Die Drei Rabenbrüder bei Poetry.de

Belshiras · 08.03.2008, 03:09

Eigentlich eine Fabel ...

2008 - 15. Februar

Die Drei Rabenbrüder

Es warn einmal die Rabenbrüder:
Hockten krächzend auf dem Turm,
Sangen ihre Ruhmeslieder
Über jeden kleinen Wurm,
Über jeden Edelstein,
Über jeden Schmuck und wieder
Über jeden funkelnd Schein.

Eitel schnarrend trat der Erste
Güldnen Halses stolz herfür:
„Nur das Gold in meinem Schnabel
Ist die wahre, schönste Kür!“
Doch der Zweite silbern funkelnd
Grinste frech, begann zu prahlen:
„Gold ist schön nicht, niemals wahr;
Silbern sollt dein Schnabel strahlen!“
So trat auch der Dritte vor,
Reckte stolzer seine Brust:
„Gold und Silber schert von Dannen,
Bronzen schimmert schönste Lust!“

Alsbald schon stritten sich die Brüder
Raubend sich durchs lange Jahr,
Schätze hortend auf der Suche
Welcher Schnabel schöner war.
Als, was nicht festgenietet,
Stahlen sie und türmten an
Die güldnen, silbern, bronzen Berge,
Doch kein Rabe sich besann.
Als ein zweites Jahr vorüber,
Immer noch kein End in Sicht;
Erst im Winter dritten Jahres
Türmte sich der berg vors Licht.

Ein letzter Schatz, der größer war
Als alle andren, sollt’s entscheiden,
Stimmen alle Brüder zu:
Des Meisters Spiegel in der Kammer
Würde endlich bringen Ruh!

„Den Mister scherts nicht“, rief der Goldne,
„Liebt nur Bücher!“, fuhr er fort.
„Er begehrts nicht“, sang das Silber,
„Liebt nur seinen Bücherhort!“
„Ja, des Meisters Spiegel stehlen!“,
Einigte das Brüderpaar:
Und so lachten Rabenkehlen,
Zog sie aus die Rabenschar!

Doch der Spiegel blendet, trügte
Diese blinden Narrenbrüder;
Jeder sah im glatten Spiegel
Nur das eigne Schnabelsiegel.
„Er ist silbern!“, „Golden!“, „Bronzen!“,
Schlugen sie sich um den Pfand,
Krächzten, bissen bis der Spiegel
Sich dem eitlen Griff entwand.

Von tausenden von Spiegelglöckchen
Ward der Meister angelockt,
Gold und Silber und das Bronze
Zänkend überm Spiegel hockt.
Der Meister lachte, hob die Hände,
Rief die Namen dieses Streits,
Sprach den Zauber, bracht das Ende
Dieses eitlen Rabenneids:

„Gold und Silber, Bronze - Strahlt
Am Himmel, Nachtens euren Schein!
Zusammen sollt ihr Brüder bleiben,
Jeder für sich ganz allein!“

08.03.2008, 03:09	#1
Belshiras Dabei seit: 05/2007 Ort: Land BRB Alter: 34 Beiträge: 64 Meine Gedichte	Die Drei Rabenbrüder Eigentlich eine Fabel ... 2008 - 15. Februar Die Drei Rabenbrüder Es warn einmal die Rabenbrüder: Hockten krächzend auf dem Turm, Sangen ihre Ruhmeslieder Über jeden kleinen Wurm, Über jeden Edelstein, Über jeden Schmuck und wieder Über jeden funkelnd Schein. Eitel schnarrend trat der Erste Güldnen Halses stolz herfür: „Nur das Gold in meinem Schnabel Ist die wahre, schönste Kür!“ Doch der Zweite silbern funkelnd Grinste frech, begann zu prahlen: „Gold ist schön nicht, niemals wahr; Silbern sollt dein Schnabel strahlen!“ So trat auch der Dritte vor, Reckte stolzer seine Brust: „Gold und Silber schert von Dannen, Bronzen schimmert schönste Lust!“ Alsbald schon stritten sich die Brüder Raubend sich durchs lange Jahr, Schätze hortend auf der Suche Welcher Schnabel schöner war. Als, was nicht festgenietet, Stahlen sie und türmten an Die güldnen, silbern, bronzen Berge, Doch kein Rabe sich besann. Als ein zweites Jahr vorüber, Immer noch kein End in Sicht; Erst im Winter dritten Jahres Türmte sich der berg vors Licht. Ein letzter Schatz, der größer war Als alle andren, sollt’s entscheiden, Stimmen alle Brüder zu: Des Meisters Spiegel in der Kammer Würde endlich bringen Ruh! „Den Mister scherts nicht“, rief der Goldne, „Liebt nur Bücher!“, fuhr er fort. „Er begehrts nicht“, sang das Silber, „Liebt nur seinen Bücherhort!“ „Ja, des Meisters Spiegel stehlen!“, Einigte das Brüderpaar: Und so lachten Rabenkehlen, Zog sie aus die Rabenschar! Doch der Spiegel blendet, trügte Diese blinden Narrenbrüder; Jeder sah im glatten Spiegel Nur das eigne Schnabelsiegel. „Er ist silbern!“, „Golden!“, „Bronzen!“, Schlugen sie sich um den Pfand, Krächzten, bissen bis der Spiegel Sich dem eitlen Griff entwand. Von tausenden von Spiegelglöckchen Ward der Meister angelockt, Gold und Silber und das Bronze Zänkend überm Spiegel hockt. Der Meister lachte, hob die Hände, Rief die Namen dieses Streits, Sprach den Zauber, bracht das Ende Dieses eitlen Rabenneids: „Gold und Silber, Bronze - Strahlt Am Himmel, Nachtens euren Schein! Zusammen sollt ihr Brüder bleiben, Jeder für sich ganz allein!“