Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Philosophisches und Nachdenkliches

Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 19.07.2009, 13:45   #1
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Standard Alraune

(Nach einer Überlieferung)

Ein Professor und seine Tochter,
lebten zusammen, sorgenfrei,
er sprach nie über ihre Mutter,
außer, daß sie ihr ähnlich sei.

Scheinbar aus des Alten Laune,
weil ihm der Name gut gefiel,
nannte er das Mädchen Alraune,
doch es war mehr als das im Spiel.

Alraune hatte der Mutter Charme
und ihre engelhafte Gestalt,
doch an Gefühlen war sie arm,
ihr Empfinden war ohne Gehalt.

Sie konnte keine Liebe spüren,
nicht der Leidenschaft Gemisch,
nichts konnte sie zu Tränen rühren,
sie kannte das Weinen nicht.

Die Männer verloren den Verstand,
denn Alraune brach ihre Herzen,
sie reichte ihnen erst die Hand
und schickte sie dann ins Verderben.

Auf einmal wurde ihr gewahr,
es könne etwas nicht stimmen,
weil sie nicht wie die anderen war,
und sie begann, Fragen zu stellen.

Der Professor sagte zur ihr: "Kind,
ich verberge die Wahrheit nicht länger:
Du entstammst einem Experiment,
eine Frau künstlich zu schwängern.

Eine Straßendirne war bereit,
gegen Lohn dich auszutragen,
ein Frauenmörder, dem Strang geweiht,
spendete dafür den Samen.

Unter dem Galgen kamst du zur Welt,
an den sie den Mörder hängten,
die Hure hatte es nicht überlebt,
so nahm ich dich zu meinen Händen.

Deshalb, Alraune, bist du schlecht,
du bist für die Menschen verdorben,
wer immer kreuzet deinen Weg,
ist sogleich verdammt und verloren."

Bald verliebte sich wieder ein Mann,
doch Alraune wollte verzichten,
sie legte sich traurig in seinen Arm
und erzählte ihm ihre Geschichte.

Und plötzlich schlug ihr wild das Herz,
aus den Augen schossen die Tränen,
sie fühlte einen brennenden Schmerz
und der Liebe tiefstes Sehnen.

Zu Hause sprach sie: "Ich gehe fort,
und ich werde nicht wiederkehren,
dem Liebsten gab ich mein Ehrenwort,
dich niemals mehr anzusehen."

Der alte Mann ergriff die Waffe
und sprach: "Niemals laß ich dich fort,
du bist mein, ich habe dich geschaffen."
Dann drückte er ab und schoß sie tot.

Das ist der traurige Bericht
von Alraunes glücklosem Leben,
den Professor verurteilte das Gericht
zum Tode am Galgen durch Hängen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2012, 21:49   #2
männlich Ayatollah
 
Benutzerbild von Ayatollah
 
Dabei seit: 12/2010
Ort: Vientianne
Alter: 37
Beiträge: 735

"Auf einmal wurde ihr gewahr,
es könne etwas nicht stimmen"

Wieso? Was lässt eine Person merken, dass etwas nicht stimmt? In vielen Dystopien sind es z.B. zufällige Begegnungen, die den Protagonisten dazu anstoßen, nachzudenken. Habe mich gefragt, wie es wohl bei der Alraune war.

Da ich ein Anhänger des Gruselschreibers Ewers bin, ist mir das Motiv bekannt. Fand ich auch gut umgesetzt; allein das Experiment, und die Enthüllung des Professors schien mir etwas zu formal bzw. unaufgeregt.

Ach die Alraunes dieser Welt. Wenn es nur so einfach wäre, die Erklärung für diese mechanisch-mystischen Gestalten. Da bleibe ich doch lieber verborgen und warte ab....
Ayatollah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2012, 22:30   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Zitat:
"Auf einmal wurde ihr gewahr,
es könne etwas nicht stimmen"

Wieso? Was lässt eine Person merken, dass etwas nicht stimmt?
Einfache Antwort:

So kam es im Film für mich rüber. Es war dieses plötzliche Erkennen, daß die Unfähigkeit, feste Beziehungen einzugehen, etwas mit dem Besitzanspruch des Vaters zu tun hatte.

Das Mädchen war nicht herzlos, aber gefangen. Deshalb konnte/durfte es sich für keinen Bewerber entscheiden. Und als es sich befreien wollte, als es sich unsterblich verliebt und entschieden hatte, wurde es vom Vater umgebracht.

Dieser Film ist ein Inzest-Drama, aber das durfte damals so nicht bezeichnet werden. Aber genau das ist der Inhalt: Vater liebt Tochter und will sie nicht hergeben. Alles ganz einfach: Für die eigene Tochter ist keiner gut genug außer man selbst.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2012, 22:46   #4
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Halli Hallo, Ilka-Maria -


Hach, die Knef!
Wenn ich noch an den Film denke...!
V. Stroheim, Böhm ..

Die Fassung von Galeen mit Brigitte Helm hab ich leider nicht gesehen. Soll expressionistische Hochkunst gewesen sein.
Aber den Ewers hab ich schon ganz früh gelesen.
Huuuhh.....

Du hast genau den richtigen Duktus gefunden, um diese Schauermär "unters Volk zu bringen".
Dazu passen auch die gewollt unechten Reime.
Finds prima!

LG
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2012, 22:59   #5
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Huch, jetzt erst gemerkt ... aus der Gruft gehoben,
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Alraune

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.