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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 24.11.2023, 01:27   #1
männlich Eisenvorhang
 
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Standard kathrin

sonntags liegt sie
zwischen waschmaschine
und ihren gedanken
sie glaubt
sie fühlt sich wohl
und rührt mit der welt
den kaffee um
gedanklich
begreift ihre depression
als zwei erdhälften

sie hat einen papagei
mit nur einem lautsprecher
der marke
„echo-chamber“

manchmal knarrt ihr
schaukelstuhl
wenn sich tauben
im offenen fenster
spiegeln -
die katze faucht
das fenster läuft an

eine gabel fällt
auf den boden
kadrage close-up

sie geht mit ihrer
angst gassi
exakt um drei
und
begrüßt im anschluss
den nachbar
aus der 23

mit sex: hey.
ja, sei ruhig,
komm rein.

er hat
strahlend weiße
zähne und riecht
nach olivenöl
und one million
attempts.

es klingelt an der tür
der postbote der dhl
war immer
sehr einfühlsam
zu ihren türrahmen
und den brustwarzen
der zeit

und wartete geduldig

während das bad
kathrins selbstwert
flickt
und sie ihren freund
anruft

-2020

Geändert von Eisenvorhang (24.11.2023 um 02:49 Uhr)
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Alt 25.11.2023, 16:14   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Eisenvorhang,

ich habe noch nicht oft ein ungereimtes Gedicht von dir gelesen.

Das hier ist wirklich beeindruckend.

Diese Zeilen gehen mir besonders ans Herz:

Zitat:
sie fühlt sich wohl
und rührt mit der welt
den kaffee um
gedanklich
begreift ihre depression
als zwei erdhälften
Ich hatte selbst zwar noch nie eine Depression, kenne es aber aus meinem Umfeld von einer alten Freundin.

Gut rüber gebracht.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.11.2023, 16:20   #3
weiblich Ilka-Maria
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Das Gedicht hat Atmosphäre und steht vor dem geistigen Auge wie eine Filmszene. Hier hätte ich allerdings den Konjunktiv gesetzt:

Zitat:
sonntags liegt sie
zwischen waschmaschine
und ihren gedanken
sie glaubt
sie fühle sich wohl
und rühre mit der welt
den kaffee um
LG
Ilka
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Alt 25.11.2023, 18:03   #4
männlich Eisenvorhang
 
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Hallo DieSilbermöwe,

ich danke dir!
In der Tat gibt es nicht so viel gereimte Werke.
Der Grund war, formgebundene Grundlagen zu erlernen.
Das ist abgehakt und jetzt gilt es, neues Land zu bewässern.

Danke für das Lob und deinen Kommentar.

Hallo Ilka,

ja, das wäre eine Aufwertung. Dadurch verschöbe sich etwas die Bedeutungsebene. Das nehme ich aber heute gerne und dankend in Kauf!

Lg EV
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Alt 25.11.2023, 18:08   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Dadurch verschöbe sich etwas die Bedeutungsebene.
Nicht dass ich wüsste, wo diese Verschiebung sein sollte. Es ist die grammatikalische Regel, dass nach der nichtwörtlichen Rede (sagte, dachte, glaubte etc.) der Konjunktiv steht.
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Alt 25.11.2023, 18:18   #6
männlich Eisenvorhang
 
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Fritz glaubt, er fühlt sich nicht wohl.
Fritz glaubt, er fühle sich nicht wohl.

= indirekte Darstellung der Gefühle (was ich nicht beabsichtige)

Wölltest du den Text nach diesen Regeln berichtigen, fändest du durchaus noch mehr.
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Alt 25.11.2023, 19:02   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Fritz glaubt, er fühlt sich nicht wohl.
Fritz glaubt, er fühle sich nicht wohl.

= indirekte Darstellung der Gefühle (was ich nicht beabsichtige)
Ich verstehe das anders. Es gibt zwei Formen:

Fritz glaubt, dass er sich nicht wohlfühlt.
Fritz glaubt, er fühle sich nicht wohl.

"Dass" einfach wegzulassen ergibt keine korrekte Form = "Fritz glaubt, er fühlt sich nicht wohl" ist falsch, denn er glaubt es nur, weiß es aber nicht genau. Deshalb gibt es nur die Lösung mit "dass" oder mit dem Konjunktiv.
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Alt 25.11.2023, 19:35   #8
männlich Eisenvorhang
 
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Ich lese die Unterschiede wie folgt:

Im ersten Satz gibt Fritz selbst an, dass er sich nicht wohl fühlt. Im zweiten Satz wird berichtet, dass Fritz glaubt, er fühle sich nicht wohl, was eine indirekte Darstellung seiner Gefühle für mich ist. Ich will den Indikativ. Der Konjungtiv etabliert Distanz und Unsicherheit.

Schau Ilka: In der deutschen Sprache gibt es bestimmte Kontexte, in denen der Konjunktiv verwendet wird, um beispielsweise indirekte Rede oder Unsicherheit auszudrücken, ja. Im vorliegenden Gedicht handelt es sich jedoch um eine direkte Beschreibung von Gedanken und Gefühlen der Person. In solchen Fällen, besonders in der Poesie, wird oft der Indikativ verwendet, um eine unmittelbare und klare Darstellung zu ermöglichen. Die Verwendung des Konjunktivs wäre hier nicht unbedingt erforderlich, da der Text eher auf eine persönliche Erfahrung hinweist, die direkt ausgedrückt wird. Und das ist, was kathrin durchweg beschreibt. Würde ich mich für den Konjungtiv entscheiden, dann aus zwei Gründen: Einerseits der Klang (banal)und andererseits Distanz und Unsicherheit (würde kathrin aber anders darstellen)

Alles Weitere im Text ist aber nicht von Unsicherheit und Distanz durchzogen. Die Dinge, die passieren, geschehen ohne Geplänkel bzw ohne ein Zögern. Erst die Flucht ins Bad verschafft den Ausbruch der Überforderung. Der Konjungtiv hätte in der Badszene und im Kontakt zum DHL-Typ auch andere Konsequenzen. Mir geht es hier nur um Charakterisierung.
Das gesamte Gedicht besitzt keine korrekte Form, Ilka. Die Charakterisierung soll ein Zerwürfnis sein, es passieren Dinge, die Kathrin nicht kontrollieren kann. Es lohnt sich wirklich mit "anderer" Lyrik auseinanderzusetzen, wie David Lerner, Dickinson, Winkler und Anne Seidel. Lyrik nach Regeln der Prosa zu beurteilen, ist für mich eine Gratwanderung.

Ich hoffe, ich konnte dir meine Gedanken gut veranschaulichen.
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Alt 25.11.2023, 20:02   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ich hoffe, ich konnte dir meine Gedanken gut veranschaulichen.
Nein, die Erklärungsversuche überzeugen mich nicht. Sie sind mir zu weit hergeholt, zu konstruiert und völlig verschwurbelt. Die grammatikalische Regel ist dagegen völlig klar und nicht zu widerlegen.
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Alt 25.11.2023, 20:10   #10
männlich Eisenvorhang
 
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Es muss dich nicht überzeugen, Ilka.

Ja, es gibt grammatikalische Regeln, die ich sehr wohl in meiner Antwort erklärt habe.

lg EV
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Alt 25.11.2023, 20:36   #11
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ja, es gibt grammatikalische Regeln, die ich sehr wohl in meiner Antwort erklärt habe.

lg EV
Nein, hast du nicht. Wenn eine Feststellung getroffen wird, erfordert es ein "dass".
Hans fühlt, dass er krank ist, Dann ist er wirklich krank.
Wenn er nur den Eindruck hat, krank zu sein, heißt es:
Er glaube, krank zu sein. Kann sein, muss aber nicht. Er kann es sich einbilden.

Sorry, aber an diesen Unterscheidungen führt kein Weg vorbei. Wäre es anders, könnte man auf den Konjunktiv verzichten. Er spielte keine Rolle mehr.
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Alt 25.11.2023, 20:40   #12
männlich Eisenvorhang
 
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Aber nicht ins Werk.

Lg
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Alt 26.11.2023, 11:08   #13
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich finde an dem Gedicht, so wie es ist, grammatikalisch nichts zu beanstanden.

Zitat:
sie glaubt
sie fühlt sich wohl
und rührt mit der welt
den kaffee um
Nehmen wir mal an, man sagt, jemand glaubt, die Kaffeemaschine ausgemacht zu haben:

Sie glaubt, sie hat die Kaffeemaschine ausgemacht.

Würde man wohl so sagen.

Hi Eisenvorhang,

Zitat:
Es lohnt sich wirklich mit "anderer" Lyrik auseinanderzusetzen, wie David Lerner, Dickinson, Winkler und Anne Seidel. Lyrik nach Regeln der Prosa zu beurteilen, ist für mich eine Gratwanderung.
Ich glaube, bei ungereimter Lyrik spielt die Grammatik auch nicht so eine große Rolle.
Irgendwo habe ich mal etwas darüber gelesen.

Dickinson ist übrigens sehr schön Wird wohl 100 Jahre dauern, bis ich ihren Gedichtband durch habe, aber es lohnt sich.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2023, 11:28   #14
männlich Eisenvorhang
 
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Hallo DieSilbermöwe!

Dickenson ist, wie ich finde, wundervoll bzw. war es.
Hier möchte ich dir auch David Lerner ans Herz legen.

Lerner wuchs unter sehr einfachen Verhältnissen auf.
Er arbeitete aufm Bau und später wurde er Journalist.
Leider geriet er auf die schiefe Bahn und wurde drogensüchtig.
Seine Werke sind geprägt von einer Antipathie gegenüber ordinärer Lyrik.
Er gilt als jemand, der den Expressionismus gebracht hat. 1997 verstarb er an einer Überdosis Heroin. Lerner hinterließ tausende Arbeiten. Sein berühmtestes Werk in Europa ist „Die anmutige Kurve eines Marschflugkörpers“. Manche Arbeiten sind schonungslos, hart, sarkastisch, kritisch und provokant. Seine Sprache aber ist einmalig und wahnsinnig kreativ. Das Buch sollte in keiner Sammlung fehlen. Übersetzt wurde es von Ron Winkler, der eine hervorragende Übersetzungsarbeit geleistet hat und das Besondere: Auf der linken Seite sind die Originale in Englisch gedruckt und auf der rechten die deutsche Übersetzung. Ein Must-Have!

Lg EV und einen schönen Sonntag.
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Alt 26.11.2023, 11:37   #15
weiblich DieSilbermöwe
 
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Danke für den Tipp und dir auch einen schönen Sonntag!

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2023, 20:22   #16
männlich MaxMuehsal
 
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Ort: Karlsruhe
Beiträge: 29

Standard Die Brustwarzen der Zeit

Gedicht gefällt mir gut, sehr schön finde ich die Brustwarzen der Zeit, und - zumindest bei mir - bekommt der Zweifel stets genügend Nahrung was sich hier wie in Wirklichkeit ereignet (um das abgegriffene Wort zu bemühen.)
MaxMuehsal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.11.2023, 12:24   #17
männlich Eisenvorhang
 
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Hi Max,

danke für deine überaus schöne Antwort, die genau aufwirft, was bezweckt war!

lg EV
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