Troll

[Thing]

"Gaaanz ruhig!" flüstert mir Troll ins Ohr. Seit sie sagen, ich hätte Alzheimer, ist Troll mein Begleiter, body-guard und Ratgeber. Daran, daß sie ihn nicht sehen können, sind die Andern selbst schuld - und mir ist es recht so. Body-guard: das bezieht sich auf e i n e n body, hat Troll mir gesagt. Er ist für mich allein da. Er ist mein Liebling und ich bin sein Schützling.
Alzheimer, meint Troll, ist nur eine Behauptung. Kein Zustand.
Er mag mich. Sagt er. Trotzdem mag er nicht alles, was ich so anstelle:
Nachts lesen - derweil muß er unters Kissen oder in meine Haare schlüpfen -. Aber sobald das Licht gelöscht ist, ist er wunderbar gegenwärtig.
Er plaudert gern, über sich und mich, über dies und das.
Über sich: er ist ein Sondertroll, den gibt es nicht alle Tage. Da muß man schon lange suchen, bis man einen solch seltenen Troll findet! Er sucht sich seine bodies (das Wort mag er nicht, der fingerumwindende, flüstrige)
selbst aus.
Befehle? Darüber ist er längst hinweg. Er ist ein sozusagen selbständiger Troll im Ein-Troll-Betrieb.
Ich über ihn:
Er mag es nicht sehr, wenn ich versäume, ihm sein Troll-Essen zu überlassen: ein Krümchen Ohrenwachs, eine kleine Wimper, das morgens-im-Augenwinkel-nistende salzige, -- da ist er vergrämt. Nachtragend ist er jedoch nicht.
Und fastimmerwach ist er dazu auch. Wäre ich nicht das, was ich bin: Troll möchte ich sein!
Wer über Trolle nichts weiß, der weiß nichts Wichtiges.
Sie - die Trolle -
lieben Musik über alles. M e i n Troll liebt - wie sich das trifft! - gerade am meisten d i e Musik, die ich liebe. Manchmal bemängelt er mein Desinteresse an seinen FlötenFolk-Songs ( so nennt er sie ), die er mir im Halbschlaf ins Ohr fein träufelig bläst. Aber er grollt nicht. Er ist ja m e i n Troll.
Er ruht gern in meiner Schlüsselbeinkuhle. Die, sagt er, ist weich und polstrig und warm. Weich genug, seine klitzekleine, spitzefeine Nase hineinzubetten. Warm genug, auf Föhrenzapfenstreu verzichten zu können. Polstrig: zum Turnen wie geschaffen, zum Trolltanz.
Troll schläft nicht gern und dieserhalb nicht lang.
Mitten in der Nacht wird er munter, dann fängt sein zartes Geflüster wieder an: "Wirf die Feder weg, die man Dir in die Hand drückt! Verweigere Unterschriften. Laß es doch auf die Amtmänner ankommen...
langer Weg... Trollweg". Und purzelt über meine Stirn, meine Augen, streut sein Trollpulver in meinen Nacken: düsternisvertreibend.

Er über mich (glaub ich, dazu äußert er wenig):
Trolle haben eine Aufgabe. Ich hab mir mein altes Menschlein ausgesucht, weil es bereit für mich war. Eines Nachts hat es mich gerufen, im Mai, schätze ich, war es. Das sind die Sonder-Wunsch-Lock-Hilfe-Rufe. Habe mich sofort auf meine roten Söckchen gemacht (unzerstörbar, aber Herstellungsrezept wird nicht verraten, da könnte ja Jeder kommen!). Ja, da saß es auf der Bettkante und flüsterte mir ein "Alzheimer" entgegen! Na, ob das ein Willkommensgruß ist? Ich habe
alles durchschaut.
Von wegen Alzheimer! Habe im Haar gegrabbelt, in die Ohren gelugt, die Augen fein sondiert: allgemeine altersbedingte Aufgebe-Angst. Nicht schnell, aber gut zu kurieren. Nächtlings ein auf-dem-Ohr-Turnen, ein paar
Worte zur Angst... weg damit, weg damit! ... Ein strenglachendforschender Blick in seine Augen... ein paar Tränen weggetrocknet..., ein Trollwitzlein geplaudert..
Und mich dann in der Halskuhle zum Schlummern eingenistet. Ohr am Puls (klar! als body-gard! scheußliches Wort! ich nenns lieber Persönlicher Wächter"), und sobald die Arterien klopfen: Ich da! Nichts wie hin ans Ohr!
Mein "gaaanz ruhig!" flüstern. Wozu bin ich da?
Was soll ich sagen? Ich habs liebgewonnen, obwohl der Posten ja nicht bezahlt wird. Na, hin und wieder als Extra eine Haselnuss, obwohl es weiß, daß Moos meine Leibspeise ist, abgesehen von dem bereits Erwähnten.
Es ist friedfertig und ich nestle mich gern in seine Haare.
Außerdem versteht es meine Sprache.
Das war auch Prämisse:
Wenn schon unsichtbar, dann wenigstens gemeinsame Sprache.
Trollsprache.

[Rebird]

Grüss Dich Thing,

Deine Geschichte fand ich echt t(r)oll!! Originell geschrieben, mit Wortwitz und Liebe zu den (d)trolligen Details. Hat Spaß gemacht zu lesen

Ich dachte immer, dass Trolle nicht grade die kleinsten "Leute" sind, sondern ziemlich groß, ja riesig.
Die kleinsten unsichtbaren Gesellen sind, nach Kobolden, Goblins und 'wie die immer schimpfen^^ die Wichtel. Oder Ludkz z.B. - kennst du die Geschichte, Thing?

Als die Wenden in Briesen eine Kirche bauen wollten, wussten sie nicht, auf welchen Fleck, namentlich nicht, weil sie im Turm Glocken aufzuhängen gedachten, welche man überall hören sollte. Da gingen sie auf einen Berg, wo die Ludkz wohnten. Sie warfen die Hütten der Ludkz um, denn sie wollten sehen, wohin diese mit den Türöffnungen zeigen würden. Die Hütten der Ludki fielen nach der Seite zu, wo jetzt Briesen steht...

Bei einigen Stellen in Deinem Text stand ich wiederum vor einem Rätsel und Rätsel sind bekannt lich zum Denken da^^
Wer einen Kopf hat, der hat hinter der Stirne sein eigenes Gehirne, eine echte Birne am leuten Spass muss sein!

baby-(d)t(ro)llige Grüsse
Rebird

[Thing]

Zitat von Rebird

Grüss Dich Thing,

Deine Geschichte fand ich echt t(r)oll!! Originell geschrieben, mit Wortwitz und Liebe zu den (d)trolligen Details. Hat Spaß gemacht zu lesen

Ich dachte immer, dass Trolle nicht grade die kleinsten "Leute" sind, sondern ziemlich groß, ja riesig.

Rebird

Hallo, Rebird -

hab herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!
Daß mein Troll kein Riese ist, liegt daran, daß er eine Sonderausgabe ist - nur für mich gemacht.
Dafür bin ich dem Schicksal dankbar - oder vielleicht war es auch die Vorsehung?

Freut mich, daß Dir der Text gefallen hat!

Freundlichen Gruß
von
Thing

[Daisy]

Hallo Thing,

ich schwanke zwischen Lachen und Weinen, deine Geschichte berührt mich sehr.

Zuerst dachte ich: "Ah, was für ein nettes Märchen", kurz darauf: "Oh, eine moderne Version von "Mein Freund Harvey", wie originell", aber plötzlich erkannte ich, was für tiefe Gedanken und Gefühle sich hinter dem so heiteren Erzählton verbergen und das traf mitten ins Herz.

Es grüßt sehr nachdenklich geworden
Daisy

[Thing]

Liebe Daisy -

Wirklichkeit und Wahn (oder Wunsch und Wahrheit) verdanke ich meinem süßen Troll.
Er ist immer noch bei mir.
Über Tag schläft er in Moos, deckt sich mit kleinsten Federn zu.
(Ich habe einen Papagei).

Wenn Dr. Alzheimer auch noch so oft grüßen läßt -
Troll steht dagegen.

Herzlich Dank für Deinen einfühlsamen Kommentar!


Und natürlich einen lieben Gruß
von
Thing