Die Verarschung bei Poetry.de

Kurt · 26.03.2010, 00:10

...oder
Vorweihnachtsfeier.

(Eine wahre Geschichte)

Es war wohl um die Weihnachtszeit, als auch ich mich, um des lieben Friedens willen, schließlich doch noch überwand, an einer Betriebsweihnachtsfeier teilzunehmen.
Es war wohl bestimmt nicht Steffi Grafs Lieblings- (aus der TV-Werbung), aber doch ein recht passabler Italiener, den der selbstgefällige Abteilungsleiter, der den Restaurantbetreiber übrigens kannte, auszuwählen geruhte.
Die Firma stürzte sich dergestalt in Unkosten, dass alle Teilnehmenden sich von der wirklich reichhaltigen Speisekarte sich das ihnen Genehme erwählen konnten. Hoffentlich hatte sie sich bei solchen Weihnachtsfeiern finanziell nicht übernommen.
Von einer popeligen "Pizza Margerita" nicht gerade angetan, wählte ich, und den Namen weiß ich auch heute nicht mehr genau, eine "Pizza Calzone". Der geneigte Leser möge es mir milde verzeihen, wenn ich den Namen tatsächlich nicht mehr genau erinnere.
Eine Pizza dieser Art hatte ich nie zuvor genossen, jedoch stimmten mich die auf der Karte angeführten Zutaten freudig auf die zu erwartende Schlemmerei ein.
Zu meinem nicht geringen Erstaunen servierte mir der schwarzhaarige, mit einer schwarzen Weste, Hose und Fliege, jedoch mit weißem Hemd gewandete und auch ziemlich gewandte Kellner ein Etwas, das wenig mit meiner bisherigen Vorstellung von einer Pizza zu tun hatte:
Auf einem riesigen Teller prangte ein riesenhafter Brotlaib.
Na gut, dachte ich, eine südländische Spezialität. Die ganzen leckeren Zutaten sind innen enthalten und die Brotlaibform wurde durch die Künste des Kochs erzielt; ich erwartete einen gewissen Hohlraum. Also sozusagen ein Gag, wie es ihn auch bei Süßgebäcken, zum Beispiel bei sogenannten Windbeuteln gibt.
Zu meinem nicht geringen Erstaunen entpuppte sich jedoch der Brotlaib als massiv..,gefüllt...
Meine Frage war und ist es noch heute: wer isst auf ein Mal einen gefüllten Brotlaib?
Obwohl wirklich kein schlechter Esser, schaffte ich es nicht, das Servierte aufzuessen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass dies jemals bei einem anderen Gast der Fall gewesen sein könnte.
Der Italiener war aber nicht nur passabel sondern auch dergestalt kulant, indem entsprechende Gäste ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurden, sich einen nicht aufgegessenen Rest einpacken zu lassen, um ihn mit nach Hause zu nehmen. So ließ ich mir also den fast noch halben gefüllten Brotlaib einpacken.
Er reichte mir am nächsten Tag, übrigens ein Sonntag, zu einem Mittagessen. Damit hatte mir die Firma sogar zwei Mahlzeiten geschenkt.
Niemand, dem ich später gelegentlich diese Episode zu Gehör brachte, hat jedoch meiner Meinung widersprochen, dass dieser gefüllte Riesenlaib eine veritable Verarschung des Gastes ist...

Gram · 26.03.2010, 11:04

Haha geil, endlich schreibt mal jemand über sowas. Da könnte ich auch massig Geschichten erzählen, gerade aus der Schweiz, wo ich mir einmal einen Champignon Rahmtoast für 20 € bestellte. Ich erwartete den Toast natürlich überbacken, bekam jedoch 2 ungetoastete kalte Scheiben Toast in einer lauwarmen Champignonsauce ertränkt serviert. Für 20 €!!!

Mir hat deine Art zu schreiben auch gut gefallen. Gerade das Wort "dergestalt", habe ich noch nie gehört und überhaupt ist die Schreibweise so untreffend vornehm, wie sie mir nur noch zu gefallen vermag. Danke!

Grüssle!

Gram

C.Alvarez · 26.03.2010, 14:47

Ich finde die Geschichte ein eher trauriges Abbild der deutschen Wirklichkeit.
Man gibt sich weltoffen, fliegt im Urlaub nach Thailand oder Sri Lanka oder besucht gar Machu Picchu in Peru.
Und überall in diesen Ländern sucht der Deutsche ein deutsches Restaurant, deutsches Bier und die Bild Zeitung.
In Peru gibt es deutsche Bäcker und deutsche Metzger. Sonst müssten die dort lebenden Deutschen ja einheimisches Zeug essen. Das geht ja an die Grenze der Zumutbarkeit.
Wenn hier in Deutschland in einem italienischen Lokal schon eine Pizza Calzone Irritationen auslöst...

Natürlich ist alles Geschmacksache. Wenn jemand in China keine gegrillten Hundewelpen probieren mag, okay. Ich esse auch keine gerösteten Skorpione oder Spinnen, wie sie in Bangkok von jedem Strassenimbiss angeboten werden.

Aber sich über eine Pizza Calzone zu echauffieren, tja, finde ich eher traurig. Ich verstehe es auch sachlich nicht. Ich habe schon öfter Pizza Calzone gegessen, wo ist das Problem? Eine zu grosse Portion? Kein Mensch verlangt doch, dass man in einem Restaurant allles aufessen muss.

Na ja, die Geschichte zeigt mir mal wieder die Einstellung mancher Menschen zu dem, was sie nicht kennen.

Corazon

Kurt · 27.03.2010, 23:19

Erstmal danke für die Zuschriften (@ Gram + Corazon De Piedra).
@ Corazon De Piedra:
Mit Deinen Ausführungen was Speisen in fremden Ländern etc. betrifft bin ich der gleichen Meinung.
Des weiteren liebe ich übrigens irgendwie traurige Abbilde.

Was Echauffierungen anbelangt, so können diese doch durchaus individuell verschieden sein...
Bei mir ist es aus bestimmten Gründen dieser Italiener..., aber das würde jetzt zu weit führen.
Ich befürchtete schon Kritik wegen verschiedener gleicher Satzanfänge.
Na ja, in dieser Hinsicht noch mal davongekommen.

MfG.
K.

C.Alvarez · 28.03.2010, 07:41

Zitat:

Zitat von Kurt

Was Echauffierungen anbelangt, so können diese doch durchaus individuell verschieden sein...
Bei mir ist es aus bestimmten Gründen dieser Italiener..., aber das würde jetzt zu weit führen.

Guten Morgen Kurt,

das ist ja das Problem. Du echauffierst dich über eine Pizza Calzone beim Italiener, keiner kann nachvollziehen, was dich jetzt eigentlich an dieser Pizza so gestört hat und die Gründe dafür zu benennen würde für dich zu weit führen.

Nun gut.

Ich möchte dir mal was über deutsche Restaurants erzählen. Ich habe mal in einem Hotel in Frankfurt/Main eine Ausbildung zur Hotelfachfrau begonnen und wieder abgebrochen. Keines der grossen internationalen Hotels, ein kleines aber feines Hotel in Privatbesitz. Zu dem Hotel gehörte ein Restaurant, das einen sehr guten Ruf hatte und gut besucht war.
Einmal war ich im Service und im Spätdienst. Kurz bevor die Küche schloss kam noch ein Gast. Er bestellte unter anderem ein Rinderfiletsteak. Ich ging in die Küche, sagte Bescheid. Der Koch war sauer, der wollte sich gerade umziehen und nach Hause. Jetzt musste er das Steak machen.
Als ich es dem Gast serviert hatte, reklamierte dieser, das Steak wäre zu durch, keineswegs Medium. Ich ging also mit dem Teller wieder in die Küche und sagte dem Koch Bescheid. Der war jetzt richtig sauer.
Er schnitt ein neues Steak vom Filet ab, zog sich die Hosen runter und wischte sich mit dem Fleisch mehrmals den Hintern ab. Dann warf er es in die Pfanne.
Ich servierte das nicht, er brachte das Steak selbst dem Gast.
Der lobte es, jetzt wäre es genau auf den Punkt gebraten und würde hervorragend schmecken.
In der Küche zurück lachte sich der Koch halbtot und ich brach am nächsten Tag meine Ausbildung ab.

Corazon

Tiffy · 28.03.2010, 13:09

Corazon,

ich werde nie wieder ein Filetsteak essen können, ohne dieses Bild vor den Augen zu haben

Sind eigentlich alle Köche gleich?

Ich bin gelernte Hotelfachfrau und kann nur sagen, bei uns im Betrieb gabs fast mehr Mäuse als Mitarbeiter. In dem Laden waren ungefähr 100 Leute beschäftigt.

Es ist serviert,
ich wünsche guten Appetit!

C.Alvarez · 28.03.2010, 13:26

Zitat:

Zitat von Tiffy

ich werde nie wieder ein Filetsteak essen können, ohne dieses Bild vor den Augen zu haben

Sind eigentlich alle Köche gleich?

Tja Tiffy,

ich wollte dir nicht den Appetit verderben. Allerdings gehe ich auch nicht mehr soooo gerne in Restaurants essen.
Ob alle Köche so sind? Das will ich keinem unterstellen, aber du weisst ja selbst, wie es zugeht. Wenn ich sehe, dass aus den Resten der vergangenen Tage dann ein "Grilltopf nach Art des Hauses" entsteht und ähnliches, na ja.

Corazon

Tiffy · 28.03.2010, 13:32

Genau, wahnsinn, es ist überall das gleiche.
Und den "Verdauungsschnaps aufs Haus" gibts, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.

26.03.2010, 00:10	#1
Kurt Dabei seit: 08/2007 Ort: Menzenschwand-Las Vegas Beiträge: 452 Meine Geschichten Meine Favoriten	Die Verarschung ...oder Vorweihnachtsfeier. (Eine wahre Geschichte) Es war wohl um die Weihnachtszeit, als auch ich mich, um des lieben Friedens willen, schließlich doch noch überwand, an einer Betriebsweihnachtsfeier teilzunehmen. Es war wohl bestimmt nicht Steffi Grafs Lieblings- (aus der TV-Werbung), aber doch ein recht passabler Italiener, den der selbstgefällige Abteilungsleiter, der den Restaurantbetreiber übrigens kannte, auszuwählen geruhte. Die Firma stürzte sich dergestalt in Unkosten, dass alle Teilnehmenden sich von der wirklich reichhaltigen Speisekarte sich das ihnen Genehme erwählen konnten. Hoffentlich hatte sie sich bei solchen Weihnachtsfeiern finanziell nicht übernommen. Von einer popeligen "Pizza Margerita" nicht gerade angetan, wählte ich, und den Namen weiß ich auch heute nicht mehr genau, eine "Pizza Calzone". Der geneigte Leser möge es mir milde verzeihen, wenn ich den Namen tatsächlich nicht mehr genau erinnere. Eine Pizza dieser Art hatte ich nie zuvor genossen, jedoch stimmten mich die auf der Karte angeführten Zutaten freudig auf die zu erwartende Schlemmerei ein. Zu meinem nicht geringen Erstaunen servierte mir der schwarzhaarige, mit einer schwarzen Weste, Hose und Fliege, jedoch mit weißem Hemd gewandete und auch ziemlich gewandte Kellner ein Etwas, das wenig mit meiner bisherigen Vorstellung von einer Pizza zu tun hatte: Auf einem riesigen Teller prangte ein riesenhafter Brotlaib. Na gut, dachte ich, eine südländische Spezialität. Die ganzen leckeren Zutaten sind innen enthalten und die Brotlaibform wurde durch die Künste des Kochs erzielt; ich erwartete einen gewissen Hohlraum. Also sozusagen ein Gag, wie es ihn auch bei Süßgebäcken, zum Beispiel bei sogenannten Windbeuteln gibt. Zu meinem nicht geringen Erstaunen entpuppte sich jedoch der Brotlaib als massiv..,gefüllt... Meine Frage war und ist es noch heute: wer isst auf ein Mal einen gefüllten Brotlaib? Obwohl wirklich kein schlechter Esser, schaffte ich es nicht, das Servierte aufzuessen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass dies jemals bei einem anderen Gast der Fall gewesen sein könnte. Der Italiener war aber nicht nur passabel sondern auch dergestalt kulant, indem entsprechende Gäste ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurden, sich einen nicht aufgegessenen Rest einpacken zu lassen, um ihn mit nach Hause zu nehmen. So ließ ich mir also den fast noch halben gefüllten Brotlaib einpacken. Er reichte mir am nächsten Tag, übrigens ein Sonntag, zu einem Mittagessen. Damit hatte mir die Firma sogar zwei Mahlzeiten geschenkt. Niemand, dem ich später gelegentlich diese Episode zu Gehör brachte, hat jedoch meiner Meinung widersprochen, dass dieser gefüllte Riesenlaib eine veritable Verarschung des Gastes ist...

26.03.2010, 11:04	#2
Gram Dabei seit: 02/2010 Ort: Oettingen Alter: 44 Beiträge: 494 Meine Geschichten	Haha geil, endlich schreibt mal jemand über sowas. Da könnte ich auch massig Geschichten erzählen, gerade aus der Schweiz, wo ich mir einmal einen Champignon Rahmtoast für 20 € bestellte. Ich erwartete den Toast natürlich überbacken, bekam jedoch 2 ungetoastete kalte Scheiben Toast in einer lauwarmen Champignonsauce ertränkt serviert. Für 20 €!!! Mir hat deine Art zu schreiben auch gut gefallen. Gerade das Wort "dergestalt", habe ich noch nie gehört und überhaupt ist die Schreibweise so untreffend vornehm, wie sie mir nur noch zu gefallen vermag. Danke! Grüssle! Gram

26.03.2010, 14:47	#3
C.Alvarez Dabei seit: 07/2006 Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici Beiträge: 4.889 Meine Geschichten Meine Favoriten	Ich finde die Geschichte ein eher trauriges Abbild der deutschen Wirklichkeit. Man gibt sich weltoffen, fliegt im Urlaub nach Thailand oder Sri Lanka oder besucht gar Machu Picchu in Peru. Und überall in diesen Ländern sucht der Deutsche ein deutsches Restaurant, deutsches Bier und die Bild Zeitung. In Peru gibt es deutsche Bäcker und deutsche Metzger. Sonst müssten die dort lebenden Deutschen ja einheimisches Zeug essen. Das geht ja an die Grenze der Zumutbarkeit. Wenn hier in Deutschland in einem italienischen Lokal schon eine Pizza Calzone Irritationen auslöst... Natürlich ist alles Geschmacksache. Wenn jemand in China keine gegrillten Hundewelpen probieren mag, okay. Ich esse auch keine gerösteten Skorpione oder Spinnen, wie sie in Bangkok von jedem Strassenimbiss angeboten werden. Aber sich über eine Pizza Calzone zu echauffieren, tja, finde ich eher traurig. Ich verstehe es auch sachlich nicht. Ich habe schon öfter Pizza Calzone gegessen, wo ist das Problem? Eine zu grosse Portion? Kein Mensch verlangt doch, dass man in einem Restaurant allles aufessen muss. Na ja, die Geschichte zeigt mir mal wieder die Einstellung mancher Menschen zu dem, was sie nicht kennen. Corazon

27.03.2010, 23:19	#4
Kurt Dabei seit: 08/2007 Ort: Menzenschwand-Las Vegas Beiträge: 452 Meine Geschichten Meine Favoriten	Erstmal danke für die Zuschriften (@ Gram + Corazon De Piedra). @ Corazon De Piedra: Mit Deinen Ausführungen was Speisen in fremden Ländern etc. betrifft bin ich der gleichen Meinung. Des weiteren liebe ich übrigens irgendwie traurige Abbilde. Was Echauffierungen anbelangt, so können diese doch durchaus individuell verschieden sein... Bei mir ist es aus bestimmten Gründen dieser Italiener..., aber das würde jetzt zu weit führen. Ich befürchtete schon Kritik wegen verschiedener gleicher Satzanfänge. Na ja, in dieser Hinsicht noch mal davongekommen. MfG. K.

28.03.2010, 13:09	#6
Tiffy Dabei seit: 03/2010 Ort: Reutlingen Alter: 38 Beiträge: 350 Meine Geschichten	Corazon, ich werde nie wieder ein Filetsteak essen können, ohne dieses Bild vor den Augen zu haben Sind eigentlich alle Köche gleich? Ich bin gelernte Hotelfachfrau und kann nur sagen, bei uns im Betrieb gabs fast mehr Mäuse als Mitarbeiter. In dem Laden waren ungefähr 100 Leute beschäftigt. Es ist serviert, ich wünsche guten Appetit!

28.03.2010, 13:32	#8
Tiffy Dabei seit: 03/2010 Ort: Reutlingen Alter: 38 Beiträge: 350 Meine Geschichten	Genau, wahnsinn, es ist überall das gleiche. Und den "Verdauungsschnaps aufs Haus" gibts, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.