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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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30.03.2014, 08:41 | #1 |
Forumsleitung
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Wut
Ich sitze wie auf heißen Kohlen,
mein Blut erreicht den Siedepunkt und ungebremst, mit eisern Sohlen, tritt Schmerz brutal das Herz mir wund. Du hattest längst des Todes Weihen, dein Zukunftsplaudern war nur List, ich werde es dir nie verzeihen, dass du allein gestorben bist. 30. März 2014 © Ilka-Maria |
30.03.2014, 09:54 | #2 |
R.I.P.
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Hallo, Ilka-Maria -
Ja,
das hat Wucht, ist wirklich wie ein Tritt. Ein Beweis mehr dafür, wie lapidar ein Dichter an das Thema herangehen kann. Ein, weil sehr spontaner, sehr gelungener Beweis. (Zumal ich persönlich das Gefühl nachempfinden kann.) Freundlichen Gruß von Thing |
30.03.2014, 10:02 | #3 |
Guten morgen ihr beiden,
Seltsamerweise empfinde ich die Wut und die Wucht nicht so sehr.. Aber das mag an den Kohlen liegen. Ich assoziiere damit Eisenbahn und gemütlicher Bollerofen... Es ist immer wieder für mich erstaunlich, was welche Bilder in uns erzeugen..... Aber Wut inspiriert bin ich jetzt auch!!!! Schönen Tag Ännchen |
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30.03.2014, 10:18 | #4 |
R.I.P.
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30.03.2014, 10:26 | #5 |
Thing, das weiß ich , aber trotzdem kommen bei mir die oben genannten Assoziationen ... Mein Gehirn ist irgendwie anders manchmal ... Vielleicht wegen der zwei Sprachen...
Aber danke für die Erklärung.. Warmherzige Grüsse Ännchen |
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30.03.2014, 10:28 | #6 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Als die Loks noch mit der Kohlenkraft betrieben wurden, war das für die Heizer Knochenarbeit. Außerdem waren die alten Loks nicht oder nur ungenügend gefedert. Die Leute, die auf solch einer Maschine arbeiteten, hatten deshalb schon in frühen Lebensjahren völlig ruinierte Kniegelenke. Da hieß es, bis zum bitteren Ende mit Schmerzen weitermachen, denn unser Sozialsystem mit Frühverrentung gab es nicht. |
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30.03.2014, 10:38 | #7 |
Ihr Lieben,
Det wees ick allet ooch.... Trotzdem kommt beim Begriff Kohlen in meinem Kopf erstens !!! Eisenbahn und zweitens!!! Bollerofen.... So ist's nun mal.... |
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30.03.2014, 10:39 | #8 |
R.I.P.
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Luther benutzt das Bild als Beispiel des Mutes, den der Glaube auch im Leid und in der Marter gibt: "Wenn ihr auch auf feurigen Kohlen ginget, so soll's euch dünken, als ginget ihr auf Rosen."
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30.03.2014, 10:42 | #9 |
Danke für dieses Zitat, lieber Thing ...
Grüße von Der Luthernachfahrin |
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30.03.2014, 11:14 | #10 |
Das wandelt im Thema einseitiger Abgänge das in "ohne dich" aufgegriffene Gefühl des Zurückgelassenen von Enttäuschung in Wut. Auch diese emotionale Spielart und seine Gestaltung gefallen mir, Ilka.
LG gummibaum |
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30.03.2014, 11:20 | #11 | ||
R.I.P.
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Zitat:
Zitat:
"daß du vor mir gestorben bist" oder ungesyntaxt: "Daß wir nicht im gleichen Moment gestorben sind". War das gemeint? |
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30.03.2014, 11:43 | #12 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Wie aus dem Text hervogeht, hat der Verstorbene seine tödliche Krankheit verschwiegen, er wollte den letzten Abschnitt seines Lebens im Geheimen gehen. Schon das ist eine Form von Alleinsein, auch neben einem begleitenden Menschen. Und es hat einen anderen Sinn, als "... vor mir gestorben", denn das klänge ja fast wie ein Vorwurf, nicht gewartet zu haben, bis man selbst tot ist und einem der Schmerz des Überlebens erspart bleibt, den dann gefälligst der andere zu tragen hat. Und das habe ich gewiss nicht ausdrücken wollen. |
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30.03.2014, 11:45 | #13 |
R.I.P.
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31.03.2014, 00:00 | #14 |
Hallo, Ilka,
mich beschäftigt bei diesem Gedicht die Gefühlslage des LIs, die du klar und eindringlich festgehalten hast. Gefühle fragen nicht danach, ob sie richtig, berechtigt sind oder nicht. Sie entstehen einfach. Als Leser, der dieses Gefühl auch nachvollziehen kann, denk ich hier aber weiter und hinterfrage es. Mein Gedanke hierzu, als Anstoß: Ich kann verstehen, dass das LI zutiefst verletzt, enttäuscht, fassungslos und allein mit seinem Schmerz ist, weil das LD sich nicht geöffnet hat, es nicht ins Vertrauen gezogen hat. Aber Wut? Und es will ihm nicht verzeihen? Was ist da zu verzeihen? Das LD hat geschwiegen, warum auch immer. Es wollte diesen letzten Weg allein gehen und das ist seine ureigene Entscheidung. Auch, wenn sie noch so weh tut: Man hat doch kein Recht auf Vertrauen, oder wie in diesem Fall, ein Du beim Sterben zu begleiten, man kann es sich nur wünschen. Dein Gedicht ist gut. Wollte diesen Gedanken nur los werden. lieben Gruß, simba |
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31.03.2014, 00:25 | #15 |
Forumsleitung
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Deine Gedanken sind richtig, Simba. Niemand kann einen Menschen unter Anklage stellen, weil er früher als man selbst sterben muss (oder will), das wäre einfach nur irrational und ungerecht. Trotzdem entstehen solche Gefühle. Sie kommen aus der Machtlosigkeit gegen das Schicksal, und Machtlosigkeit löst sich häufig in Wut auf.
Die Grundidee zu meinem Gedicht erhielt ich vor langer Zeit von Geraldine Chaplin, die in einem Interview erzählte, ihre Mutter Oona habe dem Vater nie verzeihen können, dass er gestorben ist. Ich war zunächst darüber befremdet, weil mir ein solcher Vorwurf nie eingefallen wäre, aber trotzdem habe ich es verstanden: Es war Oona Chaplins Art, mit ihrer Trauer leben zu können, denn offenbar war sie auch nach vielen Jahren nicht in der Lage, diese Trauer zu verarbeiten (Oona überlebte Charlie Chaplin um 14 Jahre). Danke für's Lesen und für Deine Gedanken. LG Ilka |
31.03.2014, 04:13 | #16 |
R.I.P.
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Dabei war sie um Jahrzehnte jünger als Charlie.
Ich will nicht viel aus der Familie weitererzählen, aber es bleibt ja anonym: Ich sah jemanden am Küchentisch zusammengesunken ( nicht sehr lange nach dem Begräbnis) und laut rufend: "Wie konntest Du nur, wie konntest Du nur!" Zwar nicht voller Wut, aber sehr vorwurfsvoll. |