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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln. |
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07.09.2018, 17:25 | #1 |
Der Totentanz
Der Alte liegt schon viele Wochen
verwest und still in seinem Grab. Ich polstre ihm die blanken Knochen als letztes Hemd behutsam ab. Doch heute, als es zwölf geschlagen, der Kirchhof liegt im Mondesschein, da platzt dem Ruhenden der Kragen, er tritt von unten an den Stein. Und dieser stürzt, das Grab steht offen, ich seh den Kirchturm in der Nacht und fühle vag des Türmers Hoffen, dass ein Spektakel Freude macht. Und wirklich, niemand bleibt heut liegen, die Gräber tun sich alle auf, und ringsum krabbeln wie die Fliegen die weiß Behemdeten herauf. Uns treue Hüllen wirft man leider sofort ins kühle Friedhofsgras, und schamlos nackt genießen beider Geschlechter Reste irren Spaß. Ein Tanz hebt an auf bleichen Hacken, es klingt, als ob man Hölzchen schlägt, die Schenkel und die Wirbel knacken, die Kiefer klappern wild erregt. Ich bin entzückt. Doch aus der Kühle entführt mich heimlich eine Hand. Der Türmer sprüht in dem Gefühle des Schalks und flüchtet unerkannt. Vom Glockenturme blick ich oben: Der Tanz ist aus, man zieht sich an. Nur mein Skelett beginnt zu toben, weil es das Hemd nicht finden kann. Gern würde ich den Freund jetzt rufen, da wittert er mich in der Luft, und da der Zutritt zu den Stufen verriegelt ist, folgt er dem Duft. Er packt den Zierrat an den Wänden und zieht sich spinnenhaft herauf. Der Türmer schwitzt an kalten Händen und gibt sein Stückchen Beute auf. Er wirft mich schreckensbleich hinunter, doch wehrt ein Zacken meinem Fall. Schon werden die Erinnyen munter - Da schlägt es Eins mit dumpfem Hall. Zerschellt, mein Liebster! Leicht und heiter nimmt mich der Türmer mit nach Haus. Doch trägt er mich als Nachthemd weiter, so saug ich ihm die Adern aus… (Nach Goethes Ballade) Geändert von gummibaum (07.09.2018 um 20:33 Uhr) |
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07.09.2018, 23:23 | #2 |
abgemeldet
Dabei seit: 04/2018
Ort: Zwischen den Gedanken
Alter: 57
Beiträge: 697
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Lieber gummibaum,
vielen Dank!!! Die Art und Weise, wie du diese Ballade auf neue Weise, mit feinem Witz und einer aussergewöhnlicher Perspektive wiederbelebst, hat mir sehr viel Vergnügen bereitet. Mit der Perspektivenführung, erst im Grab, dann aus dem Grab heraus auf den Turm blickend, ist dir zudem eine schaurige Überraschung gelungen, schliesslich findet man sich als Leser erst einmal unmittelbar unter der Erde wieder. Ich habe deine Version sehr, sehr gerne und mehrmals gelesen. Auch das Original wurde so mal wieder abgestaubt und mit Aufmerksamkeit gewürdigt. Liebe Grüsse, S. |
08.09.2018, 07:37 | #3 |
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662
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Lieber gummibaum,
da ist dir ein richtig großer Wurf gelungen, Hut ab! Ich wiederhole mich gerne, wenn ich sage:"Originell!" Und genial, den Totentanz aus der Sicht des Totenhemdes zu schildern, das zu seinem Skelett inzwischen eine innige Bindung aufgebaut hat und sich am Schluss als rächendes Horrorhemd herausstellt. Sehr, sehr gerne gelesen und anerkennend gestaunt. Goethe wäre sicher auch verblüfft, was sich aus seiner Ballade noch alles machen lässt. Liebe Grüße Nöck |
08.09.2018, 10:22 | #4 |
abgemeldet
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Verblüffend, lieber gummibaum, was du so aus dem Ärmel, äh Hemd schüttelst.
Hättest du früher gelebt, dann stünde da jetzt (Nach gummibaums Ballade). Erheiterte Grüße schickt dir Letreo |
08.09.2018, 10:50 | #5 |
R.I.P.
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Lieber gummibaum,
das ist eine gar köstliche Leckerei! Und grandios obendrein.
Obwohl nicht nur Goethe, sondern auch Villon grüßend winkt, ist es ein originärer gummibaum. Nochmals: Grandios! Auch von mir ein Chapeau! Lieben Gruß von Thing |
08.09.2018, 15:36 | #6 |
Liebe Serpentina,
vielen Dank. Ich hab das Gedicht als Schüler mal aufgesagt, und mir tat das Gerippe leid. Schön, dass dir das Gedicht gefällt, du mutig die Grabkammer besucht hast und auf den hohen Turm gstiegen bist. Lieber Nöck, man fühlt doch nochmals genauer in den alten Text, wenn man die Handlung aus anderer Perspektive wiedergibt und weiterstrickt. Ich hatte Momente, wo ich mir Goethes Gefühle bei der Niederschrift mancher der Verse des Gedichts gut vorstellen konnte. Liebe Letreo, danke, danke. Es gibt eben nicht nur die Gnade, sondern auch die Ungnade der späten Geburt. Liebe Thing, hab Dank für dein schönes Lob. Ich freue mich sehr. Euch allen ein schönes Wochenende. Liebe Grüße von gummibaum |
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09.09.2018, 10:25 | #7 |
R.I.P.
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Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich das Original von Goethe nicht kenne, daß ich das aber sofort nachholen will.
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