Das gelbe Licht von Wuppertal 1. Teil
Toms Legokiste sah aus wie ein Bierkasten. Dasselbe Format. Man hätte ohne Probleme echte Bierkästen, grüne von Wicküler oder dunkelrote von Carl Bremme darauf stapeln können. So wie es die Getränkelieferanten machten, die Tom so gerne bei der Arbeit beobachtete. Der Getränkemarkt war in Sichtweite seines Kinderzimmers, die Arbeiter kündigten sich stets mit lautem Geklapper an. Eigentlich war jeder ein Arbeiter der Arbeitshandschuhe trug. Anfang der siebziger Jahre waren diese immer aus grauem Wildleder, mit einer Art Küchentuch auf dem Handrücken. Eine Auswahl gab es nicht, ein Handschuh für alle, eine Arbeiteruniform mit einem kleinen Gummizug. Ob jemand Schnee schippte, an einer Teermaschine im Stehen ein Nickerchen machte oder im Garten Rosen schnitt, die Handschuhe machten einen Arbeiter aus. So erlebte es auch Tom wenn er die Handschuhe seines Vaters aus der geheimnisvollen Schraubenkiste nahm und dann seine skeptisch dünnen Handgelenke musterte. Die Schraubenkiste roch nach Eisen und Rost, und war voller Schrauben, Nägel, Muttern und einigen Analogien zu diversen Legostücken. Einzig ein Stück hart gewordener Fensterkitt war nicht aus Metall, und dazu noch braun, aber irgendwie gehörte es dazu. Wenn Tom eine Faust ballte, knickten die Finger der Handschuhe um, der kleine Finger ließ sich überhaupt nicht biegen, schließlich steckte auch kein kleiner Finger drin, dafür war die Hand viel zu klein. Und dennoch kroch ein kleinwenig Arbeiterklasse in sein Gemüt. Seine Miene wurde ernsthaft, und ganz tief in seinem Wesen spürte Tom dass der Stimmbruch nur noch knappe acht bis zehn Jahre entfernt sein kann. „So ist gut! Passt! Tiefer! Ab! Und Feierabend!“ kommandierte ein dunkler Bass, der schon damals zu dem Jungen gehörte. Dazu brauchte es keinen Resonanzkörper, die Handschuhe, obgleich viel zu groß, reichten.
To be continued…
|