Dabei seit: 02/2011
Ort: Thurgau, Schweiz
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Zurückgelassen in der Dunkelheit
Heute Abend liege ich ohne dich in den Matten. Vor einigen Stunden liessest du mich zurück. Begannst, deinen eigenen Weg zu gehen. Alleine durch das Dickicht des Waldes, auf der Suche nach etwas Ruhe. Ich habe dich nicht zurückgehalten, kein stereotypiertes „lass mich nicht alleine!“ dir nachgerufen. Es gibt kein Konzept des Verlassenwerdens, dem ich folge. Ich will keine Lügen mehr! Du gehst deinen Weg mit festem Schritt in die Düsternis, wie du es schon immer tatst und im Herz trägst du eine Kerze, die niemals erlischt. Auch ich durfte mich an dir nähren, dafür bin ich dankbar. Dir bedeutet es nichts, Licht zu schenken. Du bist vollkommen erfüllt von ihm. Du trugst es schon immer in dir. Und doch bin ich dankbar. Zeitweise brannte deine Flamme zu heiss. Dann ergriff dich die Eifersucht. Es war dir nie vergönnt gewesen, in der Dunkelheit zu wandeln, die Augen zu schliessen, zu schlafen, zu träumen. Stattdessen schreitest du immer weiter durch den Winter und unter deinen Füssen taut die trockene, kalte Erde und zwischen deinen Zehen spriessen Blumen. Du benötigst keine Kleider, keine Schuhe. Dich umgibt eine Aura aus flimmernder Wärme. Eine grausame Wärme, wenn man bedenkt, dass du nie den Schnee unter deinen Fersen fühlen, nie zarte Flocken aus deinem Haar pflücken, nie einen kühlen Schauer empfangen durftest, wie er beim öffnen eines Fensters deinen Rücken kitzelt. Wie gerne würde ich dir dieses Gefühl zum Abschied schenken, dich wissen lassen, wie es ist, wenn man einen Schneeball formt und dabei für kurze Zeit die Hände taub werden, um danach mit einem starken Kribbeln zurückzukehren. Du bist eine ewige, einsame Kerze in einem Wald aus Traurigkeit und die unzähligen Kreaturen kommen schon bald zu dir hin, um sich die Knochen zu wärmen. Du bist eingeengt durch deine eigene Schönheit. Sie engen dich ein, saugen dich aus, so, wie ich dich ausgesaugt habe. Es ist absurd, wie klein ich mich fühle, jetzt da ich ohne dich bin. Ich frage mich, ob du dich auch einsam fühlst unter all diesen erloschenen Wesen. Denn das sind sie: Erloschen! Wir alle tragen eine Kerze im Herzen, wie auch du eine Kerze im Herzen trägst. Doch nirgends sehe ich Feuer, nirgends Rauch. Mein Herz ist schon lange erkaltet. Immer suchte ich, den jungfräulichen Docht an dir zu entzünden, auf dass auch ich von Wärme erfüllt würde. Ich umarmte dich, bedrängte dich, erdrückte dich. Doch nie sprang ein Funke über. Stattdessen raubte ich dir den freien Atem und so verblasstest auch du. Es schien mir, als wärst du schon bald gänzlich erloschen, erstickt durch meine Tränen und meine lechzende Liebe, die tiefe Furchen in deine Seele gruben. Bald wärst du mir erlegen. Und auch ich wurde immer schwächer. Je mehr ich mich an dir festhielt, desto eisiger wurde es in mir. Ja, du musstest gehen! Den neuen Wind empfangen, auf dass deine Seele lodere und das Feuer die Seelen der anderen einsamen Wanderer auf diesem Pfad in die ungewisse Dunkelheit hinter dem Waldesrand entzünde. Ich bleibe hier zurück. Und was uns verbindet, ist die Gewissheit über die Ungewissheit unserer zukünftigen Reise. Vielleicht werde ich irgendwann wieder das Feuer kosten dürfen. Dann werde ich von dir erzählen, dir einen Namen geben.
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