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Alt 22.01.2024, 20:07   #1
männlich Windhauch
 
Dabei seit: 11/2023
Beiträge: 53

Standard Der Neidhammel

Nach ein paar Regentagen in Südtirol
und feuchten Wanderungen entlang der Waalwege
hatten wir doch noch Glück mit dem Wetter
die Sonne schien und lockte mit Ihren Strahlen
alles was laufen kann, nach draußen in die Wärme

Oh, du gleichermaßen mondänes wie mediterranes Meran
wie lange schon waren wir getrennt
heute wollen wir dich neu erkunden
lasst uns aber erst einmal in diesem Cafe
in erster Reihe an dem Flusse sitzen
wo einst schon Kaiserin Sissi wandelte
und gemütlich einen Cappuccino schlürfen

Den letzten, freien Platz hatten wir ergattert
perfekt im Halbschatten gelegen
wir spürten die etwas neidischen Blicke der Flaneure
die begierig unsere Zwetschendatschi mit Sahne in Augenschein nahmen
Mensch, waren wir stolz wie Oskar
das Leben meinte es gut mit uns
aber die Abreise nahte und so fuhren wir in Richtung Heimat

Meine liebe Frau kuschelte sich in die Salonsessel mit Schafsfell
und mit ihren schönen Füßen auf dem Armaturenbrett
genoss sie den Ausblick auf die Berge
Und ich, der so gerne mit Spielzeugautos gespielt hat
wie sollte ich unterdrücken, daß ich meinen alten, schweren Wagen mag
aber ich bin mir bewußt, auch dieser Gegenstand ist vergänglich
der Zahn der Zeit nagt bereits an seinen rostigen Schwellern
irgendwann wird seine letzte Fahrt wohl die zum Schrottplatz sein

Aber vorher verziere ich noch meine Limousine zur schönen Erinnerung
mit Autoaufklebern unserer bereisten Sehenswürdigkeiten
Wie schön sich der Chromstern und die Lichter des Tunnel
auf dem Lack der Motorhaube spiegeln
und wie cool man mit diesem Gefährt cruisen kann
plötzlich wurde ich aus meinen Tagträumen gerissen

„Schaaatz, ich muss mal für kleine Mädchen“

Beim nächsten Dorf also, parkten wir vor einer Kirche
unweit davon war ein markantes Gasthaus
und ein hübsches Gesicht, eingerahmt in blonde Locken
fragte mich „könnten wir da vielleicht eine Kleinigkeit essen ?“
„Hey, meine Liebste, so kommen wir ja nie nach Deutschland“

Wir waren recht früh am Mittag da
und haben einen Tisch auf der Terrasse bekommen
der noch nicht für die Hotelgäste eingedeckt war
OK, es schien etwas gehobener zu sein
aber die Speckknödelsuppe und das Wienerschnitzel waren erschwinglich
so langsam füllte sich der Parkplatz mit edlen Karossen
und Menschen in Markenkleidung und Geschmeide gingen zu Tische
mir fiel auf, daß in diesen Kreisen schon mittags ein Glas Schampus wohl
zum guten Ton gehört. Und beim Eingießen meines spartanischen
Mineralwassers, durfte ich die teure Uhr des Chefkellners bewundern

War ich da jetzt etwa neidisch auf all diesen Luxus ?
Überhaupt nicht, jedem wie es ihm beliebt, meine Welt ist es nicht
Neid wäre für mich auch ein Warnzeichen, denn was halte ich dann für
erstrebenswerte Güter und nach was hätte ich dann ein ungestilltes Verlangen?
Neid peitscht das Meer der Emotionen auf und verhindert die Seelenruhe,
mit Neid schadet man sich selbst am meisten,
und spontan fällt mir ein:

„Dessen Herz voll Neid und Begehren,
dem wird die Glücksfee ihr Reich wohl verwehren“

Super, mein erstes Gedicht, .. seit wann kann ich dichten ?

Das Gasthaus hatte eine rustikale Bauart,
angelehnt an den Charme einer Ritterburg, wäre ich ein Ritter,
würde ich wohl folgende Zeilen niederschreiben:


„Bienenfleisig, dem Gaste freundlich gesinnt
verrichten die Wirtsleute und ihr Gefolge ohne Gepoltere emsig ihr Gewerk
Mir dünkt, hier kann man der Knechtschaft des Alltags wahrlich entkommen
Gestärkt und mit vollem Bauche, frisch und holde im Geiste
zogen meine liebe Frau Gemahlin mit ihren güldenen Haaren
und meine Wenigkeit , schweren Herzens ob des Abschiedes, von dannen
Nicht ohne den Blick zurück zu schweifen, zur edlen Herberge
..... mögen uns unsere Wege wieder einmal hierher geleiten.“

Wir fuhren also endlich weiter
mit dem Gefühl einen schönen Urlaub erlebt zu haben
zumal wir auch noch vor Südtirol
eine Woche am unverschämt sonnigen Gardasee waren
und meine einzige Sorge war im Moment mein defekter Fensterheber
auf der Fahrerseite, wie ich den wohl reparieren könnte ?
Ich dachte noch, wenigstens ging er erst nach den ganzen Mautstationen kaputt, aber angeregt durch die Windungen des Reschenpasses und dem Kirchturm im See begann ich innerlich wieder zu philosophieren


Manche sind ja sogar neidisch
nicht nur, wenn man was Schönes hat
nein, vielmehr, auch wenn man was Schönes erlebt
Ich kenne da jemanden, den …Neidhammel
Wie er einen argwöhnisch beäugt
weil man etwas mehr Ausstrahlung hat
Wie es ihn zermürbt, wenn man ein wenig mehr Geld im Portemonnaie hat
oder wenn die eigene Frau mehr zu lachen hat, wie die Seinige
nie schaut er auf sein Leben,
immerzu hält er Ausschau nach dem Leben der Anderen.
Windhauch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.02.2024, 14:18   #2
kofski
abgemeldet
 
Dabei seit: 01/2024
Beiträge: 378

Hallo.
Insgesamt eine schöne Geschichte, es geht um einen Italien-Urlaub. Natürlich könnte man da neidisch werden, aber meist ist man das nicht, wenn man einen Reisebericht liest, sondern man reist mit.
Zuerst hat mich die Gedichtform irritiert, aber dann fand ich mich hinein. Wirklich passend ist sie nicht. Es ist kein Gedicht, denn die Sprache hält die Lyrik insgesamt nicht durch.

Was als Reisebericht begann, mündet in philosophischen Überlegungen über "Neid", aber das LI - offenbar ein Mann - hat überhaupt keinen Grund, neidisch zu sein. Seine Frau - deren Wesensart leider etwas blass bis unsichtbar bleibt - ist bildhübsch und beide haben einen Hammer Urlaub hinter sich, sind mit Sonne aufgetankt und haben bestimmt die letzten 14 Nächte gerammelt wie die Zwanzigjährigen. Postkoitale erleuchtungsartige Zufriedenheit schwebt über diesem Text wie ein aufgeblasenes Kondom mit Glitter und Apfelstrudelgeschmack.

Das LI besitzt auch ein eigenes Auto. Der Fensterheber ist kaputt, aber die Grenzen sind überwunden. Das ist kein Problem, denn ein Problem ist eine lebensbedrohende oder die Lebensqualität erheblich einschränkende Gefahr.
Den Neidhammel zermürbt es nicht, dass jemand anders sich einen Urlaub leisten kann, sondern, dass er die Miete nicht mehr bezahlen kann. An Urlaub will er garnicht denken.

Das ist so, als würde man gerade von der Beerdigung der eigenen Frau kommen und ein Kollege zeigt einem Bilder von seiner Hochzeit auf so einem winzig kleinen Smartphone.
Wenn ich das nicht sehen will, ist es kein Neid, es ist nur die temporäre Unfähigkeit, sich über das Glück der anderen zu freuen, weil einem gerade das Wasser bis zum Hals steht. Ist auch ein bisschen viel verlangt in solchen Survival-Situationen.

Sich aus einer Position des Glücks über "Neidhammel" zu echauffieren erscheint mir darum überheblich. Ich hätte lieber mit Dir zusammen Deine Italien-Erinnerungen genossen, um mich von meinem Leid abzulenken, stattdessen werde ich beleidigt, weil ich nicht glücklich bin.

Bestimmt meinst Du das nicht so, aber so kommt es beim Leser an.
Wenn man darauf verzichten könnte und noch einen kleinen Höhepunkt einbaut, kann das ein sehr guter Text werden. Statt philosophischer Betrachtungen empfehle ich Sex am Strand/ im Wald. Ungefähr an der Stelle, wo sie in das teure Restaurant gehen oder kurz danach.
Und bitte anders formatieren, als Fließtext mit kleinen Absätzen.
LG
kofski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.02.2024, 16:38   #3
männlich Windhauch
 
Dabei seit: 11/2023
Beiträge: 53

Hi kofski,

Danke für Deinen Kommentar und Deine Zeit
ich bin fast ein wenig neidisch auf Dich,
daß Du so viel Zeit hast zu kommentieren.

Nein, Spaß beiseite

ja es stimmt, es ist schon eine sehr eigenwillige Geschichte
die mir aber, so wild wie sie ist, ziemlich gut gefällt.

Ich möchte glauben,
daß den meisten Lesern ersichtlich ist
daß das Li kein arroganter Schnösel ist
der nur überheblich von seinem Glücke schwadroniert
sondern das Thema Neid aufgreift
und den direkten Weg in das Unglück
nämlich den Vergleich

Aber diese eine andere Sache,

die Du, für mein Empfinden etwas zu grob ansprichst,
möchte ich hiermit gerne nachreichen:

Am Gardasee,

in der Nachbar-Ferienwohnung
hörten wir in tiefer Nacht
rhythmische Bewegungen eines knarrenden Bettgestells
begleitet durch ein immer schnelleres atmen

Durch die offenen Fenster
spielte ein lauer Wind mit den Gardinen
und wehte über unsere weichen Kissen
in die sich ihre schönen Hände krallten

Viele Grüße

Andreas
Windhauch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.02.2024, 17:00   #4
kofski
abgemeldet
 
Dabei seit: 01/2024
Beiträge: 378

Eigentlich habe ich keine Zeit, da hast Du schon ganz recht.
Vielleicht sollte ich lieber mal übers Wochenende nach Island fliegen.
Warum bin ich grob, wenn ich sage, dass eine Sex-Szene der Knaller wäre? Die ganze Zeit knistert die Erotik zwischen dem LI und dieser Frau. Der Leser möchte mehr von dieser Frau.
Sind es private Gründe (sie findet es Scheiße, dass Du über sie schreibst), die Dich davon abhalten?
LG
kofski ist offline   Mit Zitat antworten
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