Titellos bei Poetry.de

Kayoko · 21.09.2005, 16:31

[06.Februar 2005]

Es war ein kalter Wintertag. Das Wasser in den Pfützen, Seen und Flüssen war gefroren. Vereinzelnd hörte man Vögel zwitschern. Autos fuhren vorbei und der Wecker hatte bereits geklingelt. Eingeschüchtert von der Kälte streckte sie zögernd ihren Arm aus der warmen blauen Decke und goss sich etwas Wasser in ihr Glas. Sie setzte das Glas an die Lippen und nahm einen Schluck. Ihre Lippen waren spröde und rissen aus. Blut floss in ihr Wasser und mischte sich mit der klaren Flüssigkeit. Sie war angewidert – fand es ekelhaft, trank jedoch weiter. Musste lächeln. Diesen Geschmack wollte sie noch heute ihrem Freund berichten. Sie freute sich auf seine Reaktion und zog sich an. Sie fror.

Es war ein kalter Wintertag. Auf den Äckern, Rasenflächen, Dächer, Autos und Straßen lag Frost. Die Nachbarskatze strich durch den Garten, ein Eichhörnchen sprang einen Baum hinunter. Es war ruhig. Die Zeit verging langsam. Zäh…wollte nicht vorüber gehen. Er musste würgen. Das Leben hatte für ihn keine schönen Momente oder Bedeutungen mehr. Langsam war er einem Engel gefolgt. Immer weiter. Keine Gewissensfragen. Keine Verantwortung. Keine Gefühle. Nicht mehr. Nun. Nie wieder. Das Wasser in der Wanne war bereits kalt. Es störte ihn nicht. Er schaute zu, wie das Wasser sich mit seinem Blut vermischte. Langsam. Wie in einem Tanz. Erinnerte ihn an Rauch.

Sie schrie – schrie – schrie. Hörte nicht mehr auf zu schreien. Rannte zur Wanne, schrie ihn an. Schüttelte ihn, schrie. Sie schrie vor Angst, Verzweiflung, Liebe. Sie schrie, weil sie nicht sehen wollte, was sie sah und sie sehen konnte, es deshalb sah, was sie sah. Ihre Schreie halten an den Wänden.

Er hörte ihre Schreie. Fühlte ihr Schütteln. Bemerkte ihre Liebe, Verzweiflung und Angst. Er hörte. Er bemerkte. Alles. Nicht. Langsam folgte er seinem Engel. Ohne Denken. Ohne Leben. Er war tot.

Es war ein kalter Wintertag. Eine Wanne voller Wasser. Blut und Rasierklingen. Einem leeren Wasserglas. Ein Badezimmer. Widerhallenden Schreien. Das Leben geht weiter. Nimmt seinen Lauf.

Nothingness · 21.09.2005, 19:06

Nett. Ich mag die verschiedenen Erzählperspektiven und die Beschreibungen.

21.09.2005, 16:31	#1
Kayoko Dabei seit: 09/2005 Beiträge: 40 Meine Geschichten	Titellos [06.Februar 2005] Es war ein kalter Wintertag. Das Wasser in den Pfützen, Seen und Flüssen war gefroren. Vereinzelnd hörte man Vögel zwitschern. Autos fuhren vorbei und der Wecker hatte bereits geklingelt. Eingeschüchtert von der Kälte streckte sie zögernd ihren Arm aus der warmen blauen Decke und goss sich etwas Wasser in ihr Glas. Sie setzte das Glas an die Lippen und nahm einen Schluck. Ihre Lippen waren spröde und rissen aus. Blut floss in ihr Wasser und mischte sich mit der klaren Flüssigkeit. Sie war angewidert – fand es ekelhaft, trank jedoch weiter. Musste lächeln. Diesen Geschmack wollte sie noch heute ihrem Freund berichten. Sie freute sich auf seine Reaktion und zog sich an. Sie fror. Es war ein kalter Wintertag. Auf den Äckern, Rasenflächen, Dächer, Autos und Straßen lag Frost. Die Nachbarskatze strich durch den Garten, ein Eichhörnchen sprang einen Baum hinunter. Es war ruhig. Die Zeit verging langsam. Zäh…wollte nicht vorüber gehen. Er musste würgen. Das Leben hatte für ihn keine schönen Momente oder Bedeutungen mehr. Langsam war er einem Engel gefolgt. Immer weiter. Keine Gewissensfragen. Keine Verantwortung. Keine Gefühle. Nicht mehr. Nun. Nie wieder. Das Wasser in der Wanne war bereits kalt. Es störte ihn nicht. Er schaute zu, wie das Wasser sich mit seinem Blut vermischte. Langsam. Wie in einem Tanz. Erinnerte ihn an Rauch. Sie schrie – schrie – schrie. Hörte nicht mehr auf zu schreien. Rannte zur Wanne, schrie ihn an. Schüttelte ihn, schrie. Sie schrie vor Angst, Verzweiflung, Liebe. Sie schrie, weil sie nicht sehen wollte, was sie sah und sie sehen konnte, es deshalb sah, was sie sah. Ihre Schreie halten an den Wänden. Er hörte ihre Schreie. Fühlte ihr Schütteln. Bemerkte ihre Liebe, Verzweiflung und Angst. Er hörte. Er bemerkte. Alles. Nicht. Langsam folgte er seinem Engel. Ohne Denken. Ohne Leben. Er war tot. Es war ein kalter Wintertag. Eine Wanne voller Wasser. Blut und Rasierklingen. Einem leeren Wasserglas. Ein Badezimmer. Widerhallenden Schreien. Das Leben geht weiter. Nimmt seinen Lauf.

21.09.2005, 19:06	#2
Nothingness Dabei seit: 12/2004 Beiträge: 140 Meine Geschichten	Nett. Ich mag die verschiedenen Erzählperspektiven und die Beschreibungen.