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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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25.11.2017, 22:53 | #1 |
Oma zu verschenken
Ich verschenke meine Oma
die lebt so halb im Koma sie liegt da halt so rum und ist zumeist nur stumm Sie kostet uns viel Geld wir fühlen uns geprellt am Personal kann es nicht liegen da die ja kaum was kriegen Sie ist zumeist allein es kümmert sich kein Schwein das Zimmer ist auch klein der Preis dafür gemein Sie möchte endlich sterben das System sie nur beerben wir gucken hilflos zu bis sie findet Ruh |
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25.11.2017, 23:44 | #2 |
Hi Gylon!
Inhaltlich wertvoll. Stilistisch allerdings ist dein Texten eine bunte Mischung von Zeilenlängen sowie betonten und unbetonten Auftakten, und eine Inversion am Ende fehlt auch nicht. Für ein strukturiertes Gedicht nach klassischem Muster sollte man gewisse Regeln beherzigen. Beherrscht man diese, kann man damit spielen, einer Wirkung zuliebe mal bewusst das Schema verlassen. Aber so querbeet wie bei dir hier, das stört einfach nachhaltig den Leserhythmus. Man sollte bei einer Sorte Auftakt bleiben! Kadenzen (=Zeilenenden, letzte Silbe betont heißt "männliche Kadenz", letzte Silbe unbetont "weibliche Kadenz") kann man eher wechseln, sollte sich dabei an ein sich wiederholendes oder gespiegeltes Muster halten, sonst wirkt derlei nur wie "ich hab's nicht besser gewusst". Auftakte (erste Silbe betont = betonter Auftakt, erste Silbe unbetont = unbetonter Auftakt) aber sollte man beibehalten, wenn irgend möglich. Und Inversionen (Satzverdrehungen) sollte man lassen, früher galt das vielleicht als "lyrisch angehaucht", war es aber nie wirklich. Der gute Dichter wendet die Sprache natürlich an und dennoch gehoben. Schwerer Spagat, aber es lohnt sich. Mit Inversionen klingt es meist bemüht, geschraubt, schwülstig bis pathetisch. Dein Gedicht beginnt mit einem betonten Auftakt, setzt sich dann aber mit unbetontem fort, bis auf S4Z2 und S4Z4, die beginnen auch betont. Unbetont auftaktend gelesen würden sich alle drei Zeilen sehr unnatürlich anhören. Das Gedicht ist in Paarreimen geschrieben, AABB. Das ist die simpelste Art, erinnert an kilndliche Auszählreime. Bewährter sind ABAB oder umfassender Reim ABBA. Das Hebungsschema (betonte Silben pro Zeile): 4333-3343-3333-3433 Drei Zeilen haben Überlänge, zwei davon sind auch jene mit betontem Auftakt. Kadenzenschema: wwmm-mmww-mmmm-wwmm Waren die letzten beiden Zeilen von S3 weiblich, ließe sich schon ein Muster erkennen ähnlich abba. Das Bild wird klarer, wenn man das Silbenschema zeigt (X für betonte Silbe, x für unbetonte): XxXxXxXx xXxXxXx xXxXxX xXxXxX xXxXxX xXxXxX xXxXxXxXx xXxXxXx xXxXxX xXxXxX xXxXxX xXxXxX xXxXxXx XxXxXxXx xXxXxX XxXxX Die betonten Auftakte habe ich fett unterlegt, die Überlängen verraten sich selbst durch ein großes X zuviel. Ein Lösungsversuch für alle Probleme: Verschenke meine Oma, die lebt so halb im Koma. Sie liegt da halt so rum und ist zumeist nur stumm. Sie kostet uns viel Geld, wir fühlen uns geprellt. An Pflegern kanns nicht liegen, da die ja kaum was kriegen. Sie ist zumeist allein, es kümmert sich kein Schwein. Das Zimmer ist auch klein, der Preis dafür gemein. Sie möchte endlich sterben, der Staat sie nur beerben. Wir gucken hilflos zu - bald hat sie ihre Ruh. Das Kadenzenschema blieb unberücksichtigt, denn bei so vielen Wechseln fällt eine minimales Ungleichgewicht kaum auf. So jedenfalls wären alle Auftakte unbetont, alle Zeilen dreihebig, und die Conclusio kommt ohne Inversion aus, zudem habe ich mir erlaubt, Satzzeichen nachzureichen. Es leist sich für mich so einfach angenehmer. Ich hoffe, das war hilfreich. Zum Trost: Vor 10 Jahren habe ich dieselben Fehler gemacht. Gern gelesen und beklugscheißert! LG, eKy |
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26.11.2017, 00:54 | #3 |
Lieber Erich Kykal,
vielen Dank für deine Ausführungen und dass Du dir so viel Zeit genommen hast, dich mit meinen unstrukturierten Zeilen zu befassen, zu strukturieren und obendrein noch ordentlich zu klugscheißern. Das rechne ich Dir hoch an! Du bist in den 3 Jahren meiner Forumszugehörigkeit bei weitem nicht der erste der bemüht war, meine Schreibe in Form zu bringen. Von daher ist mir das inzwischen alles bekannt, aber ich strebe nicht die hohe Kunst des Schreibens an, sondern begnüge mich damit, wenn ich mal einen inhaltlich ansprechenden Text zustande bringe. Für mehr fehlen mir auch gewisse Voraussetzungen die es benötigen würde, um in deiner Liga zu schreiben. Wie z.B. Sprachschatz, Bildung, Rechtschreibung, Zeit und Geduld. Es ist mir auch einfach nicht wichtig genug, da ich in meinem Leben andere Prioritäten setze. Ich kann verstehen, das Du von jemandem der in einem Lyrikforum schreibt mehr erwartest, aber mehr kann ich dir einfach nicht bieten. Solltest Du in Zukunft einen Bogen um meine Texte machen, kann ich das gut verstehen! Wer geht schon in den Gemischtwarenladen wenn es nebenan Feinkost gibt. Ich wünsche Dir noch einen kreativen Abend und danke für deinen Besuch! Liebe Grüße Gylon |
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26.11.2017, 11:07 | #4 |
Lieber Gylon,
ok, zur Form und deinen Prioritäten hast du dich klar geäußert, ich kann es gut nachvollziehen, auch wenn es sich nicht so mit meinen Ansichten zum Gedichteschreiben deckt. Dann gehe ich jetzt gleich zum Inhalt über. (Nur eine klitzekleine Sache, die ich an deiner Stelle in Gedichten unbedingt vermeiden würde, wären verdrehte Satzstellungen wie "bis sie findet Ruh"). Na, dann zum Inhalt: Dein gewagt-zynischer Text spricht eine Situation kranker, alter und sehr alter Menschen in unserer Kultur offen an. Ich hätt mich das nicht getraut. Aber so ist es. Insofern schließe ich mich Erich Kykal an beim Prädikat: inhaltlich wertvoll. LG Space |
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26.11.2017, 13:27 | #5 |
Lieber Gylon,
böse, zynisch, macht sogar ein wenig traurig, dein Gedicht,weil es die Situation zwar überspitzt, aber doch gut darstellt und genau das wehtut. Es bleibt im Gedächtnis. LG DieSilbermöwe |
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26.11.2017, 13:31 | #6 |
Lieber Space,
ich bin schon bemüht Inversionen zu vermeiden, verteufele sie aber auch nicht. Wenn mein Kopf mir keine andere Lösung anbietet, neige ich dazu auch mal den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Das soll jetzt bitte nicht bedeuten, dass ich mir keine Mühe mit meinen Texten gebe, aber ich kann es auch nicht übertreiben, da meine Zeit knapp für dieses Hobby ist. Es freut mich, dass Du den Inhalt als wertvoll empfindest, im Grunde ist es nur ein überspitztes aufmerksam machen über eine Problematik unsere Gesellschaft, die wir vor uns her schieben und nicht wirklich angehen. Wie handeln halt gerne erst wenn es schon zu spät ist. Viele dank für deinen Besuch und Kommentar. Dir einen kreativen Sonntag! Liebe Grüße Gylon |
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26.11.2017, 13:35 | #7 |
Liebe DieSilbermöwe,
für schlechte Zustände, muss man auch schon mal schlechte Worte finden. Dir auch einen herzlichen Dank für deinen Besuch und Kommentar. Einen schönen Sonntag! Liebe Grüße Gylon |
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26.11.2017, 13:44 | #8 |
Hi Gylon!
Prioritäten hin oder her, wer Lyrik liest und Lyrik schreibt, evolviert sich selbst, ob er es bewusst wahrnimmt oder nicht. Wie gesagt, vor 10 Jahren machte ich die gleichen Fehler wie du (vielleicht nicht so viele auf einmal, aber immerhin), und heute bezeichnest du "meine Liga" als für dich unerreichbar? Deine Kommis zeigen, dass du stringenter Sprachhabung mächtig bist, und dein Wortschatz wird sich erweitern, je mehr "gehobene Sprache" du hier oder anderswo konsumierst. Alles Übungssache! Ich habe ja auch nie geschrieben, um mich um jeden Preis zu verbessern, das mag unterschwellig eine Rolle spielen, aber eigentlich dichtete ich immer, weil es mir Freude bereitete, mit schöner Sprache umzugehen und etwas damit auzusagen. Diesen Funken hast auch du, sonst würdest du nicht schreiben - und mehr ist nicht nötig. LG, eKy |
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26.11.2017, 14:07 | #9 | |
gesperrt
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Zitat:
Was denkst du, wie lange er an deiner Kritik gesessen hat. Gem |
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26.11.2017, 14:13 | #10 |
Lieber Erich Kykal,
natürlich geht mit der Dauer einer Tätigkeit auch eine Weiterentwicklung einher. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Aber es muss nicht zwangsläufig zu einer Meisterschafft führen. Ich schreibe jetzt seit 20 Jähren und es kann ja jeder nachlesen wo ich stehe. Ich glaube wir sollten es dabei belassen und uns lieber unseren oder den Texten unserer Mitzeiler zuwenden. Dir einen schönen und kreativen Sonntag! Liebe Grüße Gylon |
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26.11.2017, 14:17 | #11 | |
Zitat:
jede Sekunde eines Lebens ist kostbar, verschwende sie nicht mit Nonsens, außer er liegt dir wirklich am Herzen. Liebe Grüße Gylon |
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26.11.2017, 14:31 | #12 |
gesperrt
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Wärs besser ich dreh deinen Text durch die Mühle?
Aber wir wollen keinen Gylon weinen sehen, stimmts? Kritik, setzt nie voraus etwas besser zu können, besser zu schreiben. Aber wenn sich jemand wirklich Stunden Zeit nimmt, um sich mit deinem Kindergebrabbel abzugeben. Gem edit: Ich würde auch für dich einstehen, aber hier liegst du falsch edit2: Ja, da oben fehlt ein Satz Hat er verdient angehört zu werden. |
26.11.2017, 14:37 | #13 |
20 Minuten, mehr nicht, bestenfalls. Und ich bin keinesfalls verstimmt, wenn Gylon seinen eigenen Weg geht. Wenn nur ein oder zwei Tipps künftig hängenbleiben, hat der Kommi (ich sage ungern "Kritik") seinen Zweck erfüllt, und wenn nicht, ist es auch okay.
Ich fühle mich selten persönlich angegriffen. Das war als junger Mensch durchaus anders, aber ich bin längst ein anderer geworden in all den Jahren. Ich weiß heute, wer mich im Spiegel anschaut und muss nicht mehr außerhalb nach Bestätigung und Anerkennung suchen. Was ich hier tue, tue ich aus Freude an der Materie an sich, und weil ich - das muss ich gestehen - zuweilen gern den Lehrer gebe. Berufskrankheit. Aber ich versuche, nie belehrend oder herablassend rüberzukommen. Leider scheint mir das nicht immer zu gelingen ... |
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26.11.2017, 14:40 | #14 | |
Zitat:
Meine Taschentuchbox ist schon alle… Niemand braucht für mich einstehen, ich bin fast Erwachsen…. Hab einen schönen Tag! |
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26.11.2017, 14:43 | #15 |
gesperrt
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27.11.2017, 22:42 | #16 |
Hey Gylon,
was du hier beschreibst ist einer der großen Sozialkummer unserer Zeit. Ich finde es wirklich gut, dass du dieses Gedicht geschrieben hast, um darauf aufmerksam zu machen. Die Zeilen haben einen allgemeingültigen Charakter. Hoffentlich sind in der Politik Lyrikliebhaber und lesen sie. Vielleicht wird dann etwas besser in der Betreuungssituation. Liebe Grüße, MiauKuh |
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16.12.2017, 11:12 | #17 |
Lieber MiauKuh,
vielen Dank für deine Einschätzung und deinen Besuch bei mir. Dir ein schönes Wochenende! Liebe Grüße Gylon |
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23.12.2017, 12:35 | #18 |
Sehr originell, Gylon.
Ich wünsch der Oma dass sie in Frieden entschlafen kann wenn es soweit ist. LG wolfmozart |
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23.12.2017, 20:31 | #19 |
Lieber Wolfmozart,
jeder Oma und jedem Opa sollte das vergönnt sein! Danke Dir! Liebe Grüße Gylon |
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