, tot viecher im kanal annagte,...und jetzt ist sie selber tot.ohje.berührt mich auch, aber vor allem wegen deiner bosheit. gift? lg a |
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21.06.2007, 16:07 | #5 |
RE: Rattenlied
Hallo Ro,
sorry, ich denke wahrscheinlich zu weich... Liebe Grüße Jeanny |
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21.06.2007, 23:10 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Ro,
ich lese aus deinem Text animalische Rohheit. Er fasziniert und stößt zugleich ab. Ausgestoßene, Penner, Straßenkinder - sie mögen manchesmal so leben. Ich mag den Text nicht in seiner Aussage. Ich wünschte, ich hätte ihn nicht gelesen. Auch stelle ich mir unter einem Gedicht einen ver-dichteten Text vor. Deiner ist mir zu prosaisch. Ich könnte mir vorstellen, das daraus, etwas erweitert, eine spannende Kurzgeschichte werden kann. Aber Gedicht? Nein. Dazu fehlen mir viel zu viele Merkmale. Mit Gruß, Tigerauge |
21.06.2007, 23:20 | #7 |
Brillianz kann ich da nur sagen. Bitterböser Humor in Deiner mir höchsterfreulichen Stilistik. Ich hoffe, dass ich bald wieder mehr von dir lesen darf.
plüschigst Al-eX |
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22.06.2007, 01:02 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
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hi ro,
gibt es stärkere Intensitäts- und Zuneigungsgesten für einen Dichter als: „Brillianz (...) mir höchsterfreulichen Stilistik (Al-eX), „animalische Rohheit (...) Ich wünschte, ich hätte ihn nicht gelesen“ (Tiegerauge), „ich sehe in deinem text etwas extrem böses, herrje“ (apnoe)? dein rattenlied gefällt mir ro, weil es nicht so brav ist. beim ersten lesen musste ich über deine sprachlichen provokationen und „unwörter“ laut schallend lachen: wie mutig, dacht' ich mir. beim zweiten lesen wurde ich trauriger: in meinen augen geht es um das bedauern eines verstorbenen wesens (ratte, maus?), welches tod am boden liegt. das aufrüttelnde wieder-ins-leben-rufen-wollen hast du meisterlich gestaltet – ohne eine einschränkung. ich schließe mich daher der von Al-eX formulierten Hoffnung an! lg, deja_vu |
22.06.2007, 23:14 | #9 |
Wow. Ich bin jetzt wieder ein Tagedieb! Danke Struppigelchen. Und einen Dank an jeden Einzelnen für ihren/seinen Kommentar.
Tigerauge, zwei Fragen: Welche Aussage hat der Text für Dich? Und was ist diese vielbeschworene Verdichtung eigentlich? Edit: Noch eine Frage: Welche Merkmale fehlen Dir? @ deja vu: Ja, es geht um ein Bedauern und es sterben traurigerweise in dieser Welt eben nicht nur die Wesen, sondern manchmal auch das was Menschen tief miteinander verbindet. Dann leiden wir mitunter viehisch und können es vielleicht gar nicht richtig begreifen ... (Alex, Deine Avatare sind immer wieder wunderbar.) |
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23.06.2007, 15:52 | #10 | |
Gast
Beiträge: n/a
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Zitat:
1.Aus der Gesellschaft Ausgestoßene schlagen sich durchs Leben. 2. Weglassung von Überflüssigem. Ganze Sätze gehören zu Prosa. 3. siehe Punkt 2. Lyrisch-poetische Wortwahl. Ich meine damit kein Schmalz, nicht, dass du das falach verstehst. Im Übrigen bin ich mir sehr sicher, dass du schon weißt, was ein GEDICHT ausmacht Pardon für die etwas kurzgehaltene Antwort. Ich wollte dich jedoch nicht warten lassen. Gruß TA |
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23.06.2007, 17:21 | #11 |
Hallo zusammen, Hallo tagedieb,
mich hat der Text gleich zu Beginn fasziniert und ich strich wie eine Katze um ihn herum. Sicher hat er prosaischen Charakter, jedoch spricht dieser Aspekt einem Text die Verdichtung / Dichte nicht ab. So auch hier. Was meine Leseweise des Textes anbelangt, so ist sicher eine Rohheit herauszulesen, gleichsam aber auch eine Diskrepanz zwischen Erzähltem und aktuell Gesagtem. Wieder und wieder werden (Nar)Kosenamen eingebunden, die sich wie ein Keil zwischen die dunkel und bewußt abstoßend gestalteten Textelemente drängen. Hier ist also nicht nur die Gegengewichtung im Bilde, sondern auch eine buchstäbliche zu finden: Vokabular wie Liebchen & Maul aufmachen bzw. Mäuschen / ins Fressen pissen beißt sich nicht nur förmlich. Und der abstoßende Charakter hat insofern etwas einnehmendes, als dass es wirkt, als wolle das lyr. Ich durch eine Art ekelbehaftetes Abschirmen das lyr. Du für sich behalten, nur für sich. Allein durch obige Aspekte erhält der Text eine große Spannung. Das nicht nur in bezug auf die Szene, sondern wie gesagt, auch sprachlich. Das anfänglich "stechende" kann in meinen Augen nicht nur auf den fixierend-starrenden Blick bezogen werden, sondern mag auch Anzeiger für den bohrenden Bilderschluckauf des lyr. Ichs sein. Ein Übermalen des Verlebten, der Gegenwart mit der 'reizenden' Vergangenheit. Im wortwörtlichen Sinne widerwärtig, also nicht abartig, sondern gegen das Wärtige / Aktuelle. Alles appellartige Bemühen kann aber nichts daran ändern, dass das lyr. Du oder eine seiner Eigenschaften erstickt ist, erstickt ob der Gegenwart, ob irgendetwas. Das, was verbunden hat, Gemeinschaft war, ist entschlafen und dabei ist wohl herauszulesen, welchen Status das lyr. Du einnahm: "Wir bringen der Königin die vergifteten Köder und kratzen all ihre Töchter tot" Königin ist im Sinnen des lyr. Ichs das, was dem lyr. Du gebührt. Seltsamerweise erinnerte mich diese Stelle immer an foldende Passagen aus "Der Wahnsinn" von Rilke, obwohl sicher fernab Ich bin... ich bin... Wer bist du denn, Marie? Eine Königin, eine Königin! [...) da wurde Marie Melodie, Melodie Losgelöst davon hat mich der Übertrag in die Rattenwelt sehr eingenommen und so wie der Text gehalten ist, erscheint es mir alles in allem mehr als nur passend. Einzig und allein dachte ich daran. die Zeilenumbrüche stellenweise anders gestalten zu wollen, aber davon bin ich ab. Äußerst gerne gelesen und nominiert. Grüße 'Andi' |
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23.06.2007, 18:23 | #12 |
Liebe Tigerauge, es steht Dir natürlich frei die Thematik des Von-Der-Gesellschaft-Ausgestoßen-Seins in meinem Text zu finden. Das ist das Schöne an Gedichten, dass wir oft Dinge darin finden, die der Autor oder andere Leser noch nicht sahen. Ich möchte Dir allerdings darin widersprechen, dass ein Gedicht für gewöhnlich keine ganzen Sätze enthält. (Schau mal Gedichte vom guten alten Rilke an, den Andi ja schon angesprochen hat. Du wirst Sätze finden mit perfektem Satzbau.)Und dass eine lyrische Wortwahl unabdingbar von nöten wäre, bezweifle ich auch. (Brecht z.B. ist ganz oft eher derb als lyrisch.) Nach der Verdichtung habe ich gefragt, weil das vermeintliche Fehlen derselben oft als ein Totschlagargument verwandt wird. Aber ehrlich: Was ist denn eigentlich Verdichtung in Deinen Augen?
(Ich krame mal in der Theoriekiste ...) Unter Verdichtung wird die Zusammenlegung von Erinnerungen, Vorstellungen und Gedanken verstanden, die ursprünglich nur eine ähnliche Affektbesetzung oder ein ähnliches Motiv gemein hatten. Lacan setzte die Verdichtung mit der Metapher gleich, lesen wir bei M. Autiqet („Die Psychoanalyse“ S. 115) Von daher ist der Text verdichtet. Die Schnittmenge der Motive ist der sinnlose, weil die Realität verkennende, Wunsch etwas Totes wieder zu beleben. Die Affektbesetzung ist eben die Trauer. Bei mir ist es eine Freundschaft, die mir sehr wichtig war. Das Bild gerinnt am Schnittpunkt zur Vorstellung einer Ratte die ihre tote Lebensgefährtin beschwört wieder aufzustehen. Und je länger ich darüber nachdenke, umso weniger weiß ich, was ein Gedicht ausmacht. Es braucht weder den Zeilenumbruch, noch die Verdichtung, noch die lyrische Wortwahl zwingend. Es braucht ja zuweilen nichteinmal richtige Worte. Lieber Andi, Dein ausführlicher Kommentar gehört zu der Sorte, bei der man liest und denkt: "Aha? Stimmt. Aber das wusste ich so genau noch gar nicht." Deine Einschätzung zur königlichen Stellung dessen, was betrauert wird und auch Anderes, trifft so genau, dass es weh tut. Es ist direkt schwer das zu lesen. Danke. |
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23.06.2007, 18:23 | #13 |
Hallo, tagdieb-Ro.
ich bedaure sehr, diesen Text erst jetzt gelesen zu haben. Er ist genial. Und völlig wurscht, ob man ihn nun als Prosa, Gedicht oder Mischform einordnet, hauptsache er wirkt und das schafft er. Ich habe den Eindruck, das lyrische Ich empfindet sich selbst als etwas Unwertes, Ekliges und mit dieser Sichtweise hat es sich auch angefreundet. Dass es den Tod des geliebten Wesens oder der Beziehung nicht wahrhaben will, macht alles um so verzweiflungsvoller. Ich frage mich: Sah das andere Wesen sich ebenso abartig? Sehr trauriger Text. Kleine Anmerkungen habe ich noch: Du schreibst die Anrede mit "Du" mal groß und mal klein. Ich sehe keine Notwendigkeit dafür, denke also, dass es unabsichtlich war. Und dann folgendes: Lass uns nachschauen, was von der Katze übrig blieb, die gestern im Kanal versoff? Das ist eine Aufforderung und das Fragezeichen stört mich regelrecht. Ich empfinde es als falsch, auch wenn es die Unsicherheit des lyr Ichs ausdrücken soll. Nee, mag ich nicht. Liebe struppige Grüße! Igi |
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23.06.2007, 18:33 | #14 |
igi, Du bist gut. Danke. Ich habe den Text verändert.
Auch wieder so ein Kommentar. Über das Unwert-Sein des lyr.ich muss ich nachdenken. Auch ob sich das Gegenüber mit der Negativbesetzung der Ratte in irgendeiner Form identifizieren könnte. |
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24.06.2007, 18:03 | #15 |
Hallo tagedieb,
entschuldige, wenn ich da unabsichtlicherweise am Wundschorf gekratzt haben sollte, ich war lediglich der Auffassung, dass das Gedicht eine tiefgehende Interpretation verdient hatte. Grüße 'Andi' |
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24.06.2007, 19:58 | #16 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo tagedieb,
dein Gedicht ( =)ich lächele über mich) und die nachfolgende Diskussion hat mich sehr interessiert, sowohl was deinen Text als auch die Kommentare dazu. Ich habe hieraus mehr gelernt als aus 20 Texten in anderen Foren. Dass mich dein Werk faszinierte, habe ich gleich im ersten Kommentar zu verstehen gegeben. Für mich ist eine Identifizierung mit einer Ratte und deren Umfeld negativ besetzt. Deine Erklärung zum Inhalt hat mich dennoch umdenken lassen - was denselben und auch die Umsetzung betrifft. Ich danke dir dafür. Mit Gruß TA |
25.06.2007, 15:51 | #17 |
RE: Rattenlied
Hallo tagedieb,
ein besonderer Text über eine besondere Liebe. Teils kosig, teils brutal. Scheint mir eine Trauerbewältigung der anderen Art zu sein. Gern gelesen! Ich lese das "versoff" eher als "ersoff." LG Perry PS: Warum steht der Text eigentlich unter Milch und Honig? |
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25.06.2007, 20:27 | #18 |
@ Andi: Nichts für ungut.
@ Tigerauge: Es freut mich, wenn Du lernen konntest. Dazu ist ja das Forum auch da. @ Perry: Den Text habe ich unter "Milch und Honig" gestellt, wahrscheinlich um den Kontrast zu den Ratten zu erhöhen. Auch wenn es nicht um Liebe geht. Und einen Dank auch an Dich. |
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