Den Affen machen
Es ging um eine Kleinigkeit, kaum der Rede wert, aber Mama hatte die Bananenscheiben zu dick geschnitten. Also tanzte Tobi mit vollem Mund um den Esstisch und protestierte lautstark gegen Femumpf, Humpompf und das viel zu harte Pfladfoot. An seinen erhobenen Fingerspitzen klebte Erdnussbutter. "Tobias, jetzt mach hier mal nicht den Affen!", erwiderte Papa. "Daff ift Raffifmuf!", schrie Tobias zurück und malte sich mit der Erdnussbutter zwei senkrechte Striche auf jede Wange. Kaum war er damit fertig, fuhr Mama mit dem Topflappen dazwischen. "Tobi, wie oft muss ich dir noch sagen, dass kulturelle Aneignung Bubu ist? Wir haben ihnen schon den Kontinent geklaut und das ist mehr als genug!" Tobi hielt sich die Ohren zu und brüllte: "Blapp lifes mapper!" Mama und Papa tauschten resignierte Blicke.
Später abends auf dem Sofa, als Tobias schon im Bett lag und einem korrekt durchgegenderten Hörbuch lauschte, dachte Mama laut nach: "Haben wir übertrieben?" Papa fragte: "Womit?" "Als wir ihm vom internalisierten Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft und von unserer Solidarität mit den Opfern des strukturellen Rassismus erzählt haben. Und überhaupt: Namen und Geschlecht darf man sich ja bereits aussuchen, warum dann nicht auch die Ethnizität? Wir leben nicht mehr im Jahr 2022 und Tobi identifiziert sich eben nicht als Weißer." Papa schüttelte den Kopf: "So wie er heute abgegangen ist, identifiziert er sich eindeutig als Gorilla auf Koks." Mama mochte es, wenn Papa sie zum Nachdenken brachte. "Sagen wir, er identifiziert sich als indigener Afrikaner, der gerne mal den Affen macht? Tun wir das nicht alle gern, so als Trockennasenprimat*innen? Du mit deinen Blähungen." "Ja, und du mit deinem Feminismus."
Die beiden Eltern hatten ein warmes Kribbeln im Bauch, fast wie bei ihrem ersten Date in der Unimensa. Sie kauften gleich am nächsten Tag eine Familienjahreskarte für das örtliche Sonnenstudio. Alle drei schworen dem Rasierer auf ewig ab. Auch das Wortungetüm "kulturelle Aneignung" kam ihnen nicht mehr über die Lippen. Es lag doch auf der Hand: Die Conditio humana ist ein Sturm in einer Teetasse, viel Wirbel um nichts, ein paar Trockennasenprimaten, die sich im Laufe der Weltgeschichte entschieden haben, besonders großspurig den Affen zu machen - das Ergebnis sind wir.
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