Es ist wieder einer dieser Tage. Sie steht in ihrem Mantel und mit einer Plastiktüte in der Hand an der Bushaltestelle und wartet. Woher sie kommt, will sie verdrängen. Wohin sie geht, will sie nicht wissen. Was sie hier eigentlich macht, hat sie vergessen. Ihr braunes Haar ist glanzlos und kaputt, es duftet nach Schweiß und Marillen, nicht passend zu der Jahreszeit. Winter. Noch dazu ein kalter. Früher mochte sie den Winter, wie den Sommer, den Frühling und den Herbst. Heute mag sie nichts mehr von all dem. Ist ja doch nur eine Jahreszeit. Ihre lebensmüden, blassen Augen starren in die Leere. Eine Frau Anfang Vierzig geht an ihr vorbei. Sie spürt den verächtlichen Blick den die Frau ihr zuwirft, obwohl sie nicht hinsieht. Die Leute verabscheuen sie, das weiß sie. Kein Wunder, sie verabscheut sich selbst doch auch.
Der Bus kommt auf sie zu. Bleibt vor ihr stehen. Sie steigt ein. Zahlt. Mit dem gerade verdienten Geld. Es ist derselbe Busfahrer, wie immer. Er lächelt sie erwartungsvoll an, wie immer. Sie erwidert es nicht, wie immer. Sie nimmt Platz. Fährt nach Hause.
Sie öffnet die Haustür, der Duft von angebratenen Zwiebeln kriecht ihr in die Nase. Ihre Mutter kocht das Abendessen, ihr Vater steht daneben und sieht seiner Frau beim kochen zu. Sie wirken glücklich. Wie armselig. Sie geht an ihnen vorbei in ihr Zimmer. Sperrt die Türe zu. Schließt ihre Vorhänge. Setzt sich auf den Boden neben ihrem Bett. Packt den Inhalt ihrer Plastiktüte aus. Ihr Besteck, bestehend aus einer Spritze und einen Löffel. Und das Säckchen mit dem braunen Pulver, ihr Zimt. Sie holt die Kerze die auf ihrem Nachtkästchen steht, und zündet sie an. Starrt auf die Flamme. Ihre Eltern werden sie nicht fragen ob sie mitessen möchte. Sie glauben dass sie schon gegessen hat. Hat sie nicht. Sie hat genügend Zeit. Sie nimmt ihr Besteck. Nimmt den Zimt. Und macht, was sie schon so oft gemacht hat. Sie hat es wieder geschafft. Für einen Augenblick. Einen kurzen Trip. In die Freiheit. In das Leben.
Gerade eben um 1:30 Uhr geschrieben. Andere Leute schlafen um diese Zeit, sollte ich wohl auch. Mein Gehirn gibt nur noch Schrott von sich, wie man oben lesen kann.