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27.01.2020, 23:16 | #1 |
Gast
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Auschwitz
Nie war ich wirklich dort gestanden, habe nie dieses grässliche Tor und den unsäglichen Satz anders als als Bild gesehen. Und trotzdem gehört es zu mir, ist eingeprägt, ist Teil meines Ichs, wie ein Furunkel dessen man sich schämt, eine wunde Stelle, wie ein ekler Gestank der von einem ausgeht. Es ist mir schon immer unerträglich, der Gedanke an dieses hämisch Gemeine, Mitleidlose, grauenvoll Selbstgefällige.
Ich sehe die Menschen in der Kälte stehen, sehe die Kinder von den Müttern gerissen ohne Gnade, die Angst, die Angst, die Angst, die Angst und das absolute Grauen. Ich sehe es vor den Toren der KZs und in tausenden Häusern, Wohnungen, man war ja sehr hinter her...Millionenfach. Es ist Teil von mir wie meine Sprache… Diese Sprache der Mörder, der Millionen Mörder mit ihrer Mördersprache, meine Sprache, die Sprache meines Volkes um einen dieser zerstörten, verrohten, entmenschten Begriffe zu nutzen. Es gibt deren ja noch viele, da müssen wir gar nicht sprechen von Heil und Ehre, von Rasse, Reinheit und Heimat. Wirklich verstanden habe ich es nie, wie ein großer Teil eines Volk zu einer derartigen Mörderbrut werden konnte, eine Mörderbrut die sich in ihrer Selbstgefälligkeit suhlt und die zu großem Teil nie bedauert hat. Es sind Millionen Opfer, aber auch Millionen Täter. Oft habe ich gedacht, es wäre besser gewesen uns Deutsche damals in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen, die Städte zu schleifen bis zu den Grundsteinen und vor allem diese Sprache zu verbieten, so dass sie nur noch heimlich gesprochen, geflüstert werden kann in stillen Winkeln, wie es einer Mördersprache zukommt. Aber es ist nicht so gekommen und wir laufen weiter durch die Welt mit unserem Furunkel, unserer Sprache, mit unserer... möchte man es Kultur nennen? Wie Aussätzige zwischen den Völkern und hoffen auf das Vergessen. Ich glaube einen Hinweis auf den Kern dieses unfassbaren Spagats zwischen selbsternannten Kulturvolk und gemeinen Mördern hat Heinrich Himmler in seinen Posener Reden gegeben. Es ist das Wort "anständig" dessen er sich dort in besonderer Weise bedient. In kaum einem anderen Wort ist so deutlich die Symbiose aus kriecherischer Anpassung, Selbstgefälligkeit, Engstirnigkeit, verqueren Moralbegriffen und Intoleranz zu finden. Die Anständigkeit errichtet eine typisch deutsche Moralinstanz die sich von nichts ableitet, außer von der eigenen verkommenen verdrucksten Denkweise. Haben die Deutschen tatsächlich im Namen der Anständigkeit Millionen Menschen ermordet? Wer das entrüstet zurückweist muss sich allerdings fragen lassen in wessen Namen dann? Im Namen des Neides? Vielleicht auch, aber weniger. Im Namen ihrer seltsamen Heilsgläubigkeit und hochauffahrenden Begeisterung die sie noch heute blind auf jeden Zug aufspringen lässt? Im Namen ihrer Tiefsumpfigkeit und ihrer abstrusen Gehirnblähungen? Im Namen eines geilen Sadismus und einer Brutalität die sich für bieder hält? Im Namen Ihres Hasses auf den kühlen Menschenverstand? Alles auch, gewiss. Aber was es wirklich ist, es ist nicht festzumachen. Ich habe allerdings das dringende Gefühl wir sollten es besser wissen, jetzt wo so viele, auch junge Deutsche den Kadaver der Bestie wieder zu beleben versuchen und die selbe Mördersprache wieder finden. Für mich steht es außer Frage, dass wir gegenüber all den Ermordeten und ihren Nachfahren und besonders allen Angehörigen des jüdischen Volkes in tiefer Schuld stehen die nicht abzugelten noch zu vergessen ist. Aber wir können und werden die Erinnerung wachhalten, und mit aller Härte Entschlossenheit den Mördern und denen die es gerne wieder sein wollen, den Hassverzerrten und Unmenschlichen, entgegentreten. Und was die deutsche Außenpolitik angeht: das Deutschlands Seite die Seite Israels ist, darüber darf es keinen Zweifel geben. |
03.02.2020, 07:23 | #2 |
Hallo Andri,
ich frage mich, wo hier die Kommis bleiben? Das ist so ein wichtiges Thema. Wie konnte es damals so weit kommen? Ist es Menschenverachtung oder gar die Angst vor dem Mitmenschen, die einen anderen dazu treibt zu morden? Zum Glück gibt es inzwischen auch Deutsche, die das, was damals geschehen ist, zutiefst verurteilen und sich darum sorgen, dass das nie mehr geschehen wird. Wir erziehen unsere Kinder zu toleranten Menschen. Mir sind Respekt und die Würde eines Menschen wichtig. Diese Einstellung ging den Tätern damals vollständig verloren, sie dachten nur an sich. Ob sie in den anders Denkenden eine Bedrohung sahen? Ich denke schon. Denn noch heute wird jeder, der anders ist, zumindest erst einmal schief angesehen. Aus Angst um den Arbeitsplatz oder den Wohlstand lehnen viele die Menschen ab, die in unser Land fliehen. Mitgefühl und Toleranz sind gefragt. Was wäre, wenn wir auf der Flucht wären? Die Menschen in Deutschland speziell sollten wieder mitmenschlicher sein und nicht vor lauter Stress ihr Gegenüber übersehen. Liebe Grüße Silver
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03.02.2020, 08:15 | #3 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Wer noch nie das Bedürfis hatte, sich damit zu befassen, kann mit Eugen Kogons Klassiker "Der SS-Staat" anfangen. Die Serie "Holocaust" steht auf youtube zur Verfügung: https://www.youtube.com/watch?v=JnP9jyuNuNo "Sobibor": https://www.youtube.com/watch?v=iVbG...Hov9br&index=6 "Das Mädchenorchester von Auschwitz": https://www.youtube.com/watch?v=QkIdGmZgmP0 "Die Wannsee-Konferenz": https://www.youtube.com/watch?v=_ieNljcjx2o Dokumentation "Treblinka": https://www.youtube.com/watch?v=P-3MVyyE4sk Doku "Der Fall Eichmann": https://www.youtube.com/watch?v=tTDro6KzN6c Doku "Der gelbe Stern": https://www.youtube.com/watch?v=PAgW...ctr=1580711480 Hörbuch: "Kommandant in Auschwitz" https://www.youtube.com/watch?v=BVt1-XhJky0 Buchempfehlungen: https://www.youtube.com/watch?v=vxSwAOJRfno Ich glaube das reicht für ein halbes Jahr Beschäftigung. |
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03.02.2020, 08:46 | #4 |
Gast
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Hallo Ilka,
ja klar die Aufarbeitung ist längst erfolgt, abgearbeitet, wie mit eisernen Löffeln gegessen. Und Bildungsbürger können sich zurücklehnen, die Bücher sind gelesen die Ideologie ist analysiert. Die Schuldigen benannt. Was man in Deutschland aber ungern hört, dass es sich um eine Gesamtschuld handelt. Das in fast jeder deutschen Familienreihe Mörder oder mindestens Beihelfer waren. Das der Boden dem diese Ideologie entsprang so verdammt fruchtbar war und noch immer ist. Das ist immerhin ein Erschrecken wert und darüber das Verstehen zu delegieren... Nun gut. Abhaken und weiter, Fliegenschiss der Geschichte. LG Andri |
03.02.2020, 09:08 | #5 |
Forumsleitung
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Das ist kein Grund, in Selbstgerechtigkeit zu verfallen und sich für moralisch über allem stehend zu fühlen, nur weil unsere und die nachfolgende Generation "die Gnade der späten Geburt" (um einen Ausspruch Helmut Kohls zu gebrauchen) beanspruchen darf. Meiner Meinung nach ist das ein Sitz auf einem ziemlich hohen Ross. Wenn du meinst, Menschen in Sippenhaft nehmen zu müssen für Verbrechen, die sie selbst nicht begangen haben, halte ich das für problematisch, zumal Sippenhaft vom deutschen Recht ausgeschlossen ist. Wäre es anders, könnten wir uns für unsere Vorfahren bis ins frühe Mittelalter Asche auf unsere Häupter streuen, denn Pogrome gegen die Juden (aber auch gegen andere Glaubensgemeinschaften) kehrten regelmäßig wieder. Die Ursachen sind hinreichend bekannt, und nach fast 50 Jahren Diskussion gibt es für mich keine neuen Erkenntnisse. Der Antisemitismus war schon immer unter uns, und das hat bis heute nicht aufgehört. Ich kann mir also nur wünschen, dass die Menschen heute einen Stand der Aufklärung erreicht haben, dass sie sich nicht mehr verhetzen lassen. Allerdings bin ich da sehr skeptisch.
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