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Alt 30.05.2006, 16:22   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Standard Tote Rosen

Tote Rosen

Gedankenverloren strich eine schmale Hand über die eingetrockneten Blätter. Die junge Frau saß mitten in einem alten Garten. Vor ihrer niederknienden Gestalt wanden sich alte, verdorrte Rosen noch um die ehemaligen Gartenanlagen. Die Blüten waren alt und vertrocknet. Sie fühlten sich an, als wären sie in ihrem Leben erstarrt, genau in dem Moment, als ihr kindlicher Körper ihre Heimat hier verlassen hatte. Alles war genauso, wie sie es verlassen hatte, doch das Leben war nicht mit ihrer Seele zurückgekehrt.
Der Boden war übersät mit Dornen, doch die bloßen Füße des Mädchens störte das nicht. Auch die vielen blutenden Schrammen an ihren Armen beachtete sie nicht, während sie so da kniete. Ihr Blick war starr auf die dunkelroten Blüten gerichtet, als wäre sie sicher, dass diese im nächsten Moment wieder zum Leben erwachen würde.
Doch das würden sie nie mehr. Sie hatten die Farbe von getrocknetem Blut angenommen und hatten hier viele Jahre über Mias Wunden gestanden und gewacht. Nie hatte sie in all den Monaten und Jahren Schmerzen gehabt, doch nun berührte sie ihre alten Wunden erneut. Ein schmerzendes Brennen.
Dornen bohrten sich in ihre hellen Beine und ihr weißes Kleid saugte bereits die ersten Blutflecken in sich auf. Es war, als würde die Welt sich rückwärts drehen. Mia sah wieder alles vor sich: Erinnerungen an ihre erste große Liebe. Damals hatte in diesem Garten alles nur so vor Leben gestrotzt, doch nun konnte man nur noch die Spuren dieser Lebendigkeit erkennen. Und auch das nur, wenn man sich große Mühe gab.
Ihr wurde mit Schrecken bewusst, dass dieser Garten viel mehr war. Er symbolisierte für sie, wie es in ihrer Seele aussehen musste. Bilder von toten, schwarzen Rosen und verdorrten Dornen spiegelten ihr die Wirklichkeit in ihrem Inneren wieder. Sie wusste, einst hatten diese Blumen in ihr geblüht, sie hatten ihr gezeigt, was wahre Liebe war. Doch dann, vor nahezu zwei Jahren hatte man ihnen das Wasser entzogen. Das Wasser, welches nie freiwillig zu den Blumen gekommen war, doch die Blüten hatten es trotzdem durstig aufgesogen.
Das Wasser - er.
Wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich sein Gesicht nur noch schemenhaft vorstellen. Manchmal kramte sie in ihren alten Bilderkisten ein Foto von ihm heraus um es gleich darauf wieder ganz weit weg zu verbannen. Es war ihre Vergangenheit, sie hatte sich eingeredet, dass sie alles vergessen würde. Doch so verschwommen auch sein Gesicht war, die Sehnsucht zehrte an Mias Herz und sie konnte seine Seele noch immer spüren. Tief in den Abgründen ihres Lebens hatte er sich eingenistet und dort saß er noch immer.
Liebevoll brach Mia eine vertrocknete Blüte ab und nahm sie zärtlich in die Hand. Sie hatte sich geschworen, stark zu sein. Jede Minute hatte sie ihre tote Liebe vergraben wollen, doch es ging nicht.
Nie.
Die schwarzen Blätter rochen noch immer leicht süßlich und Mia wusste, dieser Geruch würde bleiben, Jahre oder ein ganzes Leben lang.
Die toten Rosen zeigten ihr ihre eigene Welt, so war sie und so würde sie immer sein.
Warum gab es keine andere Welt, in die sie sich verkriechen konnte? In der sie vielleicht einen neuen Sommer finden würde, der ihren Garten neu bepflanzen könnte.
Die Mauer, die ihre Seele früher umschlossen hatte, war schon längst nur noch eine Ruine, überwuchert von toten Rosen, liebenden Rosen der Sehnsucht. Sie würden nur mit einem Wasser wachsen – mit seinem Wasser.
Mia umschloss die rote Blüte langsam und traurig. Schon wieder hatte die Vergangenheit sie eingeholt. Noch immer liebte sie ihn.
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