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Alt 26.05.2006, 11:39   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Standard Steppenland - fremdes Land

Steppenland – fremdes Land

Der Tau perlte langsam von den hohen Gräsern der Steppe ab. Diannas helles Kleid saugte die Feuchtigkeit gierig auf, doch sie blieb sitzen. Die hohen Pflanzen umgaben sie sanft und gaben ihr ein Gefühl von Schutz und Sicherheit, was sie in diesem Land nie verspürt hatte. Vor wenigen Monaten war ihre Familie hier her gezogen und sie hatte mitgemusst.
Die Morgensonne brannte bereits unerbitterlich auf ihren zarten Körper hinunter und blendete sie, wenn sie nur in ihre Richtung sah. Ein leeres Gefühl hatte sich in ihre Seele gebrannt. Warum hatte sie nicht einfach zu Hause bleiben können? Wie sehr sie alles vermisste, was sie zurückgelassen hatte. Die Wangen der 14-Jährigen waren bereits von einer hellen Salzkruste bedeckt und aus ihren Augen quollen keine Tränen mehr. Ihr Mund fühlte sich trocken an und ihr Körper war ausgelaugt. Aber die Gefühle waren geblieben, keine der vielen Tränen hatte sie wegwischen können. Noch immer vermisste sie ihre Freunde, ihre Verwandte, ihre Heimat. Sogar der Morgenduft war zu Hause besser.
Ihre Eltern hielten sie für verrückt, sie meinten, dass sie sich schnell an das andere Klima gewöhnen würde, schließlich hätten sie sich ja auch an Deutschland gewöhnt, aber verbittern sagte Dianna jedes Mal: „Ihr musstet ja auch aus eurer Heimat. Warum tut ihr dasselbe eurem Kind an?“ Sie würde hier her gehören, meinten sie. Doch es stimmte nicht. Jeder Zentimeter fühlte sich hier falsch an. Sie wollte nach Hause. Wie sehr sie sich nach Flügeln sehnte um mit ihnen einfach in die stickige Morgenluft aufzusteigen und nach Hause zu fliegen.
Ihr Herz verkrampfte sich erneut bei dem Gedanken an ihre Heimat. Gleichzeitig wusste sie, dass sie sich mit ihrem Schicksal abfinden musste, zumindest bis sie volljährig war. Schon viele Pläne hatte sie geschmiedet, doch keiner war gut genug gewesen um dafür ihre Familie allein zu lassen. So sehr sie auch alles vermisste, sie war noch nicht bereit auch noch ihre Eltern zu verlassen.
Langsam stand sie von ihrem Lieblingsplatz auf. Die Sonne war bereits höher geklettert, als sie es zu Hause vormittags wagen würde und brannte bedenklich auf ihre schutzlose Haut. Die junge Frau wischte sich einen Teil des Tauwassers von der Haut und drehte sich um. Vor ihr lag ihre neue Heimat. Ein kleines Haus, viel kleiner als das, in dem sie 14 Jahre lang gelebt hatte. Ihre Eltern waren gerade aufgestanden, Dianna sah, wie sie bereits in der Küche herumwuselten.
Dianna atmete tief durch und meinte, zum ersten mal in der Luft einen Hauch der Frische ihrer Heimat zu finden, auf wackeligen Beinen ging sie den kleinen Hügel hinunter. Das Dorf wirkte noch verlassen, doch bald würden auch hier ihre neuen Nachbarn durch die Straßen lärmen.
Der Tau klebte den Stoff von Diannas Kleides an ihren Beinen fest. Wenigstens war das Wasser hier noch dasselbe, auch wenn es vielleicht einen Hauch wärmer war, im Vergleich zu dem Klima wirkte auch dieses Wasser angenehm kühl. Bald schon würde der nächtlich Tau vollends getrocknet sein und auch schon ihr Kleid trocknete langsam auf dem Weg hinab zu ihren Eltern.
Die Leere war nicht aus ihrer Seele verschwunden, doch ihr Geist schien sich langsam mit ihrem Schicksal abzufinden und solange sie dieser fremden Welt nicht entkommen konnte, konnte sie ihr wenigstens eine Chance geben, dachte sie laut.
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